Mendelbahn

Die Mendelbahn – Von Kaltern mit der Standseilbahn durch die Weinberge auf den Mendelpass

Mendelbahn Funicolare della Mendola Standseilbahn Kaltern Mendel Südtirol
Kreuzung in der Mitte der Strecke; Blick zurück mit „Grossem Viadukt“. Foto 13. August 2011 Archiv Dr. Michael Populorum)

Prolog

Als ca. 10-jähriger war der Autor dieser Zeilen zum ersten Mal auf dem Mendelpaß – damals mit Großmutter Gusti, Mutter Ingrid und Tante Rosi aus Selker (Mühlviertel), allerdings nicht auf Schienen, sondern auf der abenteuerlichen, serpentinenreichen Mendelpaßstraße, auf die uns Busunternehmer Christoforetti höchstpersönlich in schwungvoller Fahrt beförderte. Dabei ist die Straße, so spektakulär sie auch erscheinen mag, erstens deutlich jünger als die Bahn und verblasst auch im Vergleich der technischen Daten und der Leistung, die damals bei der Errichtung zu erbringen waren, deutlich hinter der Bahn.

Mendelbahn Funicolare della Mendola Standseilbahn Kaltern Mendel Südtirol
Schriftzug an der Talstation der Mendelbahn

Was für die Bozner die Rittnerbahn ist für die Überetscher die Mendelbahn – in wenigen Minuten – 12, um genau zu sein – geht es hinauf auf den Mendelpaß, die Hitze und die Sorgen des Alltags kann man schnell und einfach hinter sich lassen. Den Reisenden war bis 1934 auch noch das Vergnügen gegönnt, nach der Auffahrt auf die Mendel in den Zug nach Dermulo (Nonstal) umzusteigen und von dort nach Trient zu reisen. Ein klassischer „Giro“, eine Rundreise war also möglich.

Mendelbahn Funicolare della Mendola Standseilbahn Kaltern Mendel Südtirol
Historisches Werbeplakat

Ursprünglich bestand die Mendelbahn aus 2 Teilstrecken, nämlich einer Adhäsionsbahn als Verbindungsbahn vom Bahnhof Kaltern (Endstation Überetscher Bahn) nach St. Anton und der heute noch bestehenden Standseilbahn auf den Mendelpass. Die Adhäsionsbahn wurde gemeinsam mit der Überetscher Bahn 1963 stillgelegt, der Personentransport wird durch Busse der SAD abgewickelt. Das Trassé der Überetscherbahn wird großteils als Radweg genutzt und erfreut sich bei Radfreunden (Einheimischen wie Touristen) großer Beliebtheit. Aktuell (2011) wird ernsthaft zumindest eine partielle Wiedererrichtung der Überetscher Bahn diskutiert.

Die Mendelbahn war übrigens die 1. elektrisch betriebene Standseilbahn Österreichs und galt dazu noch als die steilste Standseilbahn auf dem europäischen Festland und als die längste Seilbahn überhaupt weltweit.

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100 Jahre Mendelbahn 1903-2003

War die Mendelbahn noch in den 1980er Jahren einstellungsgefährdet, so präsentiert sich die Bahn heute als touristisches Highlight Südtirols, dessen Besuch sich immer wieder lohnt.

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Historische Wagen in der Ausweiche

Anreise

Mit dem Bus der SAD von Bozen bis Kaltern (halbstündlich), dann Umstieg in Citybus bzw. auch durchgehende Kurse von Bozen zur Talstation in Kaltern St. Anton (stündlich). Tip: Die „Mobilcard“ eignet sich optimal. Erhältlich für 3 oder 7 Tage (mit oder ohne Museen oder Fahrrad), gültig auf allen Eisenbahnstrecken und Buslinien Südtirols sowie einiger Bergbahnen (u.a. Rittnerbahn, Mendel). Kostet für 3 Tage (2011) 18.- Euro pro Person.

