Tauernbahn

Die Tauernbahn – ein Reader in 3 Teilen

Teil 1: Überblick Tauernbahn

Intercity 690 auf der alten Angertalbrücke, daneben rechts die fertige aber (noch) nicht genutzte neue Brücke (30.6.2015)

Im Jahr 2009 jährte sich zum hundertsten Mal die Fertigstellung der Tauerbahn, einer imposanten Gebirgsbahn von Schwarzach St. Veit im Bundesland Salzburg nach Spittal / Millstättersee in Kärnten. Während die Nordrampe bis Badgastein bereits im September 1905 fertiggestellt und durch seine Majestät Kaiser Franz Josef “höchstselbst” im Bahnhof Badgastein feierlich eröffnet werden konnte, wurde die Südrampe erst am 5. Juni 1909 durchgehend fertiggestellt und am 5. Juli feierlich eröffnet.

Marmortafeln am Hausbahnsteig des Bahnhofs Badgastein (Bad Gastein)

Die Tauernbahn ist Teil der sogenannten Transalpina, die Österreich-Ungarn mit ihrem Tor zur Welt, dem Hafen von Triest, verband. Über Tauernbahn bzw. Pyhrnbahn, Karawankenbahn, Wocheinerbahn und schließlich Karstbahn stellte diese staatliche Transalpina neben der schon bestehenden privaten Südbahn eine auch aus militärischer Sicht wichtige Alternativroute der Monarchie zu ihrem Haupthafen Triest dar. Während Wocheinerbahn und Karstbahn durch Veränderungen der geopolitischen Lage nach dem Ende der Monarchie sowie nach dem 2. Weltkrieg an Bedeutung verloren und tw. gar zur Bedeutungslosigkeit degradiert wurden, entwickelte sich die Tauernbahn bis heute zu einer bedeutenden, prosperierenden Nord-Süd-Alpentransversale.

Tauernbahn und “Neue Alpenbahnen” (n. Victor Freiherr von Röll)

Die Tauernbahn ist eine normalspurige, selektiv zweigleisig ausgebaute, elektrifizierte ca. 80 km lange Gebirgs-Eisenbahnstrecke zwischen den Bahnhöfen Schwarzach St. Veit (Bundesland Salzburg) im Norden sowie Spittal-Millstättersee (Bundesland Kärnten) im Süden.


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Errichtungszweck

Optimierte, direktere Anbindung Österreich-Ungarns inkl. Böhmens und auch Süddeutschlands (Bayern) an den Hafen von Triest, Österreichs damaliges Tor zur Welt. Als Alternative zum Monopol der privaten Südbahngesellschaft über den Semmering ohne Umweg über Wien (ca. 200 km kürzer) auch militärpolitisch wichtig.

Tauernbahn im Kontext der “Neuen Alpenbahnen”

Letztes großes Projekt der alten Monarchie – gleichzeitig werden mehrere große Bahnbauten in Angriff genommen, nämlich Pyhrnbahn, Tauernbahn (als nördliche Zulaufstrecken), Karawankenbahn, Wocheinerbahn, Karstbahn.

ÖBB EC mit Zuglok 1044 059 im Bahnhof von Badgasten auf der Fahrt nach Klagenfurt (3.3.2011)

Routenwahl

Es gab zahlreiche konkurrierende Linien-Varianten für die Tauernbahn (Radstätter Linie, Zederhauslinie, Felbertauern Linie etc.). Nach einem “Evaluierungsverfahren” (heute würde man “Kosten-Nutzen-Analyse” im Rahmen einer Machbarkeitsstudie sagen) setzte sich die Linie durch das Gasteinertal durch.

Bauzeit, Eröffnungsdaten

Die Bauzeit betrug in Summe bis zur durchgehenden Fertigstellung 8 Jahre, nämlich von 1901 bis 1909.

  • Der Spatenstich erfolgte am 24. Juni 1901.
  • Eröffnung der Nordrampe Schwarzach St. Veit – Badgastein (Bad Gastein): 20. September 1905
  • Durchschlag Tauerntunnel: 21. Juli 1907
  • Eröffnung des restlichen Abschnitts Badgastein – Tauerntunnel – Spittal an der Drau am 5. Juli 1909 unter Beisein von seiner Majestät Kaiser Franz Josef I.

Errichtet von / Bauleitung

K.K. Staatsbahn; als Vater der Tauernbahn gilt Carl Wurmb (seit 1901 Eisenbahnbaurat im k.k. Handelsministerium). Er erlebte die Vollendung der Strecke leider nicht mehr. Ihm zu Ehren steht in der Salzburger Schwarzstrasse ein Denkmal.

