Komposition der Achenseebahn bei guter Jause im Achenseebahnstüberl. Foto Archiv DEEF / Dr. Michael Populorum
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Neuer ÖBB Cityjet KISS von Stadler auf Bewährungsprobe im Klimakanal
Neuer Stadler KISS ÖBB Cityjet Doppelstock neu mit “frostigem Bart” im Klimakanal (Foto Dr. Michael Populorum / Archiv DEEF)
Vorbemerkungen
Es ist noch gar nicht so lange her, nach Einführung neuer Schienenfahrzeuge die Fahrgäste als Versuchskaninchen herangezogen wurden. Hatte man Glück und die Qualität der Fahrzeuge war soweit in Ordnung lief das ohne weitere Komplikationen ab, Kleinigkeiten an Mängeln konnten ohne größere Beeinflussungen des Alltagsbetriebs nachjustiert werden. Kam es jedoch im Alltagsbetrieb zu gröberen Problemen – Pleiten, Pech und Pannen also – so kamen die zahlenden Fahrgäste zum Handkuss und die Zufriedenheit der Fahrgäste mit den Verkehrsunternehmen sank rapide ab.
Damit unangenehme Überraschungen im Alltagsbetrieb ausbleiben, setzt man seit Jahren schon auf eine möglichst praxisnahe Überprüfung der Fahrzeuge schon vor dem Einsatz im Planverkehr. Die Fahrzeuge werden dabei extremen Belastungen ausgesetzt, starker Wind, wolkenbruchartiger Regen, Schnee und Eis sowie extreme Temperaturen werden simuliert und die Auswirkungen auf das Fahrzeug gemessen und dokumentiert.
Solche Prüfkammern werden Thermowindkanal bzw. Klimawindkanal genannt, der weltweit größte befindet sich in Österreich in Wien Floridsdorf und wird von der Firma RTA Rail Tec Arsenal betrieben.
Auch die neuen von den ÖBB bei Stadler Rail bestellten City Jet Dostos werden natürlich auf Herz und Nieren geprüft. In diesem Zusammenhang konnte am 10.2.2025 das Testcenter der RTA sowie der neue City Jet Dosto besichtigt werden.
Stefan Weiss und Viktor Vogler (Co-Geschäftsführer SCHIG)Heinz Freunschlag (Vorstand ÖBB-Personenverkehr), Peter Hanke (Stadtrat Wirtschaft und Tourismus Stadt Wien)Christian Diewald (Geschäftsführer Stadler Rail Austria)
Der RTA Klima-Wind-Kanal Wien
Das Firmengebäude mit den Testhallen der Firma RTA steht auf historischem Eisenbahngrund, waren doch hier die berühmten Pauker Werke (später Simmering Graz Pauker) angesiedelt. Leider hat man die historisch bedeutenden Hallen vor wenigen Jahren dem Erdboden gleichgemacht, ein Beispiel mehr, wie man in Österreich hinsichtlich Denkmalschutz von Industriearchitektur umgeht. Umso erfreulicher, dass sich just an dieser Stelle wieder eine eisenbahnaffines Unternehmen angesiedelt hat.
Die Testanalage der RTA an der Paukerwerkstraße 3 in Floridsdorf
Klimatests an Fahrzeugen und insbesondere an Schienenfahrzeugen haben in Österreich aber schon eine lange Tradition, war doch Wien seit den 1960er Jahren Standort für einen Klimakanal für Schienenfahrzeuge. Am 21. Juni 1961 wurde am Gelände des Arsenals eine sogenannte „wärme- und kältetechnische Versuchsanlage für Eisenbahnfahrzeuge“ eröffnet, die aus 2 Kammern bestand, nämlich einer Standversuchskammer und einer Fahrversuchskammer. Die Leistungen der Kammern wurden sukzessive erhöht und erreichten im Endausbau folgende Leistungen:
Temperatursimulation von -50 Grad bis +50 Grad
Windgebläse zur Simulierung der Fahrtgeschwindigkeit bis 250 km/h
Ziel der Versuche war es vor allem, in der Fahrversuchskammer den Wärmehaushalt von Reisezugwagen, Spezialgüter- und Kältewagen zu untersuchen sowie in der Standversuchskammer wurden vor allem Funktionsprüfungen der wesentlichen Systemteile am Eisenbahnwagen sowie Vorheizversuche durchgeführt.
Nah- und Fernverkehrsfahrzeuge aus dem In- und Ausland wurden so vor deren Auslieferung in Wien Klimatests unterzogen, darunter auch moderne Hochgeschwindigkeitszüge wie der ICE oder der TGV.
