200 Jahre Kohle-Bergbau im Hausruck – Dokumentation der Relikte # Teil 1 – Kohlgrube, Zentrum des Ostreviers
Kohlgrube, die Bergwerkskolonie in der Gemeinde Wolfsegg am Hausruck, kann als Nukleus des Braunkohlebergbaus im Hausruck betrachtet werden, sind doch hier schon seit 1776 Abbautätigkeiten belegt. Über 1.000 Einwohner gab es einst in Kohlgrube, die meisten direkt oder indirekt im Bergbau beschäftigt. Nach der Auskohlung des Ostreviers wurde der Abbau in Kohlgrube 1964 beendet. Heute finden sich zahlreiche Neubauten, schmucke Einfamilienhäuser, neben den traditionellen Mehrparteienwohnhäusern der WTK, welche nach dem Ende des Bergbaus von Privat zu erwerben waren und vorwiegend an ehemalige Kumpel gingen. Kohlgrube hat (2021) 141 Einwohner.
Auch wenn viele Stollen verschüttet und Mundlöcher zugewachsen sind, so kann man doch noch einige Zeugnisse des Bergbaus finden. Leider scheint sich die öffentliche Hand (Gemeinde, Land OÖ, Denkmalamt, Tourismus) nicht sonderlich um die Erhaltung und Vermarktung der Relikte zu kümmern und so kann man von Glück reden, wenn man freundliche und auskunftsfreudige Einheimische trifft, die einem wichtige Hinweise zu den Örtlichkeiten und zur Geschichte damals geben. So traf auch ich einen Musikanten der Bergknappenmusi, der in seiner Freizeit beim Musikantenheim Rasen mähte und Unkraut beseitigte und mir bereitwillig Auskunft erteilte.
Einstiges Betriebsgeschehen
Rund um die in einer Senke gelegene Bergwerkskolonie Kohlgrube gab es zahlreiche Stollen, in denen die Braunkohle abgebaut und auf 2 Kohlebahnen mit Spurweite 580 mm abtransportiert wurden. Der erste Stollen (Barbara-Stollen) wurde 1794 angeschlagen. Der Transport erfolgte zum Brecher Kohlgrube (von den Kohlebahnen mittels Materialseilbahn), wo die Kohle gebrochen (zerkleinert) und sortiert wurde, um dann auf der Kohlebahn mit Spurweite 1.106 mm (wie Pferdeeisenbahn) über Wufing (Tunnel) nach Breitenschützing zu gelangen, wo sie u.a. auf die Kaiserin-Elisabeth-Bahn (heute Westbahnstrecke) umgeladen wurde.
Zusätzlich zur lokal abgebauten Kohle erfolgte durch den Kaiser Franz-Josef Jubiläums-Stollen (“Eiserner Stollen”, erbaut 1880-1884)) der Antransport von den Gruben in der Gemeinde Geboltskirchen bei Roßwald, Scheiben, Gschwend und Arming zum Brecher Kohlgrube.
Relikte heute
Der Brecher
Eindruckvollstes Relikt dieser Region – wenn nicht des gesamten Hausrucker Abbaugebiets – ist der ehemalige Brecher Kohlgrube. Mehrere Brände in den 1960er Jahren verliehen ihm sein heutiges Aussehen, ein Beton-Stahl-Skelett, das einsam und verlassen in einer Lichtung im Wald steht. Wie man mir vor Ort sagte, sollte die Ruine einst gesprengt werden, glücklicherweise für die Nachwelt erwies sich der Brecher als so zäh, dass man die Versuche dann aufgab. Erinnert mich an Prora auf Rügen, wo man glücklicherweise ebensolche Probleme mit den Bauten der NS-Vergangenheit hatte. Aber Geschichte soll erlebbar bleiben und nicht weggesprengt werden!
Nachdem das Kulturgut Brecher Kohlgrube an Privat veräußert wurde (hinterfragenswert?), gab es bis vor wenigen Jahren eine zeitlang gut besuchte Kulturveranstaltungen, für die der Brecher als imposante Kulisse diente. Aktuell ist das Areal eingezäunt (mit Lücken), die Öffentlichkeit also de facto ausgesperrt und der Brecher dient – wie mir Einheimische erzählten – nur mehr als Eventlocation im kleinen, exklusiven Stil für Gäste des privaten Eigentümers. Schade eigentlich, denn so ein Monument der regionalen Geschichte und Identität sollte eigentlich einer breiteren Öffentlichkeit offen stehen. Aber vielleicht kommt das ja wieder einmal!
Bahnen und Stollen
Anm.: Die Kohlebahn Breitenschützing – Kohlgrube wird an anderer Stelle dokumentiert.
Denkmäler
Sonstiges
Von den Relikten des “Eisernen Stollens” im Wald oberhalb Kohlgrube machte ich eine kleine Wanderung durch den Hausruckwald über den Höhenweg hinüber nach Wolfsegg. An der höchsten Stelle lädt das Jägerbild (zur Erinnerung an den Oberförster Anton Lintner) zur Rast und Kontemplation ein.
Anreise/Rückreise mit Öffis
Die Anreise nach Kohlgrub erfolgte mit dem Postbus Linie 712 ab Bahnhof Vöcklabruck, welche ca. alle 1 bis 2 Stunden (werktags) verkehrt.
Die Rückreise erfolgte von Wolfsegg am Hausruck Marktplatz wieder mit der Linie 712 bis zum Bahnhof Ottnang-Wolfsegg der Hausruckbahn und von dort mit dem Triebwagen nach Attnang-Puchheim (werktags auch alle 1-2 Stunden).
Anregung
Als dringendsten Wunsch möchte ich deponieren an die Verantwortlichen (Gemeinde, xx?): Ein Übersichtsplan über die Sehenswürdigkeiten (Relikte) des Bergbaus wäre unbedingt notwendig (vor Ort und im Internet)!
Links
DEEF-Doku 200 Jahre Kohle-Bergbau im Hausruck – Dokumentation der Relikte # Gesamt-Überblick mit Links zu den einzelnen Beiträgen >>>
DEEF Kategorie Bergbau/Industrie >>>
Seite der Gemeinde Wolfsegg am Hausruck >>>
Literatur
Christopher Andreas, 1988: Kohlebahnen im Hausruck. Bahn im Bild, Band 64. Verlag Pospischil Wien.
Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum.
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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF
Erstmals Online publiziert: 4. Juli 2021; Letzte Ergänzung: 1.8.2021