Carl Wurmb 1850-1907, Vater der “Neuen Alpenbahnen”. Denkmal in der Stadt Salzburg

Baukosten

Veranschlagt 60 Millionen Kronen, effektive Baukosten dann 90 Millionen Kronen

Elektrifizierung

Erfolgte in der Zwischenkriegszeit zwischen 1933-1935 mit 15 kV 16 2/3 Hertz

Spur

Normalspur 1.435 mm, ursprünglich 1-gleisig, nur der Tauerntunnel wurde bereits in weiser Voraussicht 2-gleisig gebaut. Ab den 1960er Jahren selektiver 2-gleisiger Ausbau primär auf der Südrampe, der 2009 auf der Südrampe auch komplett abgeschlossen werden konnte. Auf der Nordrampe ist in den nächsten Jahren kein durchgehender 2-gleisiger Ausbau abzusehen, es bleibt vorerst beim selektiven Ausbau, der für den momentanen Betrieb auch völlig ausreichend ist.

ÖBB 1144 040 passiert am 9.9.2012 mit einem IC am Haken die denkmalgeschützte aber leider verfallende Haltestelle Böckstein Richtung Norden

Kunstbauten

Die Tauernbahn ist sehr reich an Kunstbauten in Form von Tunnels, Brücken und Viadukten. Der längste Tunnel ist der Tauerntunnel zwischen den Stationen Böckstein (Salzburg) und Mallnitz Obervellach (Kärtnen) mit einer ursprünglichen Länge von 8.551 m. Vor den Ausbaumaßnahmen gab es auf der Nordrampe 4 eingleisige Tunnel und auf der Südrampe 12 eingleisige Tunnels, somit zusammen mit dem 2-gleisigen Tauerntunnel insgesamt 17 Tunnel.

Die markanteste noch in situ vorhandene Brücke aus der Errichtungszeit ist die Angertalbrücke (auch Angerschluchtbrücke) auf der Nordrampe im Gasteinertal.

Das Wahrzeichen der neuen Tauernbahn – Euro City “Mimara” auf der Falkensteinbrücke mit Burg Falkenstein im Hintergrund am 26.8.2008, fotographiert von der alten Strecke aus

Streckenlänge, Neigung, Radius, Geschwindigkeit

Die ursprüngliche Baulänge betrug 80,9 km, die Kilometrierung beginnt in Schwarzach St. Veit. Die maximale Neigung beträgt 30 Promille, somit ein Charakteristikum für eine Gebirgsbahn. Die Strecken-Höchstgeschwindigkeit beträgt aktuell 120 km/h bei einem minimaler Radius von 247 m.

Die alte Strecke auf der Südrampe ist außer Funktion gefallen, schade dass hier kein Rad-/Spazierweg (Eisenbahnthemenweg) entstanden ist. Foto aus dem 67 m langen Falkensteintunnel unter der Burg Oberfalkenstein gegen den nördlich gelegenen 247 m langen Leutschacher Tunnel, der direkt zur Haltestelle Oberfalkenstein führt

Betriebsführung

Die Betriebsführung erfolgt durch die Staatsbahn ÖBB, vormals BBÖ sowie k.k. Staatsbahn


Autoverladung

Zwischen den Stationen Böckstein und Mallnitz Obervellach (vormals Mallnitz) besteht seit den 1920er Jahren eine Autoverladung auf speziellen Waggons (“Tauernschleuse”). Im Sommer ist das eine beliebte Alternativroute zur verstopften Tauernautobahn. Verkehr tagsüber im Stundentakt.

Tauernschleuse vor dem alten Nordportal nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof Böckstein wird gleich im Tauerntunnel verschwinden (11. Mai 2009)

Stationen

(km von Schwarzach St. Veit, Meereshöhe über dem Pegel von Triest)

Anm.: Durch Streckenverlegungen geringfügige Änderungen der km-Angaben

Schwarzach St. Veit, Bahnhof, km 0,0; 590 m (> Salzburg-Tiroler Bahn / Giselabahn nach Salzburg bzw. Wörgl)

Loifarn (früher auch Loibhorn, ehem. Bahnhof, seit 2006 kein Personenhalt mehr), km 5,4; 721 m

Klammstein, ehem. Haltestelle (aufgelassen seit 1. 6. 1991), km 9,0; 796 m

Dorfgastein, Bahnhof, km 14,3; 823 m

Bad Hofgastein, Bahnhof, km 19,3; 842 m

Bad Hofgastein Haltestelle, ehem. Haltestelle bis 2005, jetzt Wohnhaus, Gebäude unter Denkmalschutz; km 22,4; 911 m

