Rail Baltica – eine moderne Schienenverbindung von Polen über Litauen und Lettland ins Estnische Tallinn (einst Reval)
Prolog
Wie vielerorts in Europa versucht die Europäische Union, einen der Grundpfeiler ihrer Doktrin, den gemeinsamen Wirtschafts- und Verkehrsraum, durch die Errichtung von neuen direkten Hochleistungs- bzw. Hochgeschwindigkeitseisenbahnen in die Tat umzusetzen. Nebst sonstigen uni- bis multimodalen Verkehrskorridoren. Soweit so gut. Allerdings zeigt sich auch vielerorts, dass außer großen Reden und zahlreichen Hochglanzbroschüren diese an sich wünschenswerten Projekte noch immer nicht in der Realität angelangt sind. Und so zeigt sich bspw. am Balkan, dass auf der einen Seite die neuen seit Jahren geplanten Bahnen noch nicht einmal konkret projektiert sind während auf der anderen Seite die an sich brauchbaren bestehenden Verbindungen immer öfter dem Zahn der Zeit zum Opfer fallen und es zu befürchten ist, dass in einigen Jahren überhaupt keine Eisenbahnen mehr am Balkan verkehren. Außer natürlich den diversen neuen Bahnen der EU, aber die gibt es ja nur bis dato als Striche in den diversen Hochglanzbroschüren.
Auch von Warschau aus ins Baltikum verkehrte man vor 100 Jahren besser und bequemer als heute. Aktuell ist es ja direkt ein Abenteuer, wenn man von Warschau aus durch die baltischen Staaten nach Tallin in Estland reisen will. Wohlgemerkt alles Staaten der EU und der Fall des Eisernen Vorhangs ist auch schon über 30 Jahre her aber verkehrsmäßig hat sich die Situation auf der Schiene eher verschlechtert denn verbessert.
Aber sind wir Optimisten und bauen darauf, dass nun im Jahr 2025 – statt wie ursprünglich geplant 2015 – die Rail Baltica fertig gestellt sein wird und man dann innert weniger Stunden von Hauptstadt zu Hauptstadt reisen wird können. Auch von Österreich aus könnte es dann in ferner Zukunft möglich sein, im Tagessprung mit dem Zug bis Tallinn reisen zu können. Denn geplant ist ein Zeitbedarf von 6 Stunden und 47 Minuten von Warschau Centralna nach Tallinn und in 6 Stunden sollte man es auch hinkünftig einmal von Wien nach Warschau schaffen (aktuell mit EC ca. 7,5 Stunden).
Das Projekt – Einige Kennzahlen
- Prioritäres EU-Projekt
- Projekt / Verkehrsachse Nr. 27 (TEN-V-Leitlinien 2010); Teil des “North Sea Baltic TEN-T corridor”
- Länge der Strecke (im Baltikum): 870 km, davon 213 km in Estland, 265 in Lettland, 392 km in Litauen
- Traktion: Elektrisch, 25 kV Wechselstrom
- Spur: Normalspurig, Doppelspur
- Höchstgeschwindigkeit: Personenverkehr 249 km/h, Güterzug 120 km/h
- Zugleitsystem: ERTMS Level 2 (European Rail Traffic Management System)
- Maximale Länge von Güterzügen: 1.050 m
- Kosten: Ursprünglich geplant 3,68 Mrd. Euro, aktuell (2021) Schätzung 5,79 Mrd Euro (ohne Unterwassertunnel Tallinn – Helsinki)
- Umwegsrentabilität: 18,2 Mrd. Euro
Geplante Route:
Von Tallinn ist ein Tunnel unter der Ostsee nach Finnland im Gespräch, die Realisierung – wenn überhaupt – scheint aber erst nach 2030 möglich. Die Kosten für diesen minimal 50 km langen Unterwassertunnel – er wäre dann der weltweit längste – belaufen sich auf geschätzte 15 Mrd. Euro.
Eine Reise von Warschau nach Tallinn mit Eisenbahn und Bus anno domini 2019
2019 fand das “Annual Meeting” der EFJ, der größten Journalistenvereinigung Europas, im estnischen Tallinn statt und ich reiste als Delegierter Österreichs (Gewerkschaft Younion) zu diesem Treffen an – allerdings nicht wie fast alle Kolleginnen und Kollegen aus allen Staaten Europas mit dem Flieger sondern per Bahn und Bus.
