Die Maggiatalbahn oder auch: Locarno-Ponte Brolla-Bignasco-Bahn (LPB)
Spurensuche in Ponte Brolla
Die italienisch Ferrovia Locarno–Ponte Brolla–Bignasco genannte Bahnstrecke – man könnte sie auch als Tranvia, als Überlandstraßenbahn bezeichnen – führte ab 1907 von Locarno auf den gleichen Gleisen wie die später eröffnete Centovallibahn (1923) bis Ponte Brolla und zweigte dort ab ins Maggiatal und endete in Bignasco. Die Bahn wird auch La Valmaggina genannt.
Neben dem Personenverkehr war die Maggiatalbahn auch ein wichtiger Faktor im Güterverkehr, war sie doch für den Transport von Granit aus dem Steinbruch von Cevio verantwortlich.
Wie schon für die Centovallibahn sowie die Straßenbahn in Locarno war auch für die LPB das Engagement des Locarneser Stadtpräsidenten Francesco Balli von größter Bedeutung. Schade, dass es heute nur mehr so wenige Politiker und engagierte Bürger mit “Macherqualitäten” in unseren Breiten gibt.
Von einer Einweihungsfeier am 3. August 1907 in Bignasco wird berichtet, die offizielle Eröffnung der LPB fand am 2. September 1907 statt.
Die LPB übernahm ab 1. Oktober 1908 auch die Betriebsführung der Straßenbahn Locarno (Società Tramvie Locarnesi, abgek. STL). Ab 1. Januar 1923 wurden beide Gesellschaften an die “Società Ferrovie Regionali Ticinesi” (FRT) verpachtet, die in Folge die Centovallibahn betrieb und aufgrund des immer stärker werdenden Anteils an Autobussen am 1. Juli 1960 in “Ferrovie autolinee regionali ticinesi” (FART) umbenannt wurde. Die LPB fusionierte mit 1.1. 1952 mit der FRT.
Die Stationen:
Der ursprüngliche Ausgangspunkt der Maggiatalbahn war im ersten Betriebsjahr 1907 der Bahnhof Locarno S. Antonio. 1908, als die Locarneser Trambahn eröffnet wurde, konnte die LPB dann über deren Gleise bis zum SBB-Bahnhof von Locarno fahren, wobei die engen Altstadtgassen und die Piazza Grande befahren wurden.
An der Piazza Stazione gab es nach Eröffnung der Centovallibahn 1923 eine neue 4-gleisige Anlage, wobei 1 und 2 für die Straßenbahn und 3 und 4 für die Maggiatalbahn und die Centovallibahn vorgesehen waren. Ein Verbindungsgleis zum danebenliegenden Bahnhof der SBB war vorhanden.
Im Fahrplan 1963/64 ist nach dem Ausgangsbahnhof Locarno auch noch die Haltestelle Locarno Lago verzeichnet. Das verhält sich so: Ursprünglich fuhr die Maggiatalbahn wie das Tram durch das Zentrum, wie das obige Foto zeigt. Ab 1937 stand eine weitere Variante für die Fahrt von der Piazza Stazione nach S. Antonio zur Disposition, nämlich über das Seeufer. Dorthin war schon 1908 eine Stichstrecke von S. Antonio für die Verschiffung der Granitsteine errichtet worden und diese Stichstrecke wurde nun 1937 für eine durchgehende Fahrtmöglichkeit zwischen S. Antonio und dem Endpunkt auf der Piazza Stazione erweitert. Die Fahrt durch das Zentrum blieb seither dem Tram vorbehalten, nur bei “Aqua Alta” (Hochwasser) unten am Lago Maggiore nahm die Maggiatalbahn die Route durchs Zentrum.
Ab S. Antonio verlief die Strecke über Solduno oberhalb der Hauptstrasse nach Ponte Brolla, so wie heute auch noch die Centovallibahn.
- Ponte Brolla, Bf, km 3,5 (Abzweig ab 1927 bis heute Centovallibahn); 258 m
- Pontebrolla LPB, Bf, km 3,8
- Avengno, Bf, km 6,3; 293 m
- Gordevio, Bf, km 7,3
- Ronchini, Hs, km 10,4
- Aurigeno-Moghegno, Bf, km 11,6
- Maggia, Bf, km 12,5; 327 m
- Lodano, Bf, km 14,9
- Coglio-Giumaglio, Bf, km 16,1
- Someo, Bf, km 18,6
- Riveo, Bf, 21,7; 390 m
- Cevio, Bf, km 24,6
- Cevio Ospedale, Hs, km 25,4
- Bignasco, Bf, km 27,1; 438 m
Die LPB wurde trotz großer Proteste von Bürgern aus dem Maggiatal eingestellt – der letztes Zug verkehrte am 28.11.1965. Schon vor der totalen Umstellung auf Autobusbetrieb verkehrten sogenannte Autopullmann-Kurse, deren Fahrzeit auf der Gesamtstrecke 60 Minuten betrug und die somit 10 Minuten schneller waren als die Züge, allerdings ohne Bedienung der Station Locarno Lago. Was wäre dieses Bähnle heute für eine Bereicherung nicht nur im Tourismus!
Zugkreuzung Centovallibahn Ponte Brolla März 2018
Einige Kennzahlen:
- Spurweite: Meterspur
- Streckenlänge: 27,14 km
- Depot: Im Bahnhof Locarno S. Antonio
- Traktion: Strom aus dem 1904 in Ponte Brolla fertiggestellten Wasserkraftwerk der Società Elettrica Sopracenerina
- Strom: Anfangs im Stadtbereich (gemeinsam mit Tram) 800 V/20 Hz Wechselstrom, Überland 5000 V/20 Hz. Ab 1923 (Eröffnung Centovallibahn) 1.200 Volt Gleichstrom
- Stromabnahme: Exotisches System, einzige Bahn mit Seitenfahrleitung System MFO (Maschinenfaktrik Oerlikon), Stromabnehmer 2 Seitenruten. Nach Eröffnung der Centovallibahn wurde die nun gemeinsam genutzte Strecke von Locarno bis Ponte Brolla mit klassischer Mittelfahrleitung ausgestattet und die Triebwägen der LPB bekamen dafür einen klassischen Pantographen zusätzlich aufs Dach
- Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h
- Kleinster Radius: 100 m
- Max. Neigung: 39 Promille
- Anzahl Zugpaare: 6
- Anzahl Tunnel: 4 kurze (Saas Gött, 20 m, aktiv Centovallibahn; Ponte Brolla, 58 m, genutzt als Abstellgleis der Centovallibahn; Sass Pietsch, 180 m, ausgebaut zu Straßentunnel; Sasso Visletto, 150 m, vorhanden aber gesperrt)
- Brücken über 2 m: 25 (u.a. mächtige, noch erhaltene Eisenbrücken über die Maggia)
Relikte:
Es gibt noch zahlreich Relikte zu bestaunen. Im März 2018 bin ich mit der Centovallibahn nach Ponte Brolla gefahren und habe die dort vorhandenen Relikte wie folgt dokumentiert:
Links:
La Valmaggina – eine private Seite mit vielen Informationen und Fotos >>>
Eingestellte Bahnen der Schweiz, prächtige Fotos vom ehem. Betrieb >>>
DEEF Doku Centovallibahn >>>
Text / Fotos / Videos copyright DEEF/Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum.
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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF
Erstmals Online publiziert: 12. April 2020; Letzte Ergänzung: –