DB Intercity-Garnitur vor der aufgelassenen Haltestelle Bad Hofgastein (30.6.2015)

Angertal, ehem. Haltestelle, seit 2006 kein Personenhalt mehr, km 25,4; 976 m

Badgastein (Bad Gastein), Bahnhof (Gebäude unter Denkmalschutz), km30,1; 1.083 m

Böckstein Haltestelle, ehem. Haltestelle bis 1973 (Gebäude unter Denkmalschutz), km 33,1; 1.154 m

Böckstein, Bahnhof, Nördlicher Bahnhof der Tauernschleuse (Autoverlad), kein Planhalt der Fernverkehrszüge mehr seit 2006, km 34,2; 1.173 m

Tauerntunnel, ehem. Haltestelle aufgelassen seit 2001, km 43,3; 1.220 m

Mallnitz-Obervellach (vormals Mallnitz), Bahnhof, Südlicher Bahnhof der Tauernschleuse (Autoverlad), km 45,9; 1.182 m

Kaponig, (vormals Obervellach) ehem. Bahnhof, heute Wohnhaus, aufgelassen seit der Neutrassierung 1999, km 51,8; 1.052 m (ehem. Seilbahn nach Obervellach)

Oberfalkenstein, ehem. Haltestelle (Personenhalt bis 2019), km 55,8; 963 m

Penk, ehem. Bahnhof (Personenhalt bis 2019, seither Betriebsbahnhof), km 58,4; 899 m

Kolbnitz, Bahnhof, km 64,9; 747 m  (> ehem. Reißeckbahnen)

Mühldorf-Möllbrücke, Haltestelle, vormals Bahnhof, km 69,4; 638 m

Pusarnitz, Bahnhof, km 72,9; 564 m

Spittal-Millstättersee, Bahnhof, km 80,9; 544 m (> Drautalbahn)

Quelle: Von Röll

Verkehr / Frequenz Personenverkehr

Der mit viel (finanziellem) Aufwand verbundene selektive 2-gleisige Ausbau wurde mit Kapazitätsproblemen begründet. Aktuell zeigt sich allerdings, daß man event. auch mit einer partiellen Sanierung der alten eingleisigen Bestandsstrecke das Auslangen gefunden hätte, denn die Zugdichte scheint eher gesunken zu sein. Bspw. gibt es seit dem Jugoslawienkrieg keine “Balkan Expresse” mehr. Dies berichten auch Eisenbahnfotographen, die oft eine halbe Stunde oder mehr warten müssen, bis sich ein Objekt zumindest aus einer Richtung nähert. Aber man soll natürlich Verständnis aufbringen für die Bauwirtschaft, die mit Steuermitteln regelmäßig bedient werden will.

Regionalverkehr gekillt

Die letzten größeren Baumaßnahmen auf der Nordrampe waren offenbar die geeignete Gelegenheit, nach dem dafür notwendigen Schienenersatzverkehr (SEV) mit Bussen alle Regionalzüge zu streichen und nun wird im Bundesland Salzburg mit Bussen gefahren. Das Land Kärnten leistet sich im Gegensatz zu Salzburg noch 2 tägliche Regionalverbindungen, eine frühmorgens und eine am späteren Nachmittag von Spittal-Millstättersee  nach Mallnitz-Obervellach. Seit Ende 2019 nur mehr mit Zwischenhalten in Pusarnitz, Mühldorf-Möllbrücke und Kolbnitz, nachdem es in Penk und Oberfalkenstein keine PV-Halte mehr gibt. Diese verkehren allerdings auch nur Mo-Fr bzw. Mo-Sa so nach dem Motto: “Zum Hackeln können die Leute fahren, am Wochenende sollen sie gefälligst daheim bleiben oder sich ein Auto kaufen”! Mit solchen “steinzeitlichen Planungsansätzen” wird das nie was werden in Österreich!

Nota bene: Seit einiger Zeit leistet sich das Land Salzburg auch einen REX, der abends kurz nach 21 Uhr noch nach Bad Gastein fährt und frühmorgens von Böckstein in die Landeshauptstadt. Richtig geraten: Nur Mo-Fr. Ergänzung 2020: Dieser REX verschwand wieder aus dem Fahrplan!

