Digitale automatische Kupplung

Digitalisierung im Eisenbahngüterverkehr – Von der Schraubenkupplung zur Digitalen Automatischen Kupplung DAK

Einleitung – Schraubenkupplung vs. Mittelpufferkupplung

Was Kupplungen im Eisenbahnverkehr betrifft – also die Verbindung zwischen einzelnen Waggons oder zwischen Waggon und Lokomotive – so dominiert in Europa die sogenannte Schraubenkupplung, vor allem im Güterverkehr.

Die zweite gängige Art, Waggons zu kuppeln, besteht durch die sogenannte Mittelpufferkupplung, die besonders im Osten Europas (Russland und ehem. Staaten der UdSSR) dominant ist (SA-3-Kupplung). Auch in den USA werden schon seit Ende des 19. Jhd. automatische Mittelpufferkupplungen (Janney-Kupplung) verwendet, wobei die Janney-Kupplung der am höchsten belastbare Kupplungstyp ist und somit die kilometerlangen Güterzüge in den USA erst ermöglicht.

Mittelpufferkupplung in Lettland

Mittelpufferkupplungen sind allerdings im Eisenbahn-Personenverkehr auch im restlichen Europa in unterschiedlichen Varianten und Typen häufig anzutreffen, bspw. bei Straßenbahnen (handgekuppelte Mittelpufferkupplungen) oder bei Triebwägen (u.a. Talent der ÖBB) oder bei Hochgeschwindigkeitszügen wie dem ICE (automatische Mittelpufferkupplungen).

ÖBB-Talent mit Mittelpufferkupplung

Auch die Wagen der Legende auf Österreichs Schienen – des ET 4010 – waren durch eine Mittelpufferkupplung (Typ Scharfenbergkupplung) verbunden und zwar waren die Wagen fix gekuppelt, also nur in der Werkstatt trennbar.

4010 im Ennstal – Scharfenbergkupplung zwischen den Wagen

Besonders im Güterverkehr mit den oftmals notwendigen Rangier- und Kupplungstätigkeiten macht sich der kostenintensive Personaleinsatz bei vorhandenen Schraubenkupplungen negativ bemerkbar. Um den Güterverkehr effizienter zu machen und damit konkurrenzfähiger zum Straßentransport, wurde in den 1960er Jahren die sogenannte UIC-Mittelpufferkupplung entwickelt und auch zur Serienreife gebracht. Sie war auch kompatibel mit herkömmlichen Schraubenkupplungen und den russischen SA-3-Kupplungen). Das Projekt einer Umstellung aller Waggons der europäischen Bahnen scheiterte allerdings vorwiegend an der Finanzierung der deutlich teureren Mittelpufferkupplungen, die sich einige Bahnverwaltungen schlicht und einfach nicht leisten konnten.

Seit 2002 ist mit der C-AKv-Kupplung eine vereinfachte vollwertige Mittelpufferkupplung im Probeeinsatz, die mit der Schraubenkupplung ohne Adapter kuppelbar ist.


DAK

Auf Initiative des Technischen Innovationskreis Schienengüterverkehr (TIS) wurde 2014 die „Zukunftsinitative 5L“ (leise, leicht, laufstark und logistikfähig sowie lifecyclekostenorientiert) für die nächste Generation von Güterwagen vorgestellt. Kernelement dieser Initiative ist die automatische Mittelpufferkupplung für Güterwagen. Im Sommer 2018 wurden von der SBB Cargo 100 Güterwagen und 25 Loks also Demonstratoren mit einer Lösung von Voith umgerüstet. Die positiven Ergebnisse der SBB Cargo wurden in anderen Ländern und bei anderen Herstellern wahrgenommen, sodass 2019 über eine gemeinsame Fortführung von Tests gesprochen wurde.

Bei einer Sicherstellung der Finanzierung soll 2023/24 mit der Einführungsphase begonnen werden und bis 2030 beendet werden. Die Umrüstungskosten eines einzelnen Güterwagens werden auf 15.000 bis 17.000 Euro geschätzt. Sollten in allen 27 EU-Länderung plus Großbritannien, Schweiz und Norwegen sämtliche 490.000 Güterwagen (BMVI-Studie) und 17.000 Triebfahrzeuge umgerüstet werden, so werden die Kosten auf 6,4 bis 8,6 Mrd. Euro geschätzt. Dem stehen dann geschätzt 760 Mio. Euro pro Jahr an finanziellem Nutzen gegenüber. (Wikipedia).


Nachfolgend eine aktuelle PA der ÖBB zu diesem Thema (Wien 23.09.2021):

Wichtiger Meilenstein für Einführung der
Digitalen Automatische Kupplung (DAK) im europäischen Schienengüterverkehr

  • Erster Schritt zu DAK Typenauswahl erreicht
  • DAK-Demonstratorzug Anfang 2022 in Österreich
  • DAK wesentlicher Baustein für mehr Güterverkehr auf der Schiene

Das European DAC Delivery Programme (EDDP) hat am 21. September 2021 nach einer knapp einjährigen intensiven Testphase die erste Entscheidung über das künftig europaweit einheitliche Kupplungskopfdesign für den europäischen Schienengüterverkehr getroffen. Diese Entscheidung ist ein erster wichtiger Meilenstein für die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung in Europa.

Mark Topal-Gökceli, EDDP Programme Manager & CTO der ÖBB, hielt nach diesem erreichten Meilenstein fest, „Die Digitale Automatische Kupplung ist eine Grundvoraussetzung, um in Europa den Güterverkehr auf der Schiene wettbewerbsfähiger zu machen. Eine erfolgreich implementierte DAK bringt signifikant mehr Produktivität, Kapazität und Qualität für Europas Güterbahnen. Durch die damit verbundene Verlagerung von Verkehr auf die Schiene, spielt die DAK eine zentrale Rolle um die ambitionierten Zielsetzungen des europäischen Green Deal Wirklichkeit werden zu lassen.“


DAK Demonstratorzug durch Europa

Im Laufe der weiteren Tests der Digitalen Automatischen Kupplung, wird in den kommenden Monaten ein „DAK Demonstratorzug“ vorab durch Deutschland, Österreich und der Schweiz fahren, wo jeweils vor Ort betriebliche Tests mit dem neuen DAK-Kupplungsdesign durchgeführt werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in die erforderliche Weiterentwicklung der DAK ein. Im Februar/März 2022 wird der DAK Demonstratorzug auch in Österreich an verschiedenen Standorten Halt machen und betrieblich getestet. Organisiert wird der DAK Demonstratorzug vom DAC4EU-Konsortium.


Warum Europa die Digitale Automatische Kupplung benötigt

Clemens Först, Vorstandssprecher der Rail Cargo Group ÖBB und Vorsitzender der RailFreightForward Initiative, streicht heraus: „Die Digitale Automatische Kupplung bietet die einzigartige Chance den europäischen Schienengüterverkehr zu revolutionieren. Sie ist ein Schlüsselelement für die Transformation der Betriebsführung von Eisenbahnen.“ Da sie mithilfe von neuen Technologien und Innovationen mehr Kapazität für die Verlagerung auf die Schiene ermöglicht, schafft sie die Grundlage für Verlagerung und Klimaschutz. Sie gilt als Wegbereiter für die weitere Digitalisierung und Automatisierung des europäischen Bahnsystems und ist damit die Voraussetzung, um den Anteil des Schienengüterverkehrs europaweit signifikant zu erhöhen und die Ziele des Green Deals zu erreichen. Die DAK kann durch eine Strom- und Datenbusleitung im gesamten Zug eine Vielzahl von betrieblichen Prozessen bei Zug- und Verschubfahrten optimieren. Auch Zugintegritätsprüfungen sind mit der DAK realisierbar, die als infrastrukturelle Voraussetzung für die Einführung der nächsten Generation des europäischen Zugsicherungssystems (ETCS Level 3) gelten. Die DAK bildet die Grundlage für eine Vielzahl an Applikationen für Kunden, wirtschaftlichen Betrieb und optimierte Instandhaltung.


Das Testprocedere

Im Zuge des Konsortiums DAC4EU wurden vier Prototypen der DAK nach einem festgelegten Testprocedere auf Herz und Nieren getestet. Dellner Couplers AB, Voith GmbH & Co. KGaA und Wabtec Corporation entwickelten zwei Scharfenberg-Designs und ein Schwab-Design. Ein SA 3-Design wurde schon zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Prozess zurückgezogen. So wurde u.a. das Verhalten der verschiedenen DAK in Gleisbögen mit unterschiedlichen Gleisradien genauso getestet, wie das Kuppeln bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten und unter verschiedenen Beladezuständen. Diese Ergebnisse wurden für die Bewertung der Prototypen in das von dem europäischen Förderprogramm Shift2Rail (S2R) ermöglichte EDDP eingebracht. Um eine Entscheidung für ein europaweit einheitliches Kupplungskopfdesign vorzubereiten, setzte das EDDP einen Prozess startend mit der Definition der Kriterien für den Auswahlprozess auf. Rund 100 EDDP-Expert:innen aus 36 europäischen bahn-affinen Unternehmen bewerteten für jede Kupplung im Sommer dieses Jahres die Ergebnisse zweier Testprogramme (DAC4EU und Trafikverket/Swedish Winter Tests). Die Entscheidung über das künftig europaweit einheitliche Kupplungskopfdesign für den europäischen Schienengüterverkehr fiel auf das Scharfenberg-Design. In der nächsten Phase werden von den Herstellern konkrete Lösungen zur Abdeckung der restlichen Anforderungen vorgestellt, Lebenszykluskosten ermittelt und die notwendigen Schritte zur Serienfertigung vorbereitet.


Das europäische Konsortium DAC4EU

Das Konsortium DAC4EU, bestehend aus dem Konsortiumsleader DB AG, den Güterbahnen ÖBB Rail Cargo Group, DB Cargo und SBB Cargo sowie den Wagenhaltern Ermewa, GATX Rail Europe und VTG, setzt sich dafür ein, Züge in ganz Europa mit der Digitalen Automatischen Kupplung auszustatten. Mit Juni 2020 hat das Konsortium seine Arbeit aufgenommen. Bis 2030 sollen Züge in ganz Europa mit der neuen Technologie ausgestattet sein und dazu beitragen, dass der Schienengüterverkehr eine wesentliche Rolle im europäischen Mobilitätssystem der Zukunft spielt. Das deutsche Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) finanziert das Projekt in der Projektlaufzeit von zweieinhalb Jahren mit rund 13 Millionen Euro.


Links

DAC4EU (Projektdetails) >>>

ÖBB Güterverkehr – Railcargo Group >>>

ÖBB Konzern >>>

DEEF-Beitrag “ÖBB Rail Cargo Group: Neue intermodale Nonstop-Verbindung zwischen Österreich und Norditalien” >>>

DEEF- Beitrag “Rollende Landstraße (RoLa) wird deutlich ausgebaut” >>>

DEEF-Blog 2018: Erster Güterzug aus China in Wien eingetroffen >>>


Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum.

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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF

Erstmals Online publiziert: 26. Dezember 2021; Letzte Ergänzung: 16.2.2022