Anreise Salzburg – Warschau
Die Anreise nach Warschau war ja noch sehr kommott, außer das frühe Aufstehen, damit ich mit dem ersten Railjet ab Salzburg den Eurocity 104 Sobieski in Wien erreichen konnte.
In der 1. Klasse ungestört im eigenen Abteil und der direkt daran angekuppelte polnische Speisewagen machten die Fahrt zu einem kurzweiligen Vergnügen.
Eisenbahnhistorisch betrachtet verläuft die Fahrt von Wien über Lundenburg (Breclav), Hodonin (dt. Göding), Prerov (dr. Prerau) und Ostrava (dt. Mährisch Ostrau) nach Bohumin (dt. Oderberg) auf den Gleisen der ehem. k.k. privilegierten Kaiser Ferdinands-Nordbahn (KFNB). Die Strecke wurde bereits 1839 eröffnet und ist somit eine der ältesten Eisenbahnstrecken Mitteleuropas. Die Strecke ist normalspurig, durchgängig 2-gleisig und seit 1985 durchgehend elektrifiziert – bis Bf Nedakonice bei Streckenkilometer 132 mit 25 kV Wechselstrom, danach mit 3000 Volt Gleichstrom (Bohumin km 275,9 ab Wien).
Ab Bohumin verlief bei meiner Fahrt 2019 (aktuell 2021 anders) die Fahrt weiter auf der Trasse der ehem. KFNB bis zur polnischen Grenze bei Petrovice u Karviné (dt.Petrowitz b. Freistadt), dann in Polen weiter auf der ehem. KFNB-Trasse, heute Kursbuchstrecke 93, über den polnisch-tschechischen Grenzbahnhof Zebrzydowice (dt. Seibersdorf) weiter ostwärts und zweigt bei Ochodza von der KBS 93 als KBS 139 nach Norden zum nächsten Halt in Pszczyna (dt. Pless) ab. Die ehem. KFNB-Trasse (KBS 93) hingegen führt weiter ostwärts nach Trzebinia und von dort als KBS 133 Richtung Krakau.
Von Pszczyna (dt. Pless) ging es auf der KBS 139 weiter bis in die Hauptstadt Schlesiens, nach Kattowitz, dann über Sosnowiec (dt. Sosnowitz) auf der KBS 1 nach Zawiercie (dt. ehem. Warthenau) und dann von der KBS 1, welche ebenfalls nach Warschau führt (alte Strecke aus den 1840er Jahren – “Warschau-Wiener Eisenbahn”), abzweigend auf der KBS 4, der Schnellfahrstrecke (Bahnstrecke Grodzisk Mazowiecki–Zawiercie, auch “Zentrale Eisenbahnmagistrale” genannt), nach Warschau.
In Warschau
Am Nachmittag in Warschau Centralna angekommen quartierte ich mich im nahen Novotel ein, wo ich von meinem Zimmer im 31. Stockwerk einen tollen Rundblick über Polens Hauptstadt hatte.
Nach 2 Nächtigungen und einem Grobüberblick über die Eisenbahn, Straßenbahn und U-Bahn der Stadt sowie den wichtigsten Sehenswürdigkeiten, worunter auch das Polnische Eisenbahnmuseum zu zählen ist, startet ich die eigentliche Tour auf der Rail Baltica gen Tallin, welche von zwei zeitlichen Faktoren bestimmt war: Dem Beginn des Meetings in Tallinn und der Tatsache, dass nur am Wochenende die Zugverbindungen zwischen Polen und Litauen sowie Litauen und Riga in Lettland aktiv waren.
Polen – Litauen
Von Polen nach Litauen, genauer gesagt von Bialystok nach Kaunas verkehrten am Wochenende zwei Züge, ich nahm den späteren am frühen Nachmittag, zum einen, damit ich im noblen Novotel in Warschau länger schlafen und das exzellente Frühstück genießen konnte und auch, um in Bialystok, der Hauptstadt der Woiwodschaft Podlachien (knapp 300.000 Ew.), zumindest Zeit für ein kurzes Einsaugen des Lokalkalorits zu finden.
Der Intercity mit dem Ziel Danzig war gut gefüllt und ich bereute den Kauf einer 2. Klasse-Fahrkarte, war doch die 1. Klasse kaum teurer und dafür mit vielen leeren Abteilen, während ich die Fahrt nach Bialystok (ca. 2,5 Stunden) im vollgefüllten 6er-Abteil verbrachte. Dafür hat man halt Lokalkalorit 🙂
Nach der 2,5 Stunden Fahrt spazierte ich vom im Umbau begriffenen Bahnhof (Bahnhofsresti leider geschlossen) in das Ortszentrum, wo gerade Kirmes (Volksfest) gefeiert wurde und ich mich kurz an einem Snack und einem polnischen Pivo labte.