Will man bspw. als Tourist (Schiurlauber) mit dem Zug nach Sportgastein fahren, so muß man – da die IC/EC-Züge in Böckstein nicht halten und es keine Regionalzüge mehr gibt – mit dem IC/EC durch den Tauerntunnel nach Kärnten fahren, dort in die Tauernschleuse umsteigen und dann wieder retour nach Salzburg fahren. Nach dem Schitag abends dann nochmals das gleiche Prozedere. Ein Unding! Und verständlich, daß dann viele gleich mit dem Automobil anreisen und die Umwelt verstinken und die Strassen verstopfen. Und ergänzend sein vermerkt, dass die Tauernschleuse 5 Minuten vor Ankunft des Zuges aus Salzburg in Mallnitz-Obervellach abfährt und man dann 55 Minuten Wartezeit hat!

Das südliche Ende der Tauernbahn in Spittal an der Drau (Spittal/Millstättersee). Ein Talent bereit zur Abfahrt ins Osttirolerische Silian an der Drautalbahn

Der Personenverkehr erfolgt somit mit IC/EC-Verbindungen im 2-Stunden-Takt. Seit dem Fahrplanwechsel 2013/14 gibt es jedoch hier Verschlechterungen, auch was die angebotene Qualität betrifft. Der letzte Zug abends von Klagenfurt nach Salzburg wurde gestrichen, nein unsinniger noch, der Zug ist als “Geisterzug” unterwegs bei dem niemand mitfahren darf (Überstellung Leergarnitur), man spart sich somit ein paar Euro für den Zugbegleiter verärgert aber die Kunden. Qualitätsmäßig ging es auch bergab, die meisten IC-Züge wurden gekürzt und man hat in der 1. Klasse den Abteilwagen sowie die Businessabteile gestrichen. Speisewagen gibt es seit einigen Jahren auch nur mehr in den EC-Zügen von/nach Deutschland, die alternierend mit österreichischem bzw. deutschem Wagenmaterial (Wendezug) unterwegs sind.

Nota bene 2021: Zwischenzeitlich wird der Railjet auch seit einigen Jahren auf der Tauernstrecke eingesetzt, wegen Wagenmangel aber wird 1 RJ aktuell wieder als “Kurz-IC” geführt.

Seit Fahrplanwechsel 2020/21 verkehrt der vorhin angeführte Geisterzug wieder zumindest teilweise als reguläre Verbindung, allerdings sind die 1. Klasse und der Speisewagen abgesperrt.


Keine Verkürzung der Reisezeit, weiterer Ausbau wäre Geldvernichtung

Kurioserweise konnte durch die sündteuren Ausbaumaßnahmen zwar die Höchstgeschwindigkeit gesteigert werden, in der Reisezeit schlägt sich das allerdings nicht nennenswert nieder (bspw. halten jetzt die IC/EC-Züge zusätzlich in Dorfgastein, welches früher nur von den Regionalzügen bedient wurden). Unter den gegebenen Bedingungen ist es aktuell nicht notwendig, die Nordrampe kostenintensiv 2-gleisig auszubauen, vor allem eine Umgehung der beiden alten Klammtunnel mit einem Neubautunnel würde sehr teuer kommen und auch eine in der Vergangenheit von der örtlichen Politik angedachte Verlegung des Bahnhof Bad Gastein in den Berg hinein entbehrt jeder verkehrstechnischen Notwendigkeit. Um diese Millionen sollte besser ein moderner Nahverkehr (Gasteiner S-Bahn) eingeführt werden!

Einen sehr ausführlichen Eintrag über die Tauernbahn findet sich bei Victor Freiherr von Röll, den ich an dieser Stelle des Überblicks über die Tauernbahn ungekürzt wiedergeben möchte:

Tauernbahn
Tauernbahn, im eigentlichen Sinn die Verbindungslinie von der Station Schwarzach-St. Veit der Linie Salzburg-Innsbruck nach der Station Spittal a.d. Drau der Südbahn (Pustertallinie). Vom Standpunkt des Verkehrs wäre allerdings im weiteren Sinn die Strecke Salzburg-Bischofshofen-Villach als ein einheitliches Ganzes aufzufassen. Die T. durchschneidet das vor ihrer Herstellung eisenbahnlose Gebiet zwischen der Brennerbahn im Westen und der Linie Selzthal-Villach im Osten ungefähr in der Mitte seiner mehr als 200 km langen westöstlichen Ausdehnung; sie verbindet das Salzachtal mit dem Drautal und verkürzt die Verbindung zwischen Salzburg und Villach um etwa 185 km. Die T. ist nicht nur eine wichtige Verbindung der österreichischen Kronländer Salzburg und Kärnten, sondern sie hat auch eine große Bedeutung für den Weltverkehr, indem sie in Verbindung mit der Karawanken- und Wocheiner Bahn die lang ersehnte »zweite Eisenbahnverbindung mit Triest« und dem Orient herstellt (Abb. 273).

