Die Nordbahn Wien – Gänserndorf – Lundenburg (heute Breclav)

Allgemeines
Die Kaiser Ferdinands Nordbahn ist – so steht es zumindest in den meisten österreichischen Geschichtsbüchern – die älteste Eisenbahn Österreichs, besser gesagt ein Teil davon, nämlich die Strecke von Wien Floridsdorf nach Deutsch Wagram. 1837 wurde an dem 13 km langen Teilstück zu bauen begonnen, am 13. und 14. November wurden Versuchsfahrten vorgenommen und am 19. und 23. erfolgten die ersten Probefahrten. Am letzten Tag durften auch geladene Gäste mitfahren. Der 23. November 1837 gilt somit als Eröffnungsdatum der ersten Dampfeisenbahn in Österreich.

Geschichte
Die konkrete Idee, eine Eisenbahn von Wien nach Norden zu den nordmährischen Eisen- und Kohlevorkommen und noch weiter bis zu den Salzminen südlich von Krakau zu bauen, stammt vom Geologen Franz Xaver Riepl, der in Folge auch zu einem bedeutenden österr. Eisenbahnexperten avancierte. Als Geldgeber für diese Idee fand sich Salomon von Rothschild. Nach einer ersten Ablehnung des Projekts durch den alten Kaiser Franz I. genehmigte sein Nachfolger Ferdinand I. das Projekt in Form eines 1836 erteilten unbeschränkten Privilegs zur Errichtung einer Dampfeisenbahn zwischen Wien und Bochnia (südl. von Krakau), worauf sich als Name Kaiser Ferdinands-Nordbahn etablierte.. Mit einer Länge von ungefähr 600 Kilometer war sie als Locomotivbahn eine der längsten außerhalb Großbritanniens, wobei im Privileg weiters Zweigbahnen nach Brünn, Olmütz und Troppau inbegriffen waren.
Die Gesellschaft k.k. privilegierte Kaiser Ferdinands-Nordbahn (KFNB) (tschech. c.k. priv. Severní dráha císaře Ferdinanda, ab 1919 offiziell Severní dráha Ferdinandova; SDF) war also für den Bau der Nordbahn sowie diverser Zweigstrecken und anderer Bahnen verantwortlich. Die Strecken der KFNB wurden mit Ausnahme der Montanbahnen im Jahr 1906 verstaatlicht (k.k. StB), die Montansparte bestand bis 1945 als selbständiges Unternehmen weiter.


Aber zurück zur Stammstrecke der KFNB, der Nordbahn. Der erste fahrplanmäßige Personenzug verließ am 6. Jänner 1838 um 9 Uhr 30 den Wiener Nordbahnhof (heute Wien Praterstern) mit 218 zahlenden Passagieren. Der nächste Abschnitt über Lundenburg (Břeclav) bis Brünn ging am 7. Juli 1839 in Betrieb. Im Oktober 1841 wurde die Strecke von Lundenburg (Břeclav) bis Olmütz (Olomouc) fertiggestellt. Dort bestand ab 1845 Anschluss an die k.k. Nördliche Staatsbahn nach Prag. Am 1. April 1847 erreichte die Stammstrecke Oderberg (Bohumín).
Der Eisenbahnknoten Lundenburg (Breclav) ging in Folge des 1. WK für Österreich verloren, er ist heute in Tschechien gelegen und de facto österr. Grenzbahnhof geführt von der Ceske Drahy. Die letzte Station auf österreichischem Staatsgebiert ist Bernhardsthal.
Die Stationen der Nordbahn
Wien Nordbahnhof / Wien Praterstern, Bahnhof, km 0,0

Wien Traisengasse, Haltestelle, km 1,2


Wien Vorgartenstraßén, ehem. Haltestelle aufgelassen 1945, km 2,3
Wien Handelskai, Haltestelle, km 2,7, seit 1996
Einfahrt von der Donaubrücke kommend in Wien Handelskai. Links neben den beiden Gleisen der S-Bahn und den Regionalzüge auf der Stammstrecke liegen die beiden Gleise der U-Bahnlinie 6, die auf einer eigenen Brücke die Donau überquert. Unter diesen 4 Gleisen im Erdgeschoss verlaufen im rechten Winkel die Gleise der Wiener Donauuferbahn, die auch den Verkehr der S-Bahnlinie von Wien Hütteldorf über Heiligenstadt („Vorortelinie“ S45) aufnimmt. Die weitere Strecke der Wr. Donauuferbahn entlang der Donau nach Norden bis zum Praterkai an der Laaer Ostbahn wird aktuell nur vom Güterverkehr genutzt, stellt aber ein gutes Potential für den Personenverkehr dar.Diese als „Turmbahnhof“ zu klassifizierende Verkehrsstation wurde erst 1996 gebaut.