Dann ging es zurück zum Bf, wo bei meiner Ankunft gerade ein Dieseltriebwagen einrollte und dieser kleine Triebwagen von einer doch großen Menschentraube “gestürmt” wurde. Zum Glück hatte ich in meiner Jugend während mehrerer Interrailfahrten und zahllosen internationaler Bahnfahrten die Fertigkeit gelernt und perfektioniert, ohne allzu großem Einsatz der Ellbogen oder anderer Körperteile pronto rapido in den Zug zu gelangen und so einen Sitzplatz zu ergattern. Dieser war in diesem eher ungemütlichen (Plastik-) Triebwagen zwar nur ein Einzelsitz vor dem WC, hatte aber den Vorteil der totalen Fußfreiheit und dass ich nicht durch andere Reisende eingeengt war.
Bis nach Suwalki (dt. Suwalken, 69.000 Ew.) ging es eigentlich recht flott vorwärts, erst nach dem Kopfmachen vor dem historischen Bahnhofsgebäude von Suwalken kam richtiges Nebenbahnflair auf.
Von einer modernen Rail Baltica ist hier nichts zu sehen und vor allem nichts zu spüren, aber die Schienenstöße, die in kurzer Abfolge die nun sehr spärlich vorhandenen Fahrgäste durchrüttelten und dem Triebwagen auch nicht mehr als 50 km/h Geschwindigkeit erlaubten, erwärmten aber doch mein Herz und meine Seele und nach der Zugkreuzung an der Grenze im Nirgendwo bei Trakiszki (alter Bahnhof aus Holz von 1896 unter Denkmalschutz) dieselte unser Triebwagen in die Abenddämmerung hinein.
Das Durchrütteln durch die kurzen Schienen hörte auf, im Bahnhof Sestokai ca. 25 km nach der Grenze musste früher umgestiegen werden oder die Wagen wurde umgespurt, jetzt liegen dort schon neue normalspurige Gleise, teilweise neben den Breitspurgleisen und als 4-Schienen-Gleise. Endlich ein deutlich sichtbares Zeichen der Rail Baltica! Allerdings für eine NBS (Neubaustrecke) ist die hier zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h doch sehr bescheiden.
Wichtige bestehende Stationen auf dem Weg nach Kaunas sind aktuell u.a. Mockava, Šeštokai, Marijampolė und Kazlų Rūda.
Wir durcheilen mehrere neue Haltestellen, eigenartig nur, dass man – zumindest in der Dunkelheit – keine dazugehörigen Ansiedlungen sieht. Hat das Füllhorn der EU hier zu Potemkinschen Haltestellen in der Pampa geführt?? Die Einweihung des Abschnitts von der polnischen Grenze bis Kaunas über Sestokai und Marijampolė erfolgte im Oktober 2015.
In Kaunas
Trotz der späten Ankunft in Kaunas gab es im gebuchten Hotel Ibis unweit des Bahnhofs noch Speis und Trank für mich und auch einige andere Reisende des Zuges, die hier abstiegen. Darunter waren auch 3 SBB-Schaffner, mit denen ich mich noch gut unterhielt und wo für die eine oder andere “Fachsimpelei” Zeit und Raum war.
Der nächste Vormittag gehörte der Entdeckung der Stadt Kaunas (knapp über 300.000 Ew., dt. Kauen), welche ich in sehr guter Erinnerung behielt, auch wegen dem strahlenden Sonnenschein an diesem Tag. Und es gab auch noch die zwischenzeitlich seit 2020 abgeschafften alten bunten Obusse zu fotographieren. Auch 2 Standseilbahnen besuchte ich, beide allerdings wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb. Aus Zeitmangel konnte ich leider in keinem der gemütlichen Restaurants und Cafes in der Altstadt einkehren.
