ÖBB ÖPNV Corona

Der Öffentliche Verkehr in Zeiten einer Pandemie

Piktogramm in Corona-Zeiten im Salzburger Obus. Aber es stellt sich natürlich die Frage: Gilt diese Vorschrift nur beim Betreten des Fahrzeuges wie angeführt oder muss man den Maulkorb auch während der Fahrt aufbehalten?? Die Frage ist relevant, da ja in der Gastro die Auslegung genauso wie eben angeführt galt, nämlich nur beim Betreten

Und das Verhalten der ÖBB in diesem Kontext

Das “Corona-Virus” hat Österreich und auch Europa und die sonstige Welt seit einem halben Jahr fest im Griff. Ob nun die Maßnahmen, die von den Regierenden in diesem Zusammenhang gesetzt wurden, angemessen und zielführend sind und waren – vor allem unter Bedachtnahme, dass die Wirtschaft “an die Wand gefahren wird und wurde” – das steht hier nicht zur Diskussion. Auch wenn ich selbst der Ansicht bin –  wie auch immer mehr nationale und internationele Experten – dass hier im Zusammenhang mit dieser “Chinesischen Grippe” das Kinde mit dem Bad ausgeschüttet wurde und die Kollateralschäden der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus (Stichwort “Lockdown” in Verbindung mit einem rechtlichen Tohuwabohu) in Summe noch weit negativer sind als das Virus selbst,  so möchte ich mich hier auf den Öffentlichen Verkehr beschränken.


Der ÖV und da vor allem der Schienenverkehr schien vor Beginn dieser “Corona-Krise” stark im Aufschwung zu sein, die Fahrgastzahlen stiegen, von neuen Projekten zum Ausbau des ÖV war in den Medien immer öfter zu lesen und die neue grüne Verkehrsministerin verkündete glaubhaft, dass sie es sein wird, die endlich nach jahrzehntelangen Misserfolgen ein “Österreichticket” (genannt 1-2-3 Ticket) für alle Öffis in Österreich einführen wird.

Doch nach Verhängen des “Lockdown” (ein unverfänglicher klingender Anglizismus für Geschäftsschließungen und de facto Ausgangssperren) sowie den nachfolgenden “Lockerungsmaßnahmen” sieht nun im Sommer 2020 die Verkehrs- und Mobilitätsszenerie ganz anders aus – die Fahrgastzahlen der Öffis sind in den Keller gestürzt und sie erholen sich nur äußerst zögerlich.


Das hat wohl folgende Gründe:

Während des “Lockdown” mit seinen massiven Beschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte war es nur aus wenigen Gründen gestattet, seine Wohnung, sein Haus zu verlassen und sich im Öffentlichen Raum aufzuhalten. Ein Grund war das Spazierengehen und dazu durfte man auch an einen anderen Ort fahren. Allerdings NICHT mit den Öffis. Daraus folgt: Die Öffi-Nutzer wurden im Vergleich zu den Nutzern des Individualverkehrs (Auto, Motorrad, Fahrrad) diskriminiert! Die Nutzung von Öffis war de facto nur zu beruflichen Zwecken gestattet.

Maskenpflicht: Obwohl bis dato kein einziger “Corona-Cluster” auf ein Öffentliches Verkehrsmittel zurückzuführen ist, nötigt man die Fahrgäste, einen MNS während der gesamten Fahrt zu tragen. Und das auch dann, wenn bspw. der Sicherheitsabstand von 1 m gewahrt werden kann. Selbst wenn man annehmen würde, ein MNS würde das Corona-Virus abschirmen, so ist es nicht begründbar, warum in einem Fernverkehrszug, wo bspw. im Mai, Juni in der 1. Klasse des Railjets so gut wie keine Fahrgäste anzutreffen waren, ein MNS zu tragen ist. In einer dicht bevölkerten U-Bahn wäre das zumindest vom Hausverstand her ja noch zu verstehen, aber in halbleeren Waggons, wo zum nächsten Fahrgast mehrere Meter Distanz gegeben sind, wohl schon weniger.

Nochmals im Obus – Nur beim Betreten? Und gibt es dann eine Strafe oder eine Gebühr bei Verstoss dagegen? Ist das überhaupt rechtens??

Dh. die Fahrgastzahlen erholen sich auch deswegen nicht, weil sich Fahrgäste nicht stundenlang einen “Maulkorb” umhängen lassen wollen. Und seit Anfang August gibt es nun bei einigen Verkehrsunternehmen auch noch Strafen, wenn man keinen MNS trägt. Wobei es interessant wäre zu erfahren, ob es sich dabei um eine Strafe oder um eine Gebühr handelt?! Die Strafe/Gebühr ist obendrein unterschiedlich, von 25 Euro wenn von der Polizei ausgestellt, bspw. 40 Euro, wenn das von den ÖBB erfolgt.

Auch im August 2020 ist immer noch die vordere Tür beim Obus in Salzburg versperrt – beim Postbus schon seit Wochen nicht mehr
Auch im Innenraum ist der Zugang zum Fahrer beim Obus blockiert, im Autobus hingegen nicht. Verhält sich das Virus unterschiedlich im Autobus oder Obus??

Und nachdem der Oberste Gerichtshof in Österreich zahlreiche angeordnete Maßnahmen der Regierung für verfassungswidrig erkannt hat ist es mehr als fraglich, ob diese Maßnahme bei den Öffis verfassungskonform sind oder ob es sich um eine weitere Schikane handelt.

Andererseits wurden durch die verantwortungslose Panikmache der Regierung am Beginn der Epedemie/Pandemie (es wird hunderttausende Tote in Österreich geben, BK Kurz) viele Menschen total verschreckt und aus Angst vor einer Ansteckung fordern sie die Verkehrsunternehmen auf, härter gegen “MNS-Sünder” vorzugehen. Dabei feiern Vernaderung und Denunziantentum in Österreich fröhliche Urstände!


Und was machen die ÖBB mit ihren Stamm- und Premiumkunden?

Nach Verhängung des “Lockdown”, damals auch verbunden mit Verkehrseinschränkungen, fragte ich bei den ÖBB an, ob es eine Möglichkeit gibt, die Österreichcard, für die ich immer 3.000 Euro per anno zahle, für die Dauer des Lockdown ruhend zu stellen oder ob bspw. die Gültigkeit der Karte verlängert werden kann. Die ÖBB antworteten – wie üblich in Textbausteinmanier – dass hier gar nichts angedacht sei, da ja der Betrieb aufrecht erhalten wird und zweitens die Züge vermehrt gereinigt und desinfiziert werden.

Visuell und akustisch via Lautsprecher ist Corona bei den ÖBB topaktuell, man wird damit malträtiert und Entspannung fällt schwer

Nachdem der Unmut der Stammkunden darüber lauter wurde und zahlreiche Kunden ihre Österreichcard stornierten, bekam man einen nichtübertragbaren Gutschein mit max. 100 Euro für die Nutzung im Nightjet per Post zugestellt. Ansonsten keinerlei Kommunikation mit den Stammkunden, bspw. um sich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Kundenkommunikation nicht genügend!

Generell hat man den Eindruck, die ÖBB wollen unter dem Deckmäntelchen von Corona bei der zahlenden Kundschaft einsparen – folgende Minderleistungen sind anzuführen:

  • Es gibt keine Zeitungen im Zug (die Westbahn bietet schon seit einigen Wochen wieder Zeitungen an)
  • Es gibt kein Service am Platz, da nur 1 Mitarbeiter von DONs anwesend ist. Das Businessgetränk muss man sich selbst abholen
  • Das Speisen- und Getränkeangebot ist sehr eingeschränkt, es gibt weder Teller noch Gläser, nur Pappe
  • In der Lounge gibt es keine Zeitungen (obwohl von Zeitungen keine Ansteckungsgefahr ausgeht und Zeitungen bspw. auch im Kaffeehaus aufliegen)
  • Nachdem man die Lounges unnotwendigerweise schon bei der ersten Gelegenheit dich gemacht hat (Begründung: Wegen der Gastronomieregel), es jetzt bei der Gastro keine Einschränkungen mehr betreffend MNS gibt und auch kaum wegen dem Platzangebot, versucht man nun, die Lounge als “Verkehrsmittel” darzustellen und in der Lounge in Salzburg wurden Gäste von einer MA angeschnautzt, dass beim Betreten und in der Lounge außer beim Sitzen Maskenpflicht herrsche. Gesetzliche Grundlage gibt es wohl keine dafür und Blockwartgehabe sollte in der heutigen Zeit keinen Platz mehr haben!
  • Das Angebot in der Lounge ist beschämend! Keine Kipferl – die es auch abgepackt gäbe – in der Früh, kein Linzerstangerl mehr, nur mehr Soletti, Apfelringe und Mannerschnitten – wenn man Glück hat, es waren auch schon mal alle! Snacks vergriffen
  • Nur mehr Bier, kein Wein mehr! Angeblich weil die Hygiene bei den großen Weinflaschen nicht gegeben ist. Aber: Es gibt doch auch Stifterl, die man sich nimmt und dann entsorgt. Gibt es im Speisewagen ja auch. Angeblich machte DONs diesen Vorschlag den ÖBB, diese lehten ab…

Summa summarum zahlt man als Stamm- und Premiumkunde den ÖBB monatlich einen ordentlichen Obulus, bekommt aber dafür nur eine verminderte Leistung. Wie nicht anders zu erwarten war steht der Kunde, der Fahrgast, bei den ÖBB NICHT im Mittelpunkt, man darf zahlen aber ansonsten wird man mehr oder minder nur mehr geduldet.

Regeln über Regeln anstatt einer sorglosen Reise – damit vertreibt man die letzten Fahrgäste!

Mit Einführung des 1-2-3 Tickets werden sicher weiter zahlreiche ÖBB-Stammkunden abwandern, allenfalls eine Aufzahlung für die 1. Klasse entrichten aber statt 3.000 Euro per Jahr – die Österreichcard 1. Klasse wurde übrigens in den letzten 6 Jahren um über 30!! Prozent teurer – muss man dann nur 1.095 berappen. Und das Abwandern wird nicht nur durch diese schwache Kundenkommunikation erleichtert sondern auch dadurch, dass es der “größte Mobilitätsanbieter des Landes” seit Jahren nicht schafft, ein Kundenbindungsprogramm wieder einzuführen, nachdem das alte im völligen Chaos versunken ist. Man braucht sich also nicht wundern…


Übrigens: Wie ging das bei der DB und den SBB vonstatten?

Wie mir berichtet wurde, haben bei Bahngesellschaften ihre Kunden angeschrieben und die aktuelle Lage bedauert und um Verständnis gebeten. Das gehört sich auch und ist im Zeitalter von E-Mail und Internet wohl kein Problem.

Und man kam den Stammkunden entgegen!

Die DB zeigen sich bei der Bahncard 100  großzügig und zwar mit einem Gutschein bis zu 1.000 Euro (Quelle Handelsblatt). Die Bahncard 1. Klasse kostet 6.685 Euro, dh. mit der Österreichcard um 3.000 Euro dürfte man sich also einen Gutschein von bis zu 500.- Euro erwarten und keinen mickrigen um bis zu 100 Euro und dann nur im Nightjet gültig!

Bei den SBB können Inhaber eines Generalabos (GA) völlig unkompliziert ihr GA über ein Kontaktformular auf der SBB-Webseite für 30 Tage kostenlos und unkompliziert unterbrechen und dann ihr GA an jeder bedienten Verkaufsstelle hinterlegen (Quelle Webseite SBB).


Literatur zu Corona und Vorgehen der Regierung in Österreich:

Sucharit Bhakdi und Karina Reiss, 2020: Corona Fehlalarm? Zahlen, Daten und Hintergründe. Goldegg Verlag Berlin.

Fleischhacker, Michael (Hrsg.), 2020: Corona. Chronologie einer Entgleisung. Addendum QVV Wien.


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Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum

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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF

Erstmals Online publiziert: 5. August 2020; Letzte Ergänzung: –