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Sehr gute Busverbindungen in Südtirol durch die SAD in Ergänzung der häufig verkehrenden Zugverbindungen – Busbahnhof Bozen
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Die Busse verkehren als Ersatz für die 1963 eingestellte Zugverbindung vom Bahnhof Kaltern der Überetscherbahn direkt zur Talstation der Mendelbahn in Kaltern St. Anton (510 m über Adria)
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Kleinbus des SAD vor dem Gebäude der Talstation

Ein paar Fakten zur Mendelbahn (Funicolare della Mendola)

Beginn der Bauarbeiten: 4. August 1902 durch die Bozner Firma Guschelbauer, täglich von 6 Uhr früh bis 6 Uhr abends waren mehrere Hundertschaften Arbeiter im Einsatz

Eröffnet: 19. Oktober 1903

Zweck: Ursprünglich militärische Nutzung (Angrenzendes Nonstal Grenze zu Italien) sowie touristische Nutzung (Sommerfrische). Heute primär Tagestourismus, der mondäne Tourismus der Belle Epoque auf der Mendel ist ja seit 1919 (Annektierung Südtirols durch Italien) Geschichte

Eigentümer/Errichter/Betreiber: Ursprünglicher Eigentümer AG Überetschbahn, Betreiber k.k. priv. Südbahngesellschaft. Seit 1982 erfolgt die Betriebsführung der Mendelbahn durch das südtiroler Nahverkehrsunternehmen SAD Nahverkehr AG (betreibt auch die Vinschgaubahn, Rittnerbahn, Pustertalbahn sowie das Autobusnetz in Südtirol).

Errichtungskosten: 900.000 Kronen

Fahrgäste: Bereits im 1. Betriebsjahr 55.000 Fahrgäste, Rückgang nach 1. Weltkrieg (Annektierung durch Italien, Wirtschaftskrise, Konkurrenz Automobil / Bau der Strasse auf den Mendelpaß)

Schienen, Fahrzeuge, seilbahntechnische Ausrüstung: Von Roll´sche Eisenwerke Bern

Typus/Traktion: Standseilbahn, elektrisch, Stromversorgung durch das Novellawerk im Nonstal

Spurweite: Meterspur 1000 mm, eingleisig, in der Mitte der Strecke 116 m lange automatische Ausweiche

Streckenlänge: 2,370 km, 5 Kurven

Höhe der Talstation in Kaltern St. Anton: 510 m

Höhe der Bergstation (mit Restaurant) am Mendelpass: 1.364 m

Höhendifferenz: 854 m

Max. Neigung: 64 Prozent

Seit 2009 Zwischenstation für die Wanderer des Kalterer Höhenweges

Fahrzeuge: Ursprünglich Holzaufbau der beiden Wagen, Kapazität 52 Personen je Wagen; 1965 Umbau der Wagen, die neue Metallkonstruktion gewährt Platz für je 70 Personen. Im Zuge der Generalsanierung 1984-1988 (die Strecke war wegen gravierender Sicherheitsmängel 1983 gesperrt worden) neue Wagen für je 75 Personen. Ab 2009 Wagen der 4. Generation im Einsatz

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Wagen Nummer 1 kurz vor der Talstation (26.9.2014)
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Steuerpult im Wagen

Die Fahrzeit: Ursprünglich 32 Minuten, entspricht 1,2 m pro Sekunde. Seit der Generalsanierung 1984-1988 Fahrzeit nur mehr 12 Minuten (4 m/sek.)

Novität 1903: Elektrische Signal- und mobile Telefonanlage

Anschlüsse/Übergänge: Die Talstation der Mendelbahn in Kaltern St. Anton war ursprünglich durch eine Adhäsionsbahn mit der Endstation der Überetscher Bahn (Bozen-Eppan-Kaltern) verbunden. Dieser Streckenabschnitt wurde 1963 gemeinsam mit der Überetscher Bahn stillgelegt. An der Bergstation bestand bis 1934 Anschluß an die Lokalbahn Dermulo – Mendel, auch Nonsbergbahn genannt. Dem „Genussreisenden von damals“ war es also vergönnt, einen Giro, eine Rundreise Trient-Bozen > Überetscherbahn nach Kaltern > Mendelbahn Adhäsion nach St. Anton > Mendelbahn auf den Mendelpass > Lokalbahn Dermulo-Mendel nach Dermulo und von dort mit der Nonstalbahn (heute Lokalbahn Trient – Male) nach Trient zu fahren. Davon kann der Reisende von heute leider nur mehr träumen oder den Bus nehmen…

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Haltestelle am Mendelpass der Ferrovia Trento-Malé. Hier kann man in den Bus einsteigen runter ins Nonstal
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Bus vom Mendelpass runter ins Nonstal nach Cles
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Wagen Nummer 2 (4. Generation seit 2009) erreicht die Talstation in Kaltern St. Anton auf 510 m ü.d.A. am 13.8.2011
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Blick vom bergwärts fahrenden Wagen zurück auf die Talstation mit gelben Kran im Vordergrund
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Eine „Klappbrücke“ über die Trasse kurz nach Verlassen der Talstation
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Geschwungener Viadukt
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Gleich ist die Bergstation erreicht
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Die Bergstation auf 1.364 m Höhe mit Restauration.
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Tiefblick aus dem Wagen in der Bergstation am Mendelpass
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Hinter dem Gebäude entdeckt man diese original erhaltene Holzveranda. Von der Bergstation ging es bis 1934 weiter mit der Lokalbahn Dermulo-Mendel ins Nonstal
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Haus der Bergstation mit Restaurant und Hotel
Mendelbahn Funicolare della Mendola Standseilbahn Kaltern Mendel Südtirol
Manche Relikte aus der guten alten Zeit sind nach wie vor in Nutzung
Mendelbahn Funicolare della Mendola Standseilbahn Kaltern Mendel Südtirol
Manche Relikte aus der guten alten Zeit sind nach wie vor in Nutzung
Mendelbahn Funicolare della Mendola Standseilbahn Kaltern Mendel Südtirol
Herrlicher Tiefblick und Weitblick

Besondere Kunstbauten

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Die Monarchie lässt grüßen. Schild an einer alten Eisenbrücke, errichtet von Gridl aus Wien

Großer Viadukt: 110 m lang, 16 m hoch, 7 gewölbte Öffnungen, insgesamt 6000 Kubikmeter Stein/Mauerwerk verbaut

Kleiner Viadukt: 50 m lang, 2 gewölbte Öffnungen, 200 Kubikmeter Beton

Tunnel 1: 69 m Länge

Tunnel 2: 70 m Länge

2 Zugbrücken im Anfangsbereich nahe der Talstation

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das talseitige Portal des unteren Tunnels mit der Inschrift über dem Portal „Mendelbahn erbaut 1902-1903 von der Actien-Gesellschaft der Ueberetscherbahn nach dem Projekte des Ingenieur Emil Strub Bauunternehmung Anton Guschelbauer“
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Der obere Tunnel, talseitiges Portal
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im oberen Tunnel
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im unteren Tunnel, im Hintergrund das große Viadukt
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Tunnelportal bergseitig

Adhäsionsstrecke Kaltern Bahnhof – Kaltern St. Anton

Länge 2,2 km, Höhendifferenz 105 Meter, Stärkste Neigung 62 Promille. Ist als Teil der Überetscher Bahn (eröffnet 1898) zu sehen., welche eben 1903 zur Talstation der Mendeldrahtseilbahn (Standseilbahn) verlängert wurde. Die Strecke ist ebenso normalspurig wie die Überetscherbahn und war von Beginn an (noch vor dem Rest der Überetscher Bahn) elektrifiziert (ursprünglich 1.100 Volt Gleichstrom). Die Streckenführung ist heute noch gut erkennbar und wird vom Straßenverkehr genutzt.

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In der Talstation in St. Anton gibt es ein Cafe und Infotafeln mit Foto zur Historie der Mendelbahn
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Historische Aufnahme der Verbindungsbahn Bahnhof Kaltern – Kaltern St. Anton Talstation Mendel Drahtseilbahn
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Historische Aufnahme der Verbindungsbahn Bahnhof Kaltern – Kaltern St. Anton Talstation Mendel Drahtseilbahn
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In der ehemaligen Remise (jetzt Busdepot) liegen noch die Schienen der Überetscherbahn
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Das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude in Kaltern ist sehr gut erhalten und auch renoviert, allerdings durch die Lüftung einer Tiefgarage? direkt vor dem ehem. Hausbahnsteig in seiner Ensamblewirkung völlig verunstaltet. Welche Kulturbanausen lassen so etwas zu? Im Objekt u.a. ein Jugendclub mit Bar
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Zugkreuzung am 18. April 2015

Links

Betreiber SAD >>>

DEEF-Doku Überetscher Bahn – Eisenbahnarchäologische Wanderung Bozen-Kaltern >>>

Mendelbahn Funicolare della Mendola Standseilbahn Kaltern Mendel Südtirol
Der reizvolle Marktplatz von Kaltern

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Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum.

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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF

Erstmals Online publiziert: 16. Oktober 2011; Seiten-Relaunch 25.11.2025; Letzte Ergänzung / page last modified 27.11.2025