Die “Bockerlbahn” in Bürmoos (1882-2000)
Die “Bockerlbahn” – liebevoller Ausdruck der Einheimischen für ihre Feldbahn – war eine Torfbahn im nördlichen Salzburger Flachgau überwiegend in der Gemeinde Bürmoos situiert. Die Anfänge der Bahn reichen in das Jahr 1882 zurück, wobei anfangs die Loren noch mit Muskelkraft und dann folgend mit Pferdekraft bewegt wurden.
Die Spurweite betrug 600 mm, die Höchstgeschwindigkeit der Züge ca. 16km/h. Nach dem 2. Weltkrieg mit der Übernahme des Torfabbaus durch die Chemie Linz AG (Stickstoffwerke) und der Umstellung vom Handtorfstich auf das maschinelle Torffräsverfahren mit schlussendlich 60.000 Kubikmeter Abbau jährlich wurde auch die Torfbahn entsprechend ausgebaut.
Von den Torfverarbeitungsanlagen und dem Torflager in Zehmemoos, wo Anschluss an die 1896 errichtete Salzburger Lokalbahn bestand, führten 2 Streckenäste in die beiden Torfabbaugebiete, nämlich ins Weidmoos (Streckenlänge ca. 5 km bis Weidmoos Schutzhütte) sowie von diesem Streckenast abzweigend die Strecke ins Rodinger Moos (Streckenlänge ca. 2 km bis Rodinger Moos Schutzhütte). In den Abbaugebieten führten (oftmals wieder abgebaute und neu verlegte) Schienen in mehreren Strängen direkt zu den Torfhäufen, wo diese aufgeladen wurden.
Die Züge á 20 Loren á 3 Kubikmeter mit einem Gesamtgewicht von bis zu 90 Tonnen wurden dann in einer ca. 20-minütigen Fahrt vom Waidmoos von den Lokomotiven ins Torflager Zehmemoos gezogen, wo der Torf teilweise als Puffer zwischengelagert wurde, bis er u.a. auf die SLB weiterverladen wurde. Die größte Ausdehnung des gesamten Streckennetzes (Gleise im Bereich des Lagers Zehmemoos, die 2 Strecken ins Abbaugebiet plus die Gleisanlagen im Abbaugebiet selbst) betrug ca. 24 km.
Der Transport per Schiene im Moor hatte entscheidende Vorteile im Vergleich zum LKW, nämlich der bedeutend geringere Achsdruck und das war Voraussetzung beim weichen moorigen Untergrund.
Im Jahr 2000 wurde die Torfproduktion (seit 1991 von der Fa. Kwizda betrieben) eingestellt. Eine Privatinitiative versuchte, die Bockerlbahn als Industriedenkmal in Teilen zu erhalten und einen Besucherverkehr sowie ein Museum zu installieren.
Das (offenbar zu kostenintensiv dimensionierte) Projekt wurde offenbar in der Region nicht unterstützt – die installierte Webseite bockerlbahn.at mit vielen Fotos und einer Dokumentation ist seit 2008 nicht mehr vorhanden, die Anlagen vor Ort sind dem Vandalismus und dem Verfall preisgegeben.
Seit August 2017 werden vom Torferneuerungsverein Bürmoos selten aber doch Bockerlbahnfahrten angeboten – allerdings nur auf einem 400 m langen Rundkurs und nicht wie früher angedacht entlang der kilometerlangen Gleisstränge – und dient eher dem Gaudium der Kinder als dass ein authentischer Eindruck vom ehemaligen Torftransport vermittelt wird.
Zur Geschichte des Torfabbaus im Raum Bürmoos
Nutzbarmachung der Moore bereits unter den Erzbischöfen (erste planmässige Moorkultur im Schallmoos zwischen 1632 und 1644)
1852 In Bürmoos Entwässerung des nördlichen Teils des Moores von Bürmoos
1862 Bildung der Torfmoorverwertungsgesellschaft
1874 kaufte sich der böhmische Glasfabrikant Ignaz Glaser in Bürmoos ein, der Torfverbrauch steigert sich (Torf als Brennstoff für die Glashütte)
1893 errichtet Glaser die erste Torfstreufabrik Salzburgs
1896 errichtet Glaser die Ziegelei
1896 bessere verkehrstechnische Erschliessung der Gegend durch den Bau der SLB (Salzburger Lokalbahn)
1916 Tod Glasers
1921 Kauf der Zehme-Ziegelei (vormals Besitz von Dr. Eugen Zehme) durch den Bahnhofsvorstand von Lamprechtshausen, Josef Waha
1925 Konkurs, Übernahme und Bestand bis 1929, dann mutiert der einstig blühende Industrieort zum Armenhaus des Salzburger Flachgaus
1930 Die Glashütte wird geschlossen
1947 Engament der Stickstoffwerke (Chemie Línz), Personal 6 Angestellte, 2 Meister und 120 Arbeiter
Abbau anfangs ca. 10.000m3, in den 70er Jahren ca. 40.000m3 (1/3 aus Bürmoos, 2/3 aus Waidmoos); Schlussendlich betrug die Produktion ca. 60.000m3
1977 Die Ziegelei wird geschlossen
1992 Übernahme durch die Fa. Kwizda („Gartenhilfe“)
2000 Einstellung des Torfabbaus (nicht mehr konkurrenzfähig im Vgl. zum billigen russischen Torf, tw. Erschöpfung der Lagerstätte)
Zum genauen Datum der Einstellung wird folgendes überliefert:
Donnerstag 29. Juni 2000 um 11.30 letzter Torf von der bekränzten Bahn 23 im Rodinger Moor ins Torfwerk Zehmemoos gefahren (Andreaus 2002)
Mittwoch 28. Juni 2000 um 11.45 letzter Transport mit der Lok Ella aus dem Rodingerwinkel (Winkler / Lepperdinger)
Mittwoch 18. Oktober 2000 wurde der Betrieb endgültig eingestellt
Der ehemalige Fuhrpark (Lokomotiven und Wagen/Loren) der Bockerlbahn Bürmoos
Lokomotiven
Wagen
5 Personenloren, die für betriebsinterne Fahrten aber auch bei den sporadisch stattfindenden öffentlichen Ausflungsfahrten zum Einsatz kamen.