Die Notwendigkeit einer solchen zweiten Eisenbahnverbindung mit Triest neben der durch die Südbahn verwirklichten veranlaßte die österreichische Regierung und den Reichsrat schon 1868, sich mit dem Plan ihrer Erbauung zu beschäftigen. In den Jahren 1869, 1870, 1872 und 1875 wurden dem Reichsrat von der Regierung Entwürfe vorgelegt, die auf die Herstellung dieser Verbindung abzielten und in denen die Predillinie (von Tarvis unter dem Predil nach Görz) bevorzugt wurde. Aber keine dieser Vorlagen kam zur Beratung im Haus und die Sache geriet ganz ins Stocken, als sich im Jahre 1876 der Eisenbahnausschuß gegen die Predillinie aussprach. Erst anfangs der Achtzigerjahre kam neues Leben in die Frage und es trat nunmehr die Forderung immer bestimmter auf, daß die Verbindung Triests mit dem Hinterland von Kärnten durch die »Tauern« (östlicher Teil der Zentralalpen) nach Salzburg und Süddeutschland geführt werden müsse; da aber hierfür zahlreiche Möglichkeiten vorlagen, entbrannte ein lebhafter Streit der Beteiligten, ohne daß eine bestimmte Linie unangefochten in den Vordergrund getreten wäre. Dieser Kampf der Meinungen führte aber dazu, daß nunmehr von verschiedenen Seiten, darunter auch von der Staatsverwaltung selbst eingehende Studien über die Möglichkeiten sowie über die Vorteile und Nachteile jeder einzelnen Tauernbahnlinie und der sonst noch in Betracht kommenden Verbindungen mit Triest durchgeführt wurden. 1897 waren die Studien der Regierung so weit gediehen, daß sie einen Gesetzentwurf fertigstellen[272] konnte, der damals wohl nicht zur parlamentarischen Behandlung kam, 1900 aber, erweitert durch die Einfügung der Karawankenbahn, dem Reichsrat zuging. Da auch diese Vorlage infolge Schlusses der Tagung nicht zur Behandlung kam, wurde dem Reichsrat 1901 jene Vorlage unterbreitet, die am 6. Juni desselben Jahres Gesetzeskraft erlangte und den in den Jahren 1901–1909 erfolgten Bau der sog. »neuen Alpenbahnen« ermöglichte. Durch dieses Gesetz wurde die Regierung ermächtigt, auf den bestehenden Staatsbahnen Investitionen für den Betrag von 272 Mill. K vorzunehmen und für fast 200 Mill. K neue Eisenbahnen zu erbauen, darunter: 1. die T., abzweigend von der bestehenden Station Schwarzach-St. Veit der Staatsbahnlinie Bischofshofen-Wörgl über Badgastein und Mallnitz nach der Station Möllbrücken oder Spittal a.d. Drau der Pustertaler-Linie der Südbahn; 2. die Karawanken- und Wocheiner Bahn Klagenfurt-Rosenbachtal-Aßling-Podbrdo-Görz-Triest mit einem Flügel Villach-Rosenbachtal; beide zusammengenommen bilden die lang ersehnte zweite Eisenbahnverbindung mit Triest.

Im Laufe der jahrzehntelangen Studien waren fast 20 verschiedene Linien projektiert und im Gelände abgesteckt worden. Unter den zahlreichen Linien, die die mächtige Gebirgskette der Hohen Tauern in nordsüdlicher Richtung durchqueren sollten, wurde die Gasteiner Linie zur Ausführung gewählt; denn sie vereinigt die Vorzüge, daß sie die kürzeste und billigste Linie ist, den kürzesten Scheiteltunnel besitzt und zwischen Salzburg und Villach eine Wegkürzung von 185 km bei dem geringsten Aufwand von kilometrischen Baukosten bewirkt, während sie bezüglich der Baulänge, der erstiegenen Höhe beider Rampen und der Höhe des Scheitelpunktes den sonst möglichen günstigsten Verhältnissen wenigstens ganz nahe kommt.

