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Vom Brenner nach Gossensass - eine eisenbahnarchäologische Wanderung durch das frühlingshafte Wipp- und Pflerschtal:
Ein Reader in 4 Teilen - Teil 1 "Am Brenner"

"Coca, Birra, Aranciata, Panini. Vino!" Wie wenn es gestern gewesen wäre höre und sehe ich bei meiner Ankunft am Brenner das kleine südländisch wirkende Mandl  vor meinem geistigen Auge, jenes Mandl, das tagein, tagaus - nein, jahrein, jahraus! -  am Mittel-Perron der beiden Durchgangsgleise mit seinem Imbißwagen auf und ab ging und für manch einen Reisenden der Retter in letzter Not war. Aber wie auch bei uns die Würstel- und Getränkeverkäufer mit ihrem Wagerl am Bahnsteig längst Geschichte sind so auch am Brenner. Komisch, daß man über Dinge und Personen erst dann nachdenkt wenn sie nicht mehr da sind. Der Verkäufer gehörte zum Brennerbahnhof wie die Mozartkugel zu Salzburg oder der Heurige zu Grinzing und plötzlich gibt es ihn nicht mehr. Wie er wohl geheissen hat? Was ist aus ihm geworden? Man müßten diesem Helden und Retter ganzer Generationen von Brennerbahnreisenden ein Denkmal setzen, gleich neben dem vom Etzel am Hausbahnsteig Numero Uno!! So wie es die Münchner für ihr Original Sigi Sommer taten.

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011Ein wundervoller sonniger Apriltag in der Karwoche empfängt mich am Brenner. Kein Schnee, den ich mehrmals hier oben zu Ostern schon erlebt hatte, als ich wie schon so oft den niedrigsten Alpenpaß für meine Reisen in den Süden per Zug genutzt habe jedoch dabei selten am Brenner ausgestiegen bin. Aber der Wind ist trotz des Sonnenscheins kühl hier heroben, immerhin ist der Brenner doch höher als der Gaisberg, und ich bin froh, meine Windjacke dabei zu haben.

So geschäftig es auf den Gleisen zugeht, vor allem im Güterverkehr aber auch Personenverkehr, so verlassen oder zumindest vernachlässigt wirken manche Gebäude hier oben am Brenner, der durch die völkerrechtswidrige Annektierung des südlichen Bereiches von Tirol durch Italien seit 1919 Staatsgrenze ist.

Die Schalterbeamten wurden durch Automaten und Entwerter ersetzt (eine Entwertung also im wahrsten Sinne des Wortes), das Mandl mit seinem Wagerl mußte einer "Self Bar" weichen. Auch die Wechselstube machte mangels Betätigungsfeld zu, Zoll im eigentlichen Sinne einer Personen- und Gepäckkontrolle ist auch nicht länger relevant. Das wird stichprobenartig überprüft, speziell wenn wie aktuell wieder unkontrollierte Zuwanderung droht. Dafür sind zahlreiche  bahntechnischen Funktionen doppelt mit Personal bestückt.

Ein Ort des Wohlfühlens war der Bahnhof am Brenner nie wirklich, aber er hatte "menschlichere Züge". Wenngleich man sich heute freier bewegen kann und die Staatsgrenze nicht mehr so spürbar ist.

Nach meiner Ankunft mit dem ÖBB-DB-Eurocity 81 München-Verona um 10.02 (früher hießen solche Züge "Paganini" oder "Michelangelo") und einer ausführlichen Fotodoku zur Situation am Brenner mache ich mich auf den Weg gen Süden. Ziel ist Gossensass, oder Colle Isarco wie es auch angeschrieben steht (auch Gossensaß ist gebräuchlich), an der Einmündung des Pflerschtales in das Wipptal, wohin mich der vor 2 Jahren eröffneten "Eisacktalradweg" führen soll. Dieser Radweg ist eine gute Sache und zeigt, daß man historisches Kulturgut, wie man so eine Bahnstrecke mit Fug und Recht bezeichnen kann, auch sinnhafter/nachhaltiger nutzen kann als es bspw. unsere Staatsbahn am Tauern gemacht hat. Dort ging man eher nach dem Motto der "verbrannten Erde" vor. Hier in Südtirol hatte man schon vor Jahren mit großen Erfolg einen Radweg auf der stillgelegten Ampezzaner Bahn errichtet und nun folgte der 100 km lange Eisacktalradweg Brenner-Bozen entlang bzw. auf der Trasse der alten Brennerbahn. Zur Freude der Einheimischen wie Touristen und vor allem der Touristiker. "Bahntrassenradln" liegt im Trend! Was aber bitte nicht als Aufforderung an unsere Politiker und Staatsbahner verstanden werden soll, die letzten noch verbliebenen Nebenbahnen in Österreich in Bausch und Bogen in Radwege zu verwandeln!!!

Direkt auf der alten Trasse radeln oder wandern, durch Tunnels durch, das erlebt man auf der genannten Route auf 2 Streckenabschnitten, nämlich:

1. Brenner / Brennero - Gossensass / Colle Isarco, wo seit 1999 der neue Pflerschtunnel die alte Strecke über Schelleberg / Moncucco überflüssig macht (Länge 15 km)

2. Waidbruck / Ponte Gardena - Bozen / Bolzano, wo die beiden Neubautunnel "Schlerntunnel" und "Kardauntunnel" die alte Strecke für eine Alternativnutzung als Rad-/Wanderweg freigaben (23 km)

 

Vor den Unterwegsbildern vorab eine kurze Foto-Doku vom Bahnhof Brenner:

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

Die neuen 1216 Taurus-Lokomotiven der ÖBB machen einen Lokwechsel am Brenner überflüssig. Nur der Stromabnehmer (Bügel) wird gewechselt. 1216-015 (italienische Bezeichnung E 190-015) verläßt den Bahnhof in Richtung Gossensass, den DB-ÖBB-EC 81 München Hbf. - Verona Porta Nuova mit deutschen IC-Wagen am Hacken. In der Mitte des Bahnhofs ist die Trennstelle für die unterschiedlichen Stromsysteme - Österreich 15 kv Wechselstrom, Italien 3000 Volt Gleichstrom. Im Unterschied zur Mehrstromsystemlok 1216 der ÖBB müssen andere Lokomotiven immer noch mit einer Diesellok in das jeweilige andere Land zurückgeschoben werden. Hier die ÖBB Thyristerlok 1144-221 und verwunderlicheweise mit 1216-022 gekoppelt - diese könnte ja mit Eigenkraft fahren

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

Moltke sagte einst: "Getrennt marschieren, vereint schlagen". In der EU scheint es eher zu heißen: "Vereint marschieren, getrennt schlagen"

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

Die Regionalzüge aus Italien enden im Normalfall am Stumpfgleis S (Süd), die S-Bahn aus Innsbruck am Stumpfgleis N (Nord). Löblich, daß die Anschlüsse vertaktet sind

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011 Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

"Self Bar" statt eines menschlichen Wesens, der "Coca, Birra, Aranciata, Panini. Vino" ruft.

Die Getränke- und Nahrungsautomaten erinnern an einarmige Banditen im Spielkasino. Der Weg ist nicht mehr weit zum "Nahrungsreplikator"

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

Hier versuchte der Chefredakteur von DEEF zuerst, probeweise einen Fahrschein nach Gossensass zu lösen. Ging nicht! Hehe, das ist der Automat der TI (Tren Italia / FS). Auch nach Bozen, der Provinzhauptstadt, geht nicht, nur außerhalb der Region! "Spinnen die, die Römer?"

Der "gelbe Entwerter" - nur für Trenitalia Tickets.

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

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Aja, der grüne Entwerter für Fahrkarten des Südtiroler Verkehrsverbundes. Aber keine TI-Tickets, eh klar... Fahrkarten innerhalb der autonomen Region Südtirol sowie für die neuen DB-ÖBB-EC-Züge. Aber natürlich nicht bspw. nach Trient (Trento)

Kurz-Anmerkung Fahrkarten: Es ist ein Schlammassel! Einzig Schuldiger wie es scheint und berichtet wird die italienische Staatsbahn, die vor allem im Fernverkehr jahrelang inaktiv und miserabel war und dann die fast privatwirtschaftlich denkenden Staatsbahnen von Österreich und Deutschland (+Le Nord), welche kundenorientiert wieder direkte und komfortable Direktzüge nach Italien einsetzen, behindert wo es nur geht. Die Geltungsbestimmungen sind Änderungen unterworfen, daher an dieser Stelle keine Details. Nur soviel als Ergänzung: Die eigentlich teureren Fernverkehrstickets der ÖBB/DB gelten (scheinbar) nicht im Regionalzug. Der Beamte in der Lounge in Innsbruck berichtete, daß jemand dafür 240 Euro Strafe zahlen sollte (mußte?). Man muß sich genau erkundigen mit welchem Fahrschein man wo wie welchen Zug benutzen darf. Was südlich des Brenners schwierig wird, da ist oft gar niemand mehr im Bahnhof.

Ein weiteres Problem: Man möchte bspw. von Innsbruck nach Bologna fahren, also bspw. Anreise mit dem ÖBB/DB EC bis Verona, dann mit Trenitalia weiter. Es ist aktuell NICHT möglich, hierfür einen Fahrschein in Österreich zu bekommen beim Schalter der ÖBB. Also ÖBB Ticket bis Verona, dann zum Schalter oder Automaten in Verona und Weiterreise buchen. Also Verlust des niedrigen Kilometertarifs ab einer längeren Entfernung!

Wo sind die glorreichen Zeiten, als es selbstverständlich war, in Salzburg einen durchgehenden Fahrschein ohne Platzreservierung (KEIN Globalpreis also) von Salzburg nach Napoli Centrale zu lösen. Anreise bspw. mit den Schnellzügen "Brenner Express" oder "Alpenexpress". Aus- und Umsteigen wo man Lust und Laune hatte, Fahrtunterbrechung sowieso kein Thema. Ein gewaltiger Rückschritt. Bleibt zu hoffen, daß die laufenden Klagen von ÖBB, DB, SBB, SNCF gegen Italien (TI/FS) in Brüssel von Erfolg gekrönt sein werden!

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

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"Der Zahn der Zeit" nagt immer und überall. Auch am Bahnhof Brenner

Noch Röhrenmonitore statt Flatscreens wie bei der ÖBB. Verwundersam oder eher peinlich, wie die Staatsbahn oder andere öