Railway & Mobility Research Austria # Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum
Berchtesgadenerlandbahn
Berchtesgadener Land Bahn – Bahnstrecke Freilassing – Bad Reichenhall – Berchtesgaden
Von der 1860 eröffneten Maximiliansbahn München – Rosenheim – Freilassing – Salzburg zweigt in der traditionsreichen Eisenbahnerstadt Freilassing seit 1866 eine normalspurige Eisenbahnlinie in die Kurstadt Bad Reichenhall ab, die dann 1888 bis in den Inneren Landkreis nach Berchtesgaden verlängert wurde.
Die Streckenlänge bis Bad Reichenhall beträgt 14,9 km, von Bad Reichenhall bis Berchtesgaden dann nochmals 18,8 km, sodass sich eine gesamte Streckenlänge von 33,7 km ergibt.
Die Elektrifizierung der nach wie vor eingleisigen Strecke – bis Bad Reichenhall als Hauptbahn errichtet, von dort bis Berchtesgaden als Nebenbahn – erfolgte 1914, wobei der Strom vom Saalachkraftwerk am Saalachstausee in Bad Reichenhall Kirchberg geliefert wird.
Nicht nur von der zeitlichen Genese her ist die Strecke zweigeteilt in die Abschnitte Freilassing – Bad Reichenhall und Bad Reichenhall – Berchtesgaden:
Der nördliche Abschnitt ist vom Gelände her unschwierig mit keiner nennenswerten Steigung. Der südliche Abschnitt weist zwischen der Haltestelle Bayerisch Gmain und der ehem. Haltestelle Hallthurm (aktuell nur Betriebsstelle) eine Steilstrecke mit einer max. Neigung von 40,8 Promille auf
Bis Bad Reichenhall verkehren die Züge der S-Bahnlinien 3 und 4 im Halbstundentakt, ab Reichenhall bis Berchtesgaden gibt es nur mehr Stundentakt mit der S4
Während die Höchstgeschwindigkeit bis Reichenhall 90 km/h beträgt und durchaus mit der Geschwindigkeit auf der staugeplagten Straße mithalten kann bzw. sie übertrifft, schaut es ab Bad Reichenhall Richtung Berchtesgaden eher schlecht aus – die maximale Geschwindigkeit beträgt 50 km/h und mehrmals darf der Zug Straßen- bzw. Wegübergänge auch nach mehrmaligem Pfeifen nur in Schrittgeschwindigkeit überqueren > hier besteht dringender Handlungsbedarf!
Von Berchtesgaden ging es früher in den “Goldenen Eisenbahnzeiten” noch weiter, nämlich mit der Königsseebahn zum Königssee (1909 bis 1965).
Weiters mit der “Grünen Elektrischen” entlang der Königseer Ache zum Grenzübergang nach Österreich bei Hangendenstein (Gemeinde Grödig, 1907-1938) und von dort weiter mit der Roten Elektrischen in die Stadt Salzburg (1907-1953).
Beiden Relationen trauert man bis heute nach und nicht selten wird davon gesprochen, wie herrlich es wäre, könnte man diese Strecken wieder nutzen.
Die Stationen:
Freilassing, Bahnhof, km 0,0; 421 m.ü.d.M. (Übergang Maximiliansbahn Rosenheim-München bzw. Salzburg sowie nach Mühldorf (Oberbay)
Freilassing Hofham, Haltestelle seit 2014 (in D als Haltepunkt bezeichnet), km 1,5
Ainring, Haltestelle, km 3,3
Hammerau, Bahnhof, km 5,9
Piding, Bahnhof, km 10,8
Bad Reichenhall, Bahnhof, km 14,9; 466 m (Endpunkt S3)
Bad Reichenhall-Kirchberg, Haltestelle, km 1,7 (ab Reichenhall), 476 m
Bayerisch Gmain, Haltestelle (vormals Bahnhof), km 3,4; 540 m
Hallthurm, Betriebsstelle, vormals Bahnhof, km 7,4; 693 m
Winkl, ehem. Haltestelle, km 10,2; 665 m
Bischofswiesen, Bahnhof, km 13,6; 614 m
Gmundbrücke, ehem Haltestelle, km 17,7
Berchtesgaden Hbf, Bahnhof, km 18,8; 540 m (ehem. Übergang zur Königsseebahn und zur Lokalbahn nach Hangendenstein (Grödig-Salzburg)
Betrieb:
Zwischen Freilassing und Bad Reichenhall verkehren die S-Bahn Linien 3 und 4, sodass hier 2x pro Stunde (leider kein exakter 30-Minuten-Takt) Verbindungen bestehen. Zwischen Bad Reichenhall Hbf und Berchtesgaden Hbf werden stündlich Verbindungen angeboten, leider abends mit einer 2-Stunden-Lücke Richtung Freilassing.
Nachdem im Rahmen der Ausschreibung 2006 die Staatsbahn DB nicht mehr zum Zug kam (diese wollte den Abschnitt Bad Reichenhall – Berchtesgaden stilllegen), kam frischer Wind in das Betriebsgeschehen durch den neuen Betreiber BLB (Berchtesgadener Land Bahn), der in Folge mehrfach aufgrund hoher Kundenzufriedenheit ausgezeichnet wurde.