Güterwaggons: Ca. 150 Torfloren mit Holzaufbau sowie einige Spezialloren wie Flach- oder Kesselloren.
Weiters existierten auch Spezialfahrzeuge wie ein Schienenrasenmäher und eine unmotorisierte Schneefräse.
Die Maschinen für den Torfabbau (Torffräsverfahren 1958-1960 von den Stickstoffwerken entwickelt) wurden alle im Werk selbst entwickelt und teilweise auch dort gebaut.
Foto-Doku der 2009/2019 vorhandenen Relikte
Bei meinen Begehungen im Frühjahr 2009 sowie Winter 2010 bot sich mir ein deprimierender Anblick. Anders als im benachbarten Ainring, wo man sich für ein Miteinander von Natur (Renaturierung) und Technik (Dokumentation in einem Museum, mehrmals jährlicher Besucherverkehr) entschlossen hatte, fehlte in Bürmoos offensichtlich der Wille, die eigene Geschichte und Identität der Nachwelt auf adäquate Weise zu erhalten.
An dieser Stelle präsentiert DEEF eine kleine Fotodokumentation aus den Jahren 2009 (2 Exkursionen im April) und 2010 (1 Exkursion im Jänner) von den damals noch vorhandenen Relikten.
Bockerlbahn Bürmoos Foto-Doku Teil A: Torflager Zehmemoos
Bockerlbahn Bürmoos Foto-Doku Teil B: Strecke und Abbaugebiet Weidmoos
Bockerlbahn Bürmoos Foto-Doku Teil C: Strecke und Abbaugebiet Rodinger Moos
Fazit
DEEF findet es schade, daß in Bürmoos – im Gegensatz zum benachbarten bayrischen Ainring – der Industriekultur und der eigenen Geschichte (die schließlich über 100 Jahre lang einen Großteil der Menschen mit Arbeit und somit Brot versorgte) so wenig Bedeutung geschenkt wird. Es wäre bei ein bisschen guten Willen ein Miteinander von Natur und Industriekultur möglich gewesen. Das funktioniert im bayrischen Ainring bestens – zum einen wurden weite Teile des Moores renaturiert, aber es werden auch Ausflugsfahrten mit der Bockerlbahn angeboten. Auch wurde ein kleines Museum eingerichtet.
In Bürmoos werden leider keine Fahrten mehr mit dem Bockerl möglich sein, es wurde “tabual rasa” gemacht. Ein paar Schienenreste, die zuwachsen sowie ein paar kleine Gedenktafeln und eine Lok mit eine paar Loren bei der Schutzhütte Rodinger Moos sind die einzigen Überlebenden.
Dieser Beitrag von DEEF soll mithelfen, daß die Erinnerung an die Bockerlbahn in Bürmoos nicht ganz verloren geht.
Ergänzung: Spät aber doch gibt es nun sporadisch Fahrten auf einem kleinen Rundkurs bei der Schutzhütte Rodinger Moor. Will man regelmäßig mit einer Feldbahn fahren, so empfiehlt sich der Besuch des Salzburger Freilichtmuseums in Großgmain am Fuße des Untersbergs.
Literatur / Links
Andreaus, Adolf, 2002: Das Moor von Bürmoos, Vegetation, Aufbau und Geschichte. Diplomarbeit Universität Salzburg. (Kapitel 6 „Erschliessung und Abbau“, Seite 68 – 83)
Christopher, Andreas, 1991: Die Feldbahn. Band 2 Österreich. Verlag Zeunert, Gifhorn (Bockerlbahn Seite 59-64
Hohn, Manfred, 1987: Feldbahnen in Österreich. (Bockerlbahn Seite 48 bis 53)
Lepperdinger, Friedrich, 1975: Bürmoos. Eine Gemeindesoziologie in 2 Teilen. Teil 2: Die Industriegemeinde. (Seite 24 bis 26 „Das Stickstoffwerk“.)
Winkler, Kurt und Lepperdinger, Friedrich, 2007:Bürmoos. Eine Dokumentation mit Bildern und Text von 1829 bis 2007. (Torfstecher, Torfgewinnung mit zahlreichen Fotos besonders aus den 30er Jahren, Seiten 42 bis 60)
DEEF-Doku Beitrag “Torfbahn Ainring” >>>
DEEF-Doku “Feldbahnen als Gegenstand der Eisenbahnforschung” >>>
DEEF-Doku “Feldbahnen, Waldbahnen & Co.” (Auflistung aller Feld- und Waldbahnen in Österreich nach Hohn) >>>
Torferneuerungsverein Bürmoos (Info wenn Fahrten stattfinden) >>>
Museumseisenbahn im Salzburger Freilichtmuseum >>>
Einige Informationen (wie die Lokliste) wurden der ehem. Webseite bockerlbahn.at entnommen.
Alle Fotos DEEF/Dr. Michael Populorum (2009 Panasonic Lumix TZ 4, 2010 Nikon D90). Herzlichen Dank an Markus Detterbeck für die Zurverfügungstellung der Fotos aus den 1990er Jahren.
Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum.
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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF
Erstmals Online publiziert: 7. November 2010; Relaunch der Seite 8.6.2024; Letzte Ergänzung / page last modified 14.6.2024