Am 1.1.2003 ging der neue Klima-Wind-Kanal in Wien Floridsdorf in Betrieb und ohne Unterbrechung konnten die Mitarbeiter und damit wichtiges Know How vom Arsenal nach Floridsdorf übersiedeln. Der neue Klima-Windkanal wurde im Rahmen eines PPP-Models errichtet und kostete 65 Millionen Euro. Die Finanzierung stellte der öffentliche Teil (public in Form der in Bundesbesitz befindlichen Schieneninfrastrukturfinanzierungs-Gesellschaft m.b.H. (SCHIG) bzw. deren Tochtergesellschaft Rail Test & Research GmbH (RTR) sicher, Betreiber der Anlage ist die Rail Tec Arsenal GmbH. Eigentümer sind neben der Österreichischen Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal GmbH (heute AIT Austrian Institute of Technology) einige bedeutende europäische Hersteller von Schienenfahrzeugen wie Alstom, Siemens und Hitachi.
Posieren der Eröffnungsgäste vor dem gefrosteten Cityjet Doppelstock neu in der großen Klimakammer
Leistungen der aktuellen Anlage
Großer Wind-Klima-Kanal:
Teststreckenlänge 100 m
Maximaler Temperaturbereich -45°C bis +60°C
Maximale Windgeschwindigkeit 300 km/h
Relative Luftfeuchte bei > 10°C 10 bis 98%
Das Testfahrzeug 4736 604-1 in der großen Klimakammer, rechts die Scheinwerfer simulieren die Sonnenbestrahlung
Kleiner Wind-Klima-Kanal:
Teststreckenlänge 33,8 m
Maximaler Temperaturbereich -45°C bis +60°C
Maximale Windgeschwindigkeit 120 km/h
Relative Luftfeuchte bei > 10°C 10 bis 98%
Im kleinen Klimakanal wurde gleichzeitig ein von OÖ und Salzburg bestelltes Tram Train Fahrzeug von Stadler getestet
In beiden Kammern können Sonnen, sowie Regen- und Eissimulationen stattfinden. In der großen Kammer hat es auch einen Rollenprüfstand sowie eine Abgasanlage.
Der neue City Jet Dosto der ÖBB von Stadler Rail
Aufgrund des schon seit Jahren akuten Wagenmangels haben die ÖBB spät aber doch zahlreiche Bestellungen für den Nah- und Fernverkehr getätigt, so auch beim Schweizer Hersteller Stadler Rail AG mit Hauptsitz im Schweizerischen Bussnang (Kanton Thurgau). Aufgrund zahlreicher Aufträge aus Österreich unterhält Stadler seit 2022 einen eigenen Standort in Wien.
Insgesamt 109 City Jet Dostos wurden bei Stadler um eine Summe von 1,5 Milliarden Euro bestellt. Sie sollen ab 2026 auf dem Gebiet des VOR unterwegs sein. Die ÖBB Bezeichnung für diese Fahrzeuge lautet “Cityjet Doppelstock neu”, die alten Cityjet Dostos sind ja die renovierten Wiesel-Dostos.
Testfahrzeug 4736 604-1
Einige Kennzahlen zum Cityjet Dosto neu:
Maximalgeschwindigkeit: 160 km/h Zuglänge: 160 m (sechsteilige Garnitur) bzw. 105 m (vierteilige Garnitur) Sitzplatzkapazität: rund 610 (sechsteilige Garnitur) bzw. rund 380 (vierteilige Garnitur) Stehplatzkapazität: rund 790 (sechsteilige Garnitur) bzw. rund 520 (vierteilige Garnitur) Maximale Kapazität: rund 1400 (sechsteilige Garnitur) bzw. rund 900 (vierteilige Garnitur) Fahrradstellplätze: bis zu 66 (sechsteilige Garnitur) bzw. bis zu 42 (vierteilige Garnitur) Einstiegtüren pro Seite: 12 (sechsteilige Garnitur) bzw. 8 (vierteilige Garnitur) 4 WCs (sechsteilige Garnitur) bzw. 2 WCs (vierteilige Garnitur), jeweils eines davon barrierefrei und mit Wickeltisch ausgestattet 2 Rollstuhlplätze im Mittelwagen mit elektrisch höhenverstellbaren Seitenwandtischen
Auch einige Stadler-Dostos für den Fernverkehr (Westbahnstrecke) sollen durch die ÖBB angeschafft werden. Die Einführung dieser Doppelstockzüge Typ Stadler KISS ist Teil eines großen Investitionsprogramms der ÖBB, welches 6,1 Milliarden Euro für die Anschaffung von insgesamt rund 330 neuen Zügen bis 2030 vorsieht.
Noch einige Fotos
Eingang in den großen Klima-Wind-KanalMinus 9 Grad (ohne Windchill). Mit Einberechnung des Windes waren das Minus 13 GradGefrosteter DostoAlles mit Eis überzogenDas Windgebläse, bis 300 km/h möglichSonnen-Strahler von vorneInnenraum des Dosto mit verkabelten SensorenLuftbefeuchter am BodenRund um die Klimakammern gibt es zahlreiche KontrollräumeStadler Frost Dosto
Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum
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