A: Salzburg, die Obus-Hauptstadt Europas
Prolog
Wenn es um den Verkehr geht dann ist man in Salzburg richtig – allerdings nicht, um dort best practices studieren zu können sondern um zu sehen, wie es nicht geht. Die zuletzt auch noch zur “Stauhauptstadt Österreichs” gekürte Stadt versinkt dank inkompetenter und unwilliger Politiker, intransparenter Strukturen im Beziehungsgeflecht Politik, Betreiber und Verkehrsverbund sowie generell jahrelangem Stillstand bei den zuständigen Mobilitäts- und Verkehrsverantwortlichen immer mehr im totalen Chaos. Es stinkt, staut und lärmt in dieser eigentlich sonst so schönen Stadt, Touristen wie Einheimischen wird immer weniger Lebensqualität zuteil. Ein Jammer wenn man das so verfolgt!
Allgemeines, Kennzahlen
Die Hauptlast des innerstädtischen Nahverkehrs in Salzburg trägt der Obus, auch Trolleybus oder Oberleitungsbus genannt. Der Obus löste mitten im 2. Weltkrieg im Jahr 1940 (1.10.) die Salzburger Tramway (Straßenbahn) ab, die erste Linie war die Linie M vom Zentrum nach Maxglan. Betreiber des Obus ist der Salzburger Energiekonzern Salzburg AG, wobei die Obusflotte aus ca. 114 Fahrzeugen (niederflurige Gelenkobusse) besteht, die auf insgesamt 12 Linien und einer Streckenlänge von 125 km 165 Haltestellen bedienen. Die Betriebsspannung aus der Oberleitung beträgt 600 Volt Gleichstrom, 16 Unterwerke sorgen für die Bereitstellung des Stroms. Ca. 41,5 Mio Fahrgäste werden pro Jahr mit dem Obus transportiert.
Die Linien
Es werden 12 Linien betrieben, davon sind 2 Linien zeitlich nur sehr eingeschränkt im Angebot (Verstärkerlinien). Es sind dies:
Linie Fahrtstrecke (Bezeichnung bis 2003/bis 1986/bis 1972)
1 Kleßheim Kavalierhaus – Salzburg Arena (Linie 1/ Linie 1/ Linie M )
2 Walserfeld Schule – Obergnigl (Linie 2/ Linie 2/ Linie L)
3 Salzburg Süd S-Bahn – Landstraße Salzburg Nord(Linie 51/ Linie 3/ Linie D)
4 Mayrwies Daxluegstraße – Forellenwegsiedlung (Linie 29/ Linie 4/ Linie A)
5 Salzburg Hbf – Birkensiedlung – Grödig St. Leonhard Untersbergseilbahn (Linie 5/ Linie 5/ Linie F)
6 Parsch Ludwig Schmederer Platz – Itzling West (Linie 6/ Linie 6/ –)
7 Salzburg Süd S-Bahn – Salzachsee (Linie 49/ Linie 7/ –)
8 Messe / Bessarabierstraße – Salzburg Süd (Linie 95 (A)/ –/ –)
9 Europark – Justizgebäude ( – Kommunalfriedhof (nur HVZ)) (-/ –/ –)
10 Sam Lankessiedlung – Himmelreich Outletcenter (Walserfeld) (–/ –/ –)
12 Josefiau – Europark via Sterneckstraße (–/ –/ –); Verstärkerlinie morgens und nachmittags
14 Polizeidirektion – Forellenwegsiedlung via Hbf (Verstärkerlinie, nur in der morgendlichen Hauptverkehrszeit und nur an Schultagen)
Die Geschichte des Obus in Salzburg ist geprägt von mehreren Betreiberwechseln bzw. Namensänderungen sowie von mehreren Umänderungen in den Linienbezeichnungen, was nicht unbedingt auf eine professionelle und langfristige Planung schließen lässt.
Die Betreiber
1940-1950 Städtische Verkehrsbetriebe Salzburg (Eigentürmer Stadt Salzburg), 1948 Integration der privaten SETG (Salzburger Eisenbahn- und Tramwaygesellschaft), welche u.a. für den Betrieb der elektrischen Lokalbahn (Nord- und Südast) verantwortlich war.
1950 Integration der Städtischen Verkehrsbetriebe mit den Städtischen Elektrizitätswerken zu den Salzburger Stadtwerken. In diesem Jahr wurde auch der städtische Autobusbetrieb aufgenommen. Die Bezeichnung der Verkehrssparte lautete “Salzburger Stadtwerke – Verkehrsbetriebe, kurz SStW–VB – ab 1972 dann in der Kurzform Salzburger Verkehrsbetriebe, abgek. SVB.
Im Jahr 2000 schlossen sich der städtische Energieanbieter Salzburger Stadtwerke (parteipolitisch rot gefärbt) mit dem größeren Landesenergieversorger SAFE (schwarz eingefärbt) zur Salzburg AG zusammen. Der neue Teilbetrieb Salzburger Lokalbahn war fortan für die Lokalbahnstrecken und der ebenfalls neue Teilbetrieb StadtBus Salzburg für den kommunalen Oberleitungsbus- und Autobusverkehr zuständig.