Die T. (vgl. Längenschnitt Abb. 274) ist 80•9 km lang. Die Anfangsstation Schwarzach-St. Veit liegt in einer Seehöhe von 591 m, der höchste Punkt im Scheiteltunnel 1226 m, die Endstation Spittal-Millstättersee in der Seehöhe von 543 m; die überwundene Steigung beträgt also auf der Nordseite 635 m, auf der Südseite 683 m. Die T. ist als Hauptbahn ersten Ranges und eingleisig gebaut; nur die Strecke zwischen den Stationen Böckstein und Mallnitz mit dem Scheiteltunnel ist zweigleisig. Die größte Steigung von durchschnittlich 251/2‰ ist auf der Nordrampe auf 20.729 m = 51% der Länge, auf der Südrampe auf 23.977 m = 59% der Länge und insgesamt auf 44.713 m = 55% der Gesamtlänge, der kleinste Bogenhalbmesser von 250 m auf 12.752 m = 16% der Gesamtlänge zur Anwendung gebracht.

Die T. enthält außer den beiden Anschlußstationen 10 Stationen von zusammen 5563 m Länge, 3 Haltestellen von zusammen 380 m und 2 Betriebsausweichen von zusammen 1009 m Länge; die letzteren dienen auch für den Personen- und beschränkten Güterverkehr.

1044 063 am Tauerntunnel Nordportal (11. Mai 2009)

Der Charakter der Linie ist durch die eigenartige Gestaltung des Gasteinertals einerseits und des Mallnitz- und Mölltals anderseits sowie durch die Bestimmung, daß die T. als Hauptbahn ersten Ranges herzustellen war, festgelegt. Geht man auf der Nordseite von Lend aus dem Lauf der Gasteiner Ache entgegen, so hat man zunächst eine untere, mehr als 200 m hohe Talstufe zu überwinden, die von der Ache in eng gewundener Klamm durchbraust wird, worauf man zu dem sanft geneigten Talboden zwischen der Klamm und dem Ort Badgastein gelangt. Dieser Badeort schmiegt sich der zweiten, fast 250 m hohen Talstufe an, in der die Ache die weltberühmten Gasteiner Wasserfälle bildet. Dann erreicht man den oberen Talboden, der sich bis Böckstein am Zusammenfluß des Anlauf- und Naßfelderbaches in mäßiger Neigung[273] hinzieht. Daselbst wendet sich die Bahn ins steilere Anlauftal, um über die Station Böckstein nach etwa 11/2 km Entfernung von der Talgabelung den Nordeingang des Tauerntunnels zu erreichen. Auf der Nordseite entfallen also etwa 10 km Länge zur Überwindung der untersten Talstufe von 255 m Höhe, etwa 10 km auf den darauffolgenden flachen Talboden mit einer Höhe von 33 m, etwa 10 km zur Überwindung der zweiten oberen Talstufe bei Gastein mit 242 m und endlich etwas über 3 km zur Überwindung der letzten Höhe bis Station Böckstein mit 86 m; es sind also nordseits rd. 23 km Bahnlänge als Gebirgsbahn schwierigsten Charakters und ein etwa 10 km langes Zwischenstück als Talbahn mit mäßigen Schwierigkeiten anzusprechen.

Hinter Böckstein folgt unmittelbar der Nordeingang des Tauerntunnels (s.d.), dessen höchster Punkt 1225•884 m hoch gelegen ist, von dem aus sich die Bahn bis zu der 3 km nach dem südlichen Mundloch gelegenen Station Mallnitz auf 1180 m Seehöhe senkt. Der Mallnitzbach nimmt etwa noch 1 km nach der Station Mallnitz einen flachen Verlauf und bricht sodann mit 2 unmittelbar aufeinanderfolgenden, von zahlreichen Wasserfällen durchsetzten Steilstufen von über 400 m Höhe zum Mölltal nieder, das wieder einen verhältnismäßig flachen, nur von wenigen und kurzen, steileren Gefällen unterbrochenen Verlauf bis zur Einmündung in die Drau nimmt. Zum Abstieg über diese von der Mallnitz gebildete Steilstufe und den weiteren Lauf der flößbaren Möll benutzt die Bahn die östliche und nördliche Lehne des Mallnitz- und Mölltals. Diese Lehnenstrecke gehört zu den großartigsten und schwierigsten Baustrecken dieser Art, die je hergestellt wurden. Bei Station Pusarnitz erreicht die Bahn das bereits im Drautal gelegene Lurnfeld und im weiteren Verlauf ohne Schwierigkeiten die Anschlußstation Spittal a.d. Drau.