Litauische Eisenbahnen
(Quelle: Das Kleine Verkehrslexikon >>>), die 1991 nach der erlangten Unabhängigkeit von der UdSSR gegr. Lietuvos geležinkeliai, abgek. LG, ist die staatliche und größte Eisenbahngesellschaft in Litauen mit Sitz in Vilnius. Eine Vorgängerorganisation existierte bereits während der ersten Unabhängigkeit (1919-1940), danach bis zum Zerfall der UdSSR war die LG in die Sowetskije schelesnyje dorogi, abgek. SŽD (Sowjetischen Staatsbahnen) integriert. Der Schwerpunkt wie in allen baltischen Staaten liegt im Güterverkehr, Personen-Fernverkehr findet überwiegend mit >Fernbussen statt. Zwischen Kaunas und der Hauptstadt Vilnius, wo sich am Bahnhof auch das litauische >Eisenbahnmuseum befindet, herrscht ein S-Bahn-ähnlicher Verkehr. Einen Aufschwung für das Eisenbahnwesen sollte der Bau der Rail Baltica im Rahmen der >TEN der EU bringen.
Von Kaunas nach Vilnius
Kurz nach Mittag nahm ich den Zug Richtung Vilnius, Fahrtdauer ca. 1,5 Stunden auf Breitspurgleisen. Die Landschaft eben und nicht unbedingt was Besonderes.
Die Bahnstrecke von Kaunas nach Vilnius wurde von 1859 bis 1862 erbaut, hat eine Länge von 104 km, Doppelspur (Breitspur) und wurde 1975 elektrifiziert und zwar mit 25 kV 50 Hz.
Vom Personenverkehr aktuell bediente Stationen sind:
- Kaunas
- Palemonas
- Karčiupis
- Pravieniškės
- Pamieris
- Kaišiadorys
- Žasliai
- Kaugonys
- Vievis
- Baltamiškis
- Lazdėnai
- Rykantai
- Kariotiškės
- Lentvaris
- Vokė
- Paneriai
- Vilnius
Vilnius
In Vilnius, der Hauptstadt Litauens (574.221 Ew., dt. Wilna), hatte ich wieder eine Übernachtung eingeplant, um zumindest einen groben Eindruck von der Stadt zu gewinnen und das Eisenbahngeschehen zu erleben und fotographisch festzuhalten. Auch in Vilnius tragen die Last des ÖV in der Stadt die Obusse, welche sich teilweise schon sehr betagt zeigten.
Von Litauen (Vilnius) nach Lettland (Riga)
Als nächstes Etappenziel war die Hauptstadt Lettlands, die alte Hansestadt Riga, mit ca. 700.000 Ew. die größte Stadt im Balticum, geplant.
Da das Wochenende schon vorbei war gab es keine Verbindung auf Schienen zwischen den beiden Hauptstädten Vilnius und Riga. Diese Schienen-Verbindung verläuft nicht direkt nach Norden, sondern nordostwärts auf der historischen Warschau-Petersburger Eisenbahn nach Daugavpils (dt. Dünaburg, 92.000 Ew., zweitgrößte Stadt Lettlands) und von dort nach Nord-Westen nach Riga. Die neue Route wird als komplette Neubaustrecke direkt nach Norden über Panevėžys (dt. Ponewiesch, 124.412 Ew.) geführt.
Ich musste also das machen was die meisten Einheimischen von sich aus freiwillig machen, nämlich den Fernbus nehmen statt der Eisenbahn. Der Fernbus ist im Baltikum die erste Wahl wenn es öffentlich weiter weg gehen soll, das System ist gut ausgebaut und die Busflotte modern. Vilnius – Riga also nicht auf der Rail Baltica sondern der Via Baltica (Europastraße E 67 Prag – Helsinki).
Lettische Eisenbahnen
(Quelle: Das Kleine Verkehrslexikon >>>), wie alle Eisenbahnen im Baltikum entstanden die ersten Bahnstrecken während der Zugehörigkeit zum russischen Reich. Die heutige Staatsbahn Latvijas dzelzceļš, abgek. LDz, wurde nach der erlangten Unabhängigkeit von der UdSSR 1992 gegr. und ist eine Nachfolgeorganisation der während der ersten Unabhängigkeit (1919 bis 1940) im Jahr 1919 gegr. Latvijas Valsts Dzelzsceļi, abgek. LVD. Der Konzern mit Sitz in Riga ist in mehrere Tochtergesellschaften gegliedert, u.a. die a/s Pasažieru vilciens zuständig für den Personenverkehr. Durch das von der EU im Rahmen der >TEN initiierten aber im Verzug befindlichen Projekts Rail Baltica (Schienenverbindung Polen – Litauen – Lettland – Estland) wird mit einem Aufschwung des Eisenbahnverkehrs gerechnet – aktuell findet der Fernverkehr im Baltikum hauptsächlich mittels >Fernbus statt.
In Riga
Die lettische Metropole mit 700.000 Einwohnern die größte Stadt im Baltikum, an der Mündung des Flusses Duna in die Ostsee gelegen, auch Perle des Baltikums oder Paris des Ostens genannt, hat durch ihre vom Jugendstil geprägte Altstadt auch Anteil am Weltkulturerbe der Unesco.
Der Bahnhof von Riga mit seinen zahlreichen Geschäften ist der stattlichste im gesamten Baltikum.
Neben Autobussen sind im ÖV auch Straßenbahnen sowie Obusse im Einsatz, die sich hier deutlich modernen präsentieren als in Vilnius.
Von Lettland (Riga) nach Estland (Tallinn, ex Reval)
Die letzte Etappe von Riga in die alte Hansestadt Revall, heute Tallinn, konnte ich einigermaßen bequem wieder auf Schienen zurücklegen und das noch dazu zu “christlichen Reisezeiten” und mit elektrischem Strom betrieben. Der lettische Triebwagen aus Sowjetzeiten brachte mich in die seit 1920 geteilte Grenzstadt Valga (estnischer Teil mit dem Bahnhof) bzw. Valka (lettischer Teil) – bis 1920 hatte die Stadt den deutschen Namen Walk.
Die Eisenbahnstrecke von Riga nach Valka/Valga wird als Riga–Lugaži Eisenbahn bezeichnet, Lugaži ist die letzte Station auf lettischem Territorium. Die Strecke wurde 1889 eröffnet, ist in Breitspur (1.524 mm) ausgeführt, bis Sigulda doppelgleisig dann eingleisig, nicht elektrifiziert und 166 km lang. Bis 1998 verkehrten auf dieser Route die Direktzüge Riga – St. Petersburg.
Nachdem es einige Jahre lang keinen grenzüberschreitenden Verkehr gab und die Züge in Lugaži endeten, wird seit 2008 wieder ein Verkehr bis Valga mit direktem Anschluss nach Tallinn angeboten. Es verkehren aktuell (Jänner 2021) 2 Züge täglich, einer ab Riga um 10.34 (Fahrzeit 2,55 Std.) und der andere ab Riga um 18.15 (Fahrzeit 2,33 Std.).
In Valga gibt es einen zeitnahen Anschluss mit einem modernen Stadler GTW nach Tallinn über den Eisenbahnknoten Tartu.
Estnische Eisenbahnen
(Quelle: Das Kleine Verkehrslexikon >>>), die Eisenbahnwerdung Estlands fand im Russischen Kaiserreich statt, daher hat es in Estland auch noch überwiegend >Breitspur. Nach dem 1. WK und der erlangen Unabhängigkeit wurden zahlreiche Bahnen 1918 zur staatlichen Eesti Vabariigi Raudtee (EVR) zusammengeschlossen, welche bis zur Annektierung durch die UdSSR 1940 Bestand hatte. Danach erfolgte die Eingliederung in die sowjetische Staatsbahn bis zur Auflösung der UdSSR und nach der erneuten Unabhängigkeit von Estland wurde die EVR 1992 als Staatsbahn wiederbegründet. 1997/98 erfolgten Umorganisationen im Rahmen von Privatisierungsmaßnahmen und nach dem Beitritt Estlands zur EU erfolgte gemäß deren Vorgaben (>Liberalisierung) eine Trennung von Infrastruktur und Betrieb. Auch 2012 ff gab es weitere Umstrukturierungen, sodass sich aktuell folgende grobe Struktur zeigt: Das Bahnnetz steht im Eigentum des staatlichen >EIU AS Eesti Raudtee (mehrheitlich) und des privaten EIU Edelaraudtee Infrastruktuuri AS. Go Rail (bis 2004 EVR Ekspress) bedient die Nachtverbindungen nach Sankt Petersburg und Moskau. Der Güterverkehr wird von Operail durchgeführt (bis 2018 EVR Cargo, ausgegliedert 2012 aus der Eesti Raudtee) sowie der gesamte Personenverkehr von AS Eesti Liinirongid unter dem Markennamen Elron (seit 2013), gegr. 1998 als Elektriraudtee (dt. elektrische Eisenbahn), die vormals nur den S-Bahnverkehr um Tallinn (Reval) betrieb. Größtes Projekt in Estland und gesamten Baltikum ist die Rail Baltica, eine durchgehende Schienenverbindung von Polen über Litauen (Kaunas), Lettland (Riga) nach Tallinn und ggf. weiter nach Helsinki.