2005 übernahm das traditionsreiche Salzburger Autobusunternehmen ALBUS, zuvor schon vom Wiener Unternehmen Dr. Richard geschluckt, die Autobuslinien von der Salzburg AG (diese hält 49% der Beteiligung an ALBUS). Der Obus wurde nun als “StadtBus” bezeichnet.
2012 erneute Namensänderung, die Verkehrsparte firmiert seither einheitlich unter Salzburger Lokalbahnen, der Obus wird als ObusSLB bezeichnet. Jedoch wurde nach nur vier Jahren das Logo wieder erneuert. Seit Mitte 2016 verkehren die Obusse nun mit dem Logo OBUS/Salzburg AG.
Die Fahrzeuge
114 niederflurige Gelenkobusse sind aktuell im Bestand. Diese setzen sich aus den Marken Gräf & Stift / MAN (Anmerkung: Im Juli 2021 alle ausgeschieden)), Van Hool AG 300 T, Solaris Trollino 18, Solaris Trollino 18 “Metrostyle” sowie 15 2019/2020 gelieferten Hess lighTram BGT-N1D zusammen. Bei Kapazitätsengpässen – wie bedingt durch Managementfehler massiv im 2. Halbjahr 2018 bemerkbar – kann auf einige Nostalgiefahrzeuge des Vereins “Pro Obus” zurückgegriffen werden.
Die zuletzt gelieferten 15 Fahrzeuge des Schweizer Traditionsunternehmen Hess (Carrosserie Hess AG), ursprünglich für 2018 avisiert, dann 2019/2020 geliefert, besitzen leistungsstarke Akkus, die es ermöglichen, auf der Linie 5 die Strecke von der Birkensiedlung bis zur Untersbergseilbahn ohne Oberleitung und ohne zwischenzeitliche Aufladung zurückzulegen.
Der Rahmenvertrag mit Hess umfasst weitere 35 Fahrzeuge, darunter auch 24,7 Meter lange Doppelgelenk-O-Busse des Typs lighTram. Es wäre wirklich an der Zeit, dass in Salzburg das Zeitalter des Doppelgelenkobus (wie in Linz) anbricht!
Doppelgelenker
Bereits zweimal waren Doppelgelenkobusse zu Testzwecken in Salzburg, zuerst 2012 ein HESS aus Zürich und 2017 ein HESS aus Luzern. Die Tests verliefen sehr positiv, Lenker, Fahrgäste und Betreiber wünschen sich die Einführung, vor allem auf der Linie 3 würden sie eine dringend benötigte Entlastung bieten. Doch obwohl 2x getestet und für gut befunden, bestellt wurde bis dato kein einziges Exemplar, da die Politik wie immer in Salzburg zaudert und zögert – ein Zeichen, dass hier auch dringend Strukturen und Verantwortlichkeiten geändert gehören. Dass es auch anders geht zeigt sich beim zweiten österreichischen Obusbetrieb Österreichs in Linz: Dort wurde ein Van Hool Doppelgelenker einmal getestet und dann 20 Stück bestellt, die Auslieferung wird 2019 abgeschlossen sein. Und in Salzburg wird wiederum nur geredet statt gehandelt 🙁
Ausbaumaßnahmen
Die Netzerweiterungen in den letzten Jahren beim Salzburger Obus- und auch Autobusnetz sind sehr überschaubar, von einer immer wieder beschworenen Öffi-Offensive ist hier nichts zu merken. Die Politik agiert keinesfalls wie es wünschenswert wäre proaktiv, nein sie reagiert immer nur deutlich zeitversetzt wenn der Unmut der Fahrgäste oder überhaupt der Bevölkerung zu groß wird oder die Medien ganzseitig über die Verfehlungen der Salzburger Verkehrspolitik berichten.
Nach der erfolgreichen Verlängerung der Linie 5 nach Grödig/St. Leonhard zur Untersbergseilbahn wäre es an der Zeit, die schon Jahre oder gar jahrzehntelang gehegten Planungen zu Verlängerungen in die Umlandgemeinden, in den Salzburger Speckgürtel hinaus, endlich umzusetzen. Bspw. nach Eugendorf, nach Freilassing, nach Elsbethen oder nach Fürstenbrunn. Hier sollte man endlich mal den Schritt vom Reden zum Handeln wagen!
Die Remise
Die Remise des Obus (Zentralgarage) befindet sich in der Alpenstraße. Es gab konkrete Planungen, die Remise (das Depot) im Raum der Autobahnabfahrt Salzburg Mitte am ehemaligen Gelände der Asfinag zu errichten. Sogar ein Architektenwettbewerb hatte bereits stattgefunden, die Siegerprojekte wurden ausgezeichnet. Allerdings in Salzburg ist eines fix, nämlich dass “Nix fix is”. Kurzerhand – angeblich aus Kostengründen – wurde die neue Garage wieder abgesagt – wiederum ein nicht gerade professionelles Vorgehen des Managements.
Der Verein “Pro Obus”
Dieser recht rührige Verein betreibt einige Nostalgie-Obusse, die vor allem im Sommer als “Museumsobus” auf ausgewählten Routen zum Einsatz kommen und mit den normalen Fahrkarten benützt werden können. Einige Fahrzeuge befinden sich in Aufarbeitung, darunter ein Henschel Gelenkobus HS 160 (ex Kapfenberg) – mit diesem Modell bin ich in der Jugend oftmals gefahren, als wir kurzzeitig in Itzling wohnten. Der Oldtimer selbst kommt vom ehem. Obusbetrieb in Kapfenberg. Die Nostalgiefahrzeuge können auch für Rundfahrten und Feierlichkeiten exklusiv gebucht werden. Bedauerlich ist, dass die SVB/Salzburg AG in der Vergangenheit keinerlei Fahrzeuge einem Nostalgiepool zuführte sondern immer alle Fahrzeuge verschrottet bzw. verscherbelt wurden.
Undank ist der Welten Lohn: Obwohl die Oldtimer von Pro Obus Salzburg das Management der Salzburg AG vor noch größerer Blamage durch Unterstützungsleistungen bewahrt hat, wird der Verein und das historische Erbe des Salzburger Verkehrs nun delogiert – siehe Wertvolle Exponate in Gefahr >>>
Mißstände im Umfeld des Salzburger Obus
Dass es generell in der Salzburger Verkehrspolitik nicht rund lief und läuft ist evident. Dazu eskalierte offenbar im Jahr 2018 die Lage beim Betreiber Salzburg AG. Insider-Berichte über Grabenkämpfe im Unternehmen, zunehmende Diskrepanzen zwischen Vorstandschaft und Mitarbeitern, suboptimal gestaltete Dienstpläne, massenhaft Überstunden für das Fahrpersonal weil zuwenig Personal vorhanden ist verbunden mit Burn Out und zahlreichen Herzinfarkten, mangels regelmäßiger Wartung abgestellte und nicht mehr fahrtaugliche Obusse, nicht getätigte Obus-Beschaffungen etc. drangen 2018 unüberhörbar an die Öffentlichkeit, die “Kronenzeitung” berichtete wochenlang täglich über neue “Skandale” und rüttelte damit die letzten Hinterbänkler in Politik, Aufsichtsrat und Vorstandschaft wach. Bis auf weiteres sind allerdings auf der noch vor nicht allzu langer Zeit zur Obuslinie umgebauten Linie 9 Diesel- bzw. Erdgasbusse quasi im SEV unter dem umweltfreundlichen Fahrdraht unterwegs, eine Blamage sondergleichen! Zumindest 15 Obusse wurden daraufhin bestellt und eine rasche Aufarbeitung der abgestellten Fahrzeuge versprochen. Allerdings kann das nur als Notmaßnahme verstanden werden, denn offensichtlich existieren hier keine optimalen Strukturen, die non-profit-Verkehrssparte wird offenkundig beim Betreiberunternehmen nur als lästiges Anhängsel an die Cashcows Energie und Telekommunikation gesehen, die obendrein den Managern noch die Bonuszahlungen schmälern.
Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben, die Strukturen gehören geändert – Investitionen in den Öffentlichen Verkehr dürfen nicht länger als lästige Verpflichtung wahrgenommen werden und keinesfalls mit Bonuszahlungen an Manager des Betreibers in Verbindung gebracht werden. Vielleicht hilft ja die Ausgliederung des Verkehrssektors in eine eigene unabhängige Unternehmung, die mit einem fixen Budget ausgestattet im Sinne der Fahrgäste agieren kann!
Einige Fotos vom Salzburger Obus
Der Obus in Österreich
In Österreich gibt es 2 Städte, die zumindest einen Teil des Öffentlichen Verkehrs mit Obussen bestreiten: Neben dem eben beschriebenen Obusbetrieb in Salzburg gibt es mit Linz noch einen zweiten, wenngleich deutlich kleineren aktiven Obusbetrieb in Österreich. In der Vergangenheit gab es Obusbetriebe in Österreich u.a. in Innsbruck, Kapfenberg/Bruck an der Mur sowie in Klagenfurt.
Links:
Betreiber des Obus Salzburg AG >>> (hier wäre eine eigene URL bspw. “www.obus.at” empfehlenswert)
Verein Pro Obus Salzburg >>>
DEEF Beiträge:
A: Elektromobilität in Salzburg: Obus, S-Bahn, Lokalbahn, Stadtbahn >>>
A: Auftaktveranstaltung “75 Jahre Obus in Salzburg” >>>
A: Qualitätsdefizite geortet – gebt dem Salzburger Obus mehr Geld! >>>
SLB Obus Salzburg – Rückblick Eröffnung Linie 12 im Dezember 2012 >>>
Salzburg: Erfolgreiche Österreich-Premiere lighTram 3 (Doppelgelenk-Obus) >>>
Pro Obus – Wertvolle Exponate in Gefahr >>>
DEEF-Kategorie Obus in Europa >>>
Alle Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum
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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF
Erstmals Online publiziert: 12. Dezember 2018; Letzte Ergänzung: Relaunch 14.8.2021