Die BLB ist ein Joint Venture aus Salzburg AG und der Regentalbahn und bedient seit dem Fahrplanwechsel 2009/10 die Strecke. Bei der Ausschreibung 2017 nahm die BLB nicht teil und somit wird der Gewinner der Ausschreibung, die BOB (Bayerische Oberlandbahn, ein Unternehmen der Transdev-Gruppe) ab 2021/22 die Strecke bedienen, welche auch schon seit Jahren mit der Marke Meridian u.a. die Strecke München-Salzburg bedient.
Bis Reichenhall verkehren Talent-Triebwagen der ÖBB sowie Flirt-Triebwagen des Herstellers Stadler Rail der BLB, weiter bis Berchtesgaden verkehren die Flirt der BLB sowie 1x pro Tag der einzige aktuelle Fernverkehrszug der DB, der IC Königssee, der von Freilassing bis Berchtesgaden als RE verkehrt und somit auch mit Nahverkehrsfahrkarten benutzbar ist.
Trotz Versprechen seitens der Politik halten sich die grenzüberschreitenden Verbindungen, vor allem von Berchtesgaden durchgebunden bis Salzburg Hbf, sehr in Grenzen. Dabei gab es das schon verstärkt, als die ÖBB vor einigen Jahren die Gesamtstrecke bedienten. Es wurde versprochen, wenn der Salzburger Hauptbahnhof umgebaut ist und das Dritte Gleis von Freilassing über die Saalach nach Österreich gelegt ist – beides ist inzwischen Wirklichkeit – dann fahren die Züge wieder verstärkt durchgebunden über die Grenze. Leider wie so Vieles aus der Politik eine glatte Lüge. So wird die an sich schon nicht gerade konkurrenzfähige Reisezeit gegenüber dem Auto nochmals verlängert, indem man in Freilassing umsteigen muss und eine halbe Stunde auf den Anschluss warten muss.
Güterverkehr findet noch in Form von “Müllzügen” zur Kreis-Müllumladestation bei Freilassing-Hofham sowie in Form von Transporten zum Stahlwerk Annahütte (Fa. Aicher) in Hammerau statt. Das Anschlussgleis zur Saline in Bad Reichenhall wird nicht mehr bedient, man ist dort auf den wohl flexibleren und vielleicht auch günstigeren LKW umgestiegen.
Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Strecke ist die DB Netz AG – sehr zum Leidwesen der BLB, denn selbst Kleinigkeiten, welche den Betrieb effizienter und schneller machen würden, werden vom EIU auf die lange Bank geschoben so nach dem Motto “wer seid ihr hier, soweit weg von der Zentrale in Berlin”?? Somit ein Indiz, dass es nicht von Haus aus immer das Beste ist, wenn die Eisenbahn-Infrastruktur in staatlicher Hand verbleibt.
Kunstbauten: Gibt es eigentlich keine nennenswerten, einen Tunnel gab es bis Mitte der 1930er Jahre nahe der Haltestelle Gmundbrücke – dieser 70 m lange Tristram – Tunnel wurde abgetragen, damit neue 4-achsige Wagen hindurchpassten.
Fahrkarten: Schon bei einer Fahrt von Freilassing nach Bad Reichenhall und retour kommt das BLB-Tagesticket günstiger als ein normaler HR-Fahrschein. Das Ticket (Preis 2019: 9 Euro, ab Sbg Hbf 11 Euro) gilt für beliebig viele Fahrten auf der Gesamtstrecke am jeweiligen Geltungstag. Bis zu 3 eigene Kinder/Enkel können gratis mitgenommen werden. Um Land und Leute zu erkunden gibt es das BLB Tagesticket Bus & Bahn, gültig in allen Bahnen im Landkreis sowie allen RVO Bussen im Gesamtnetz zum Preis von (2019) 14 Euro. Auch ein Kombiticket Zug und Therme (Rupertustherme Bad Reichenhall) wird angeboten.
Nota bene: Im Unterschied zu den ÖBB kann man bei der BLB die Fahrscheine aufpreisfrei beim Zugbegleiter kaufen 🙂
Fazit/Ausblick:
Die Eisenbahnstrecke hat sich zum einen “gemausert”, ist attraktiv und der Betreiber BLB bei den Fahrgästen beliebt. Durch die veraltete Infrastruktur vor allem zwischen Bad Reichenhall und Berchtesgaden gibt es aktuell aber kaum Möglichkeiten, den Betrieb zu verbessern.
Folgende Forderungen sind zu stellen:
Sofortige Beseitigung der Langsamfahrstellen (Pfeifen und Schrittgeschwindigkeiten) aufgrund von technisch nicht hochwertig abgesicherten EK. Moderne Absicherung aller EK sowie Erhöhung der Streckengeschwindigkeit durch Streckenbegradigungen wo immer es geht
Zumindest einen Stundentakt auf der Gesamtstrecke, keine Lücke abends
Wiedereröffnung der Betriebsstelle Hallthurm für den Personenverkehr (Wanderer)
Eröffnung von neuen Halten entsprechend der Siedlungsentwicklung. Vor allem beim Panoramapark in Bischofswiesen scheint ein Halt dringend erforderlich
Verstärkte Durchbindung von/nach Salzburg, damit Entfall der zeitraubenden Aufenthalte in Freilassing
Eine Fahrzeit von Berchtesgaden Hbf bis Salzburg Hbf von tw. deutlich über 1 Stunde ist inakzeptabel! Der Bus über Hangendenstein nach Salzburg (“Watzmannexpress”) braucht 48 Minuten, diesen Wert gilt es mindestens zu erreichen
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