Die T. enthält eine große Anzahl von z.T. sehr bedeutenden Kunstbauten, wie aus folgender Zusammenstellung ersichtlich ist:

Unter den Eisenbahnbrücken ist besonders erwähnenswert: die wildromantisch zwischen Flußwänden der Klamm eingespannte, gewölbte Klammbrücke km 8•2 von 22 m lichter Weite zwischen den beiden Klammtunneln; die Angertalbrücke, km 25•1, ein eiserner Zweigelenksbogen von 110•2 m lichter Weite, in 80 m Höhe das Tal überspannend (siehe Bogenbrücken, Bd. II, Abb. 223); der Dössenviadukt in km 47•7 mit einer gewölbten Öffnung von 32 m lichter Weite 35 m hoch; der Zwenbergviadukt mit 3 eisernen Öffnungen von zusammen 125 m, 60 m über dem Tal; der Rickenbachviadukt in km 62•8 mit einer eisernen Öffnung von 81 m lichter Weite, 50 m hoch über dem Tal. Außerdem mußten selbstverständlich, dem Charakter einer schwierigen Gebirgsbahn angemessen, zahlreiche Stütz- und Futtermauern, Lehnenschutzbauten, Uferversicherungen u. dgl. m. zur Ausführung gebracht werden.

Der zwischen km 34•636 und km 43•187 gelegene zweigleisige Tauerntunnel ist 8550•6 m lang (s. Tauerntunnel).

“Durchschlagsplakette” Tauerntunnel. Zu sehen im Tauernbahnmuseum Schwarzach St. Veit

Der Bau der T. wurde mit der Auffahrung des Sohlstollens auf der Nordseite des Tauerntunnels im Juli und der des Sohlstollens auf der Südseite im Oktober 1901 begonnen; der Bau der Nordrampe selbst von Schwarzach-St. Veit bis Badgastein wurde im Jahre 1902 der Unionbaugesellschaft in Wien zugeschlagen und der Betrieb auf dieser Strecke am 20. September 1905 eröffnet. Die Ausführung des restlichen Teiles der Nordrampe sowie des ganzen Tauerntunnels und der Südrampe bis[274] zum unteren Kapponigtunnel, km 52•5, wurde von der Bauunternehmung Brüder Redlich & Berger, Wien, am 2. Dezember 1905 und der restliche Teil der Südrampe bis zur Station Spittal a.d. Drau von der Bauunternehmung Doderer, Wien, im Sommer 1906 zur Ausführung übernommen. Die Betriebseröffnung der Strecke Badgastein bis Spittal a.d. Drau erfolgte am 5. Juli 1909 in Anwesenheit des Kaisers Franz Joseph I.

Während des Baues haben sich zahlreiche und bedeutende Schwierigkeiten ergeben. Im September 1903 wurde durch ein außergewöhnliches Hochwasser der Gasteiner Ache der Bau lange gestört und es wurden arge Verwüstungen angerichtet. Die Beschaffung der Baustoffe für die hoch über der Talsohle liegenden Lehnenstrecken der Nord- und besonders aber der Südrampe war mit bedeutenden Kosten verbunden und erforderte die Anwendung maschineller Einrichtungen, wie Seilbahnen und Aufzüge, sowie die Herstellung zahlreicher Lokomotivdienstbahnen von vielen Kilometern Länge; die Arbeiten obertags hatten vielfach unter der Ungunst der winterlichen Verhältnisse im Hochgebirge zu leiden und noch im letzten Baujahr verursachten heftige Lawinenstürze schwere Unglücksfälle, so bei Böckstein, woselbst kurz vor der Fertigstellung der Verlegung des Anlaufbaches durch eine schwere Grundlawine 26 Arbeiter ihr Leben einbüßten.

Von den zahlreichen Wildbächen im Bereich der T. hat sich nach der Betriebseröffnung nur der früher erwähnte Höhkaarbach infolge seiner Lage über dem nördlichen Ende des Tauerntunnels bemerkbar gemacht und eine sehr teuere Verlegung und Versicherung des Baches verursacht.

Unangenehmer waren zahlreiche Lawinengänge und Schneeabrutschungen: Am Thomaseck und am Hochstuhl zwischen Gastein und Böckstein sowie über dem Südportal des Tauerntunnels und an den Hängen des Auernigg nächst der Station Mallnitz mußten zahlreiche und ausgedehnte Lawinenschutzbauten in Höhen von 1200 bis 1900 m ausgeführt werden, die einen Kostenaufwand von über 300.000 K erforderten. Zur Sicherung des Südeingangs des Tauerntunnels gegen Lawinengefahr ist eine Verlängerung der Tunnelröhre um 80 m geplant.

Der Schienenwanderung in den stark geneigten Strecken der beiden Rampen wurde während des Betriebs durch Einbau von Stützklemmen und Stemmwinkeln entgegengearbeitet.

Sehr unangenehm machte sich im Dössentunnel auf der Südrampe der T. die Rauchplage geltend; es wurde daher beim nördlichen Eingang dieses eingleisigen Tunnels eine elektrisch betriebene Lüftungsanlage System Saccardo errichtet.

In der ursprünglichen Gesetzesvorlage vom Jahre 1901 war für den Bau der T. ein Betrag von 60 Mill. K vorgesehen. Für die Durchführung des Baues selbst wurde im Gesetz vom 6. Juni 1901 ein Betrag von 191/2 Mill. K und im Gesetz vom 24. Juli 1905 ein weiterer Betrag von 551/2 Mill. K bewilligt. Wegen der vielen Bauschwierigkeiten sowie mit Rücksicht auf die zur Zeit der Baudurchführung gegenüber den ursprünglichen, weit zurückliegenden Kostenberechnungen stark geänderten Preisverhältnisse haben sich namhafte Überschreitungen ergeben, die die tatsächlichen Baukosten auf einen Betrag von 90•5 Mill. K hinaufbrachten. Über die Kosten des Tauerntunnels selbst s.d.

Der Personenverkehr auf der T. gestaltete sich sehr lebhaft.

Der örtliche Güterverkehr auf der T. kommt nahezu gar nicht in Betracht, da er sich nur auf etwas Holz und Vieh, wenig Baumaterialien und Approvisionierungsartikel beschränkt. Der Hauptanteil des Durchzugsverkehrs entfällt auf die Richtung Böhmen-Triest mit Zucker, Maschinen, Kohle, Glas und Bier, Baumwolle, Südfrüchte, Gemüse, Schwefel, Tabak und Wein.

Der Auslandverkehr geht hauptsächlich in der Richtung nach Süddeutschland und umfaßt ähnliche Artikel wie der böhmische Verkehr. Die Verkehrsbewegung umfaßte 1912 in beiden Richtungen etwa 560.000 t für den böhmischen Verkehr und 110.000 t für den Auslandverkehr. Gegenüber einer Betriebslänge von 81 km weist die T. eine Tariflänge von 105 km auf (s. Längenprofil Abb. 274).

Quelle: Röll, Victor Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 9. Berlin, Wien 1921, S. 271-275.

Tauernschleuse erblickt nach 8.371 m Tunnelfahrt am Tauerntunnel Südportal wieder das Tageslicht (12.8.2008)

Links, Literatur

DEEF Doku Tauernbahn Teil 1 (Überblick) >>> diese Webseite

DEEF Doku Tauernbahn Teil 2 (Nordrampe) >>>

DEEF Doku Tauernbahn Teil 3 (Südrampe) >>>

DEEF Bericht Tauernbahnmuseum Schwarzach St. Veit >>>

DEEF Doku Giselabahn >>>

DEEF Doku Drautalbahn >>>

DEEF Doku Reißeckbahnen >>>

Infrastruktur-Betreiber ÖBB >>>

DEEF Blog: Angertalbrücke und Denkmalschutz >>>

Peter Wegenstein (Hrsg.): Die Tauernbahn. Bahn im Bild, Band 21, Verlag Pospischil Wien.

Die Tauernbahn auf DVD: Führerstandsmitfahrt in 2 Teilen (alte und neue Strecke), SH Production:

Alte Strecke: Fahrt am 16.9.1991 mit EC 10 Mimara auf Führerstand 1043,003. Südrampe mit unterem und oberem Kaponigtunnel, Dösentunnel. Nordrampe mit altem Kenlachtunnel. Mit erläuternden Kommentaren, sehr gut. Gute Kameraführung, man sieht auch etwas bei der Durchfahrt in den Tunnels.

Neue Strecke: Fahrt am 18. 3. 2005 mit EC 112 auf Führerstand 1016-009. Interessant zu sehen die Bauarbeiten zwischen Mühldorf-Möllbrücke und Kolbnitz. Leider in Summe schlechter gemacht als Teil 1, keinerlei Kommentare, auch keine Einblendungen. Schlechte Kameraführung, man sieht überhaupt nichts bei den Tunneldurchfahrten. (Kameramann hätte aufblenden müssen, anstatt unqualifizierte Kommentare loszulassen – im Kaponigtunnel: “Der ist länger als der Tauerntunnel oder?”).


Weiter zum Teil 2: Die Tauernbahn Nord-Rampe >>>

Alle Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum

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redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org


Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF

Erstmals Online publiziert: 14. Mai 2010; Seiten-Relaunch 4.10.2021; Letzte Ergänzung: 15.3.2023