Die Fahrt von Valga nach Tallinn erfolgt eisenbahnhistorisch gesehen auf 3 Eisenbahnstrecken mit einer Streckenlänge von 273 km (Tallinn-Valga):
- Tallinn Balti jaam (km 0,0) bis Tapa (km 77,6): Eisenbahnstrecke Tallinn – Tapa – Narva (-St. Petersburg), eröffnet 1870 durch die Baltische Eisenbahn, bis Tapa doppelspurig und bis zum Bf Aegviidu (km 56,3) mit 3.000 Volt Gleispannung elektrifiziert. Breitspur 1.520 mm
- Tapa (km 77,6) bis Tartu (km 190,1): Eisenbahnstrecke Tapa-Tartu, eröffnet 1876, nicht elektrifiziert, eingleisig, Breitspur 1.520 mm
- Tartu (km 190,1) – Valga (km 273,0) (>Riga): Eisenbahnstrecke Tartu – Valga, eröffnet 1889, nicht elektrifiziert, eingleisig, Breitspur, 1.520 mm. Die Strecke wurde von 2008/2009 modernisiert, seither ca. 45 Min. Zeitersparnis (max. 120 km/h)
In Tallinn
Hinweis Rail Baltica: Die Neubaustrecke der Rail Baltica verläuft ab Riga küstennah im Westen ähnlich der Europastraße 67 “Via Baltica” über die estnische Hafenstadt Pärnu (dt. Pernau).
Tallinn, die alte dt. Hansestadt Reval (offizieller Name bis 1918), 2019 mit 434.562 Einwohner, hat eine sehr schöne und gemütliche Altstadt, die 1997 zum Unesco Weltkulturerbe ernannt wurde, weil sie ein “außergewöhnlich vollständiges und gut erhaltenes Beispiel einer mittelalterlichen nordeuropäischen Handelsstadt darstellt“. Sehenswert weiters der Domberg mit der Alexander-Newski-Kathedrale, umfasst von einer mittelalterlichen Stadtmauer. Direkt an der Ostsee gelegen bietet der Hafenbereich Abwechslung vom Mittelalter und die in einen Dornröschenschlaf versunkene riesige Multifunktionshalle aus Sowjetzeiten “Linnahall” direkt am Wasser spricht sicher Freunde von “Lost Places” an.
Exkurs: Auf Patrouillenfahrt an der Russischen Grenze
Nach dem Annual Meeting der EFJ in Tallinn wurde für interessierte Journalisten ein Tagesausflug nach Narva (dt. Narwa) angeboten. Neben der Einfahrt in die Ölschiefermine Kohtla-Nõmme (siehe Link) ging es mit einem schnellen Boot der estnischen Grenztruppen auf Patrouille am Grenzfluss Narva. In Flussmitte befindet sich die Grenze zu Russland, gleichzeitig EU-Außengrenze.
Nach dem Besuch der Festung Narva wurde unsere Journalistendelegation noch durch den “Lost Place” Kreenholmi Manufaktuur (dt. Krähnholm Manufaktur) geführt. Dieses riesige Gebäudekonglomerat wurde von Industriellen rund um den Bremer Kaufmann Ludwig Knoop ab 1857 errichtet, die darin situierte Baumwollspinnerei und die Tuchwebereien waren vor dem Ersten Weltkrieg die bedeutendste russische Textilfabrik und zählten zu den größten der Welt.
Rückreise
Da ich leider bei der Rückreise unter Zeitdruck stand, weil ich als Reiseleiter eine Tour mit dem Bernina Express zu leiten hatte, kam die Eisenbahn im Baltikum nicht in Frage. So nahm ich frühmorgens um 6 den Bus von Tallinn nach Riga und von dort gings nach 2 Stunden Aufenthalt – Zeit genug um im Hauptbahnhof ordentlich zu speisen – weiter nach Warschau, wo ich so gegen 23 Uhr eintraf und mich dann noch im Ibis Hotel an Bier und an einem Snack laben konnte.
Nach der Übernachtung ging es am Vormittag dann mit dem EC über Bohumin nach Wien und von dort mit dem Jet nach Salzburg. Übrigens: Mein Bus von Riga fuhr von Warschau gleich weiter nach Freiburg/Breisgau sowie ein zweiter nach Prag, aber 17 Stunden on the road waren genug für mich und ein ordentliches Bett einem Sitz im Bus doch vorzuziehen 🙂
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DEEF Doku Obus Kaunas >>>
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Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum.
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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF
Erstmals Online publiziert: 31. Dezember 2020; Letzte Ergänzung: 17.1.2021