Die Opicina Tram / Tranvia di Opicina – Letztes Relikt der Straßenbahn von Triest

Die Hafenstadt Triest, einst in der Österreich-Ungarischen Monarchie das “Tor zur Welt”, hatte im Laufe der Geschichte sowohl ein Straßenbahn-Netz als auch nachfolgend ein Obus-Netz, bevor der dieselbetriebene Autobus beide Verkehrsmittel verdrängte. Einzig die 5,2 km lange und bis zu 260 Promille steile Überlandstraßenbahn vom Triestiner Stadtzentrum Piazza Oberdan hinauf auf das über 300 m höher gelegene Karstplateau in die Ortschaft Opicina an der Slowenischen Grenze ist als letztes Relikt aus dieser Zeit bis heute erhalten und eine ganz besondere Touristenattraktion.
Straßenbahn und O-Bus in Triest
Straßenbahn in Triest von 1876 bis 1970; normalspurig, anfangs Pferdetraktion, ab 1900 Elektrifizierung 600 V =; maximale Streckenlänge 16 km; max. 10 Linien; Stilllegung mit 31.3.1970
O-Bus in Triest ab 1935 mit Einführung der Linie 12 (“Colli”-Linie), ab den 1960er Jahren vom Autobus verdrängt, letzter Obus in Triest verkehrte im April 1975



Opicina-Tram / Tranvia di Opicina – Zeittafel
Die Überlandstraßenbahn vom Zentrum von Triest hinauf nach Opicina (altösterreichisch Optschinach) entstand in der “guten alten Zeit”, als Triest noch bei Österreich war, nämlich der größte und wichtigste Hafen der damaligen Weltmacht Österreich-Ungarn.
Ab 1879: Überlegungen für eine Bergbahn vom Zentrum Triests (Casermaplatz, heute Piazza Oberdan) und dem 326 m höher gelegenen Dorf Opicina (auch Villa Opicina, Weinbau, wichtiger Güterbahnhof der Südbahn). Der endgültige Streckenentwurf erfolgte durch die Ingenieure Geiringer und Seligmann
15.7.1899: Kommissionierung zur Trassen- und Stationsrevision für die “projectirte mit der Spurweite von 1,00 m auszuführende elektrisch zu betreibende Kleinbahn gemischten Systems von Triest über Scorcola nach Opicina”
7.6.1900: Grundeinlösungsplan
1.7.1901: Konzessionierung als Kleinbahn
10.9.1902: Eröffnung der Kleinbahn Triest -Opicina
18.7.1905: Konzession für die Verlängerung von der Via Nazionale in Villa Opicina zum Bahnhof Opicina der neuen Karstbahn (k.k. Stb)
23.7.1906: Eröffnung der ca. 1 km langen Verlängerung zum Bahnhof Opicina. Diese Anbindung, also direkte Verbindung Zug-Tram bestand bis 1936. Seither muss man wieder vom Zug zur Tram ca. 1 km marschieren
26.4.1928: Die Standseilbahn im Steilabschnitt wurde eröffnet, nachdem vorher 1927 der ursprüngliche Zahnstangenabschnitt (System Strub) abgebaut wurde
6.3.1978: Wiederherstellung des Betriebs nach Gleisumbau und Austausch des Oberbaus und der Standseilbahnwagen (Neue Traktoren Generation 2)
14.6.1984: Abschluss der Arbeiten in Übereinstimmung mit den ministeriellen Vorschriften für die Standseilbahn, mit Einführung eines automatischen Fahr- und Steuerungssystems
2005: Neue Standseilbahnwagen (Traktoren Generation 3)
16.8.2016: Frontaler Zusammenstoß Triebwagen 404 und 405, nachfolgend SEV, Wiederinbetriebnahme für 2020 geplant
Jänner 2024: Nach wie vor SEV, Wiedereröffnung angeblich Sommer 2024

Kennzahlen
Streckenlänge: 5,175 km (1906-1936 ca. 6,1 km)
Spurweite: Meterspur (ehem. Straßenbahn Triest Normalspur)
Traktion: Elektrisch 600 Volt Gleichstrom
Adhäsionsbahn mit Standseilbahnabschnitt (ca. 800 m)
Eingleisig mit Ausweichen
Minimaler Radius: 40 m
Depot: Endbahnhof Opicina
Maximale Neigung: Adhäsion 8 Promille, Standseilbahnabschnitt 260 Promille

Steilstrecke
Der Abschnitt zwischen den Stationen Piazza Scorcola, km 0,405 (Seehöhe 17 m) und Vetta Scorcola, km 1,27 (Seehöhe 177 m) hat eine maximale Neigung von 260 Promille, eindeutig zu steil für eine Adhäsionsbahn. Daher wurde dieser Abschnitt anfangs mittels Zahnstangen und Zahnradlokomotiven (System Strub) bewältigt, seit 1928 wird dieser Abschnitt unter Zuhilfenahme eines Standseilbahnsystems überwunden. Den beiden Triebwagen wird talseitig jeweils 1 von einem Seil bewegter “Traktor” beigefügt, wobei die beiden Traktoren der neuesten 3. Generation (seit 2005) vom jeweiligen Triebfahrzeugführer in der Tram ferngesteuert werden.







Betreiber
Seit 2001 wird die Opicina-Tram als Linie 2 vom städtischen Unternehmen Trieste Trasporti betrieben, welches auch das städtische Autobusnetz sowie 2 lokale Schifffahrtsrouten betreibt. Die vorherigen Betreiber waren:
Società Anonima Piccole Ferrovie – SAPF (1902–1961)
Servizio Comunale Trenovia – SCT (1961–1970)
Azienda Comunale Elettricità Gas Acqua e Tranvie – ACEGAT (1970–1977)
Azienda Consorziale Trasporti – ACT (1977–2000)
Rollmaterial
Die ursprünglichen Triebwagen waren aufgrund der historischen Gegebenheiten österreichischer Provenienz – 9 zweiachsige Triebwagen – davon 3 als Sommerwagen ausgeführt – wurden 1901–1906 von der Grazer Waggonfabrik gebaut, die elektrische Ausrüstung stammte von der Österreichischen Union-Elektrizitätsgesellschaft aus Wien. 2 dieser Triebwagen sind erhalten geblieben, darunter auch der Triebwagen, mit dem die Eröffnungsfahrt erfolgt ist. Dazu gab es noch 3 Zahnrad-Lokomotiven zum Transport der Triebwagen auf dem Steilabschnitt Type He 2/2 (Antrieb und Untergestell von der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur). Von diesen Loks ist keine erhalten.
Nach der Annektierung des Österreichischen Triests durch Italien 1919 wurden im Jahr 1935 vier Triebwagen (Nummern 401, 402, 404 und 405) und 1942 zwei Triebwagen (Nummern 406, 407) in Dienst gestellt, die von der italienischen Firma Officina Meccanica della Stanga (OMS) mit Sitz in Padua gebaut wurden. Diese Triebwagen sind bis heute im Einsatz.
Für die Steilstrecke mit Standseilbahnbetrieb wurden 3x “Traktoren” angeschafft, nämlich zum Betriebsbeginn 1928 nach dem Ende des Zahnstangenbetriebs sowie 1978 und 2005.


Die Stationen der Opicina-Tram
Piazza Oberdan (vormals Casermaplatz), km 0,000, Seehöhe 3 m
Piazza Scorcola, km 0,405; 17 m (Beginn Standseilbahn)
Sant’ Anastasio, km 0,693; 55 m
Romagna, km 0,983; 115 m
Vetta Scorcola, km 1,27; 177 m (Ende Standseilbahn)
Cologna Campo Sportivo, km 1,823; 210 m
Cologna Chiesetta, km 2,140; 221 m
Conconello, km 2,695; 263 m
Banne, km 3,573; 305 m
Obelisco (Obelisk), km 4,282; 343 m
Campo Romano, km 4,582; 330 m
Via Nazionale, km 4,765; 330 m
Opicina, km 5,175; 329 m
Villa Opicina (Staatsbahnhof kkStB bzw. FS), km ca. 6,1 (1906-1936)
Der Betrieb
Die Opicina-Tram verkehrt regulär im 20 Minuten-Takt. Dafür werden planmäßig gleichzeitig 3 Triebwagen eingesetzt. Die Fahrzeit für die Gesamtstrecke beträgt ca. 26 Minuten.
Seit dem Unfall vom 16.8.2016 ist die Bahn außer Betrieb und durch einen SEV ersetzt. Die Wiederinbetriebnahme der Opicina-Tram wurde mehrfach verschoben. Es ist zu hoffen, dass dieses rollende Kulturdenkmal ehebaldigst wieder im regulären Betrieb zu sehen ist. DEEF bleibt am Ball 🙂




Links
Seite des Betreibers Trieste Trasporti über die Opicina Tram >>>
DEEF-Doku Eisenbahnmuseum Triest >>>
Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum
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redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org
Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF
Erstmals Online publiziert: 1. Feber 2024; Letzte Ergänzung: 1.2.2024