Wien Strandbäder, ehem. Haltestelle 1964 bis 2000, km 3,7

Wien Floridsdorf, Bahnhof, km 4,8
Floridsdorf ist der große Bahnknoten im Norden von Wien. Hier endet die U-Bahnlinie 6 und beginnen zahlreiche Straßenbahn- und Autobuslinien. Auch die S-Bahn Stammstrecke (Wien Meidling – Wien Floridsdorf) hat hier ihren nördlichen End-Bahnhof. Auch einige S-Bahnverbindungen enden hier.


Nach Verlassen des Bahnhofs Floridsdorf sieht man links weitläufige Abstellanlagen und Remisen, die traditionsreiche Floridsdorfer Lokomotiv- und Waggonfabrik ist leider dank nicht kompetenter österr. Wirtschaftspolitik längst Geschichte. Nach links (Westen) zweigen die Gleise der Nordwestbahn nach Stockerau bzw. nach Retz/Znaim bzw. Absdorf-Hippersdorf ab.

Ein kurzes Stück wird die Nordbahn linkerhand von der Floridsdorfer Hochbahn (auch Jedlersdorfer Schleife), einem Verbindungsbauwerk ausgeführt aus Viaduktbögen und dazwischen Brückenelementen zwischen Jedlersdorf an der Nordwestbahn und Leopoldau an der Nordbahn. Da es vorwiegend von italienischen Kriegsgefangenen im 1. WK errichtet wurde wird das Bauwerk auch „Italienerschleife“ genannt. Nach Kriegsschäden im 2. WK und nachfolgend Materialmangel konnte das Bauwerk erst 1999 (wieder) eröffnet werden. Einige der Brücken wurden dabei künstlerisch gestaltet, das untere Bild zeigt die sogenannte „Weinende Brücke“


Wien Siemensstraße, Haltestelle, km 6,9
In der Haltestelle Siemensstraße – dort befindet sich in Sichtweite ein Siemensstandort – findet sich eine Hinweistafel zur „Weinenden Brücke“ mit folgendem Inhalt (auf dt. und ital.): In Reminiszenz an die Errichtung der Hochbahn von 1916 durch italienische Kriegsgefangene wurde von Herrn Professor Wander Bertoni die „Weinende Brücke“geschaffen. Durch das Leid der Gefangenen (Tränen) wird das Verbindende der Brücke gestört.“

Wien Leopoldau, Bahnhof, km 9,2

Wien Süßenbrunn, Bahnhof, km 12,0

Süßenbrunn, ehem. Haltestelle, km 13, 4
Deutsch Wagram, Bahnhof, km 18,2
Der vorzüglich renovierte Bahnhof von Deutsch-Wagram, leider tw. nicht mehr für Fahrgäste zugänglich. Das unter Denkmalschutz stehende Aufnahmsgebäude wurde 1852 errichtet und zehn Jahre später umgebaut. Eine Fassadenrekonstruktion fand in den 1980er Jahren statt. Hier fand im Jahr 2012 eine große Festivität zum Jubiläum „175 Jahre Eisenbahn für Österreich“ statt. Das Foto unten zeigt die Einfahrt des Dampfsonderzuges aus Wien Floridsdorf. An diesem Tag wurde dann im Ortszentrum weitergefeiert unter dem Motto „Eisenbahn und Spargel“





Helmahof, Haltestelle, km 20,8

Strasshof, Haltestelle, vormals Bf, km 23,6
Strasshof wurde in den letzten Jahren massiv zurückgebaut und das alte einfach Bahnhofsgebäude durch ein modernes S-Bahn Gebäude ersetzt. Das Gebäude wurde über einer Straßenunterführung errichtet. Obwohl zahlreich Gleise entfernt wurden, kann man immer noch die Ausmaße dieses einst riesigen Güterbahnhofs (Ausbau vor allem in der Zeit der Deutschen Reichsbahn 1938-45) erahnen. Das dazugehörige ebenfalls riesige Heizhaus beherbergt heute eines der größten Eisenbahnmuseen Österreichs. Der Eingang dazu befindet sich aber nächst der Haltestelle Silberwald.


Silberwald, Haltestelle, km 27,1 (hier aussteigen zum Eisenbahnmuseum Heizhaus Strasshof)


Gänserndorf, Bahnhof, km 31,3
Die Stadt Gänserndorf mit ca. 11.500 Einwohner ist Bezirkshauptort des gleichnamigen Bezirks, Autokennzeichen GF. Das Aufnahmsgebäude hat stattliche Ausmaße und zeugt auch von der Bedeutung Gänserndorfs als Bahnknoten. Hier zweigen nämlich von der Nordbahn nach Westen die Lokalbahn Gänserndorf-Mistelbach (heute geführt von Gänserndorf über Großschweinbarth nach Obersdorf an der Laaer Ostbahn) und nach Osten die Lokalbahn nach Marchegg an der internationalen Bahnstrecke nach Preßburg (Bratislava) ab. Letztere soll demnächst zur Hochleistungsstrecke ausgebaut werden. Gänserndorf ist auch Endpunkt der Wiener S-Bahn Linie 1.






Weikendorf-Dörfles, Haltestelle, km 33,5

Tallesbrunn, Haltestelle, km 36,2

Angern, Bahnhof, km 39,8
Ein mächtiges Aufnahmsgebäude im Bahnhof Angern an der March. Das obere Foto entstand im August 2012, das untere im August 2018. Oben war man gerade daran, den Hausbahnsteig mit Gitter zu versehen, ein Mittelbahnsteig wurde errichtet. Von Angern kann man mit einer kleinen Fähre über die March übersetzen und danach vom Bahnhof der Gemeinde Zahorska Ves mit einem kleinen Schienenbus Richtung Zohor und weiter nach Devinska Nova Ves reisen. Dort Anschluss an den REX nach Wien über Marchegg.



Stillfried, Haltestelle, km 43,4



Dürnkrut, Bahnhof, km 50,2

Jedenspeigen, Haltestelle, km 53,3

Sierndorf an der March, Haltestelle, km 55,2

Drösing, Bahnhof, km 58,5
Auch Drösing hat ein mächtiges Aufnahmsgebäude, das denen in Angern, Dürnstein und Hohenau ähnelt. Drösing ist noch mit einem Fahrdienstleiter besetzt, gilt es doch, einmal pro Tag auch den Verschub nach Zistersdorf zu organisieren. Der Fahrdienstleiter verwaltet – wegen Vandalismus – auch die WC-Schlüssel. Auch hier wird der Hausbahnsteig nicht mehr für den Personenverkehr genutzt, man muss den Mittelbahnsteig aufsuchen.









Hohenau, Bahnhof, km 64,9



Rabensburg, Haltestelle, km 71,0

Bernhardsthal, Haltestelle, km 75,2


Lundenburg, heute Breclav, Bahnhof, km 83,2; 162,273 m.ü.d.M






Betrieb auf der Nordbahn
Der Fernverkehr mit Railjet und Eurocity macht keine Stadtrundfahrt in Wien über die S-Bahn Stammstrecke sondern fährt vom Hauptbahnhof über Simmering und die Stadlauerbrücke direkt nach Norden und mündet im Bereich Süssenbrunn in die Nordbahn ein. Die Fahrzeit der Fernverkehrszüge Wien Hbf – Lundenburg (Breclav) beträgt 54 Minuten, der private Anbieter RegioJet aus Tschechien benötigt 1 Stunde 6 Minuten, hält dafür auch in Simmering. Tw. fahren stündlich Fernverkehrszüge, dann ist wieder eine 2-stündige Lücke. Das ist verbesserungswürdig.
Die Regionalzüge über die S-Bahn Stammstrecke benötigen vom Wiener Hbf bis Breclav 1 Stunde 29 Minuten. Diese R Wiesel-Dostos enden meist in Bernhardsthal, manche fahren bis Lundenburg.
Die S-Bahn Linie S1 endet in Gänserndorf und fährt wochentags im Halbstundentakt.
Obwohl die Nordbahn von kurz nach Wien Leopoldau bis nach Bernhardsthal mit ETCS Level 2 ausgestattet ist, wurde erst Ende 2013 der Abschnitt Drösing – Stillfried für 140 km/h freigegeben, in der Gegenrichtung darf weiter nur max. 120 km/h gefahren werden. Eine durchgehende Befahrung mit max. 160 km/h ist in Planung – das ist allerdings doch ein Blamage, auf einer schnurgeraden ebenen internationalen Strecke so langsam dahinzufahren, da hat man wohl jahrelang geschlafen, denn hier sollte schon längst 200 km/h möglich sein.
Links
Zu unserem Video-Kanal
https://www.youtube.com/@Railways-Ropeways-of-Europe
DEEF: 175 Jahre Eisenbahn Wien – Deutsch Wagram >>>
DEEF: Lokalbahn Gänserndorf – Marchegg >>>
DEEF: Lokalbahn Gänserndorf – Mistelbach (Weinviertelbahn) >>>
DEEF: Zayatalbahn Hohenau – Mistelbach >>>
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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF
Erstmals Online publiziert: / page first published 3. August 2018; Seiten-Relaunch 25.6.2025; Letzte Ergänzung / page last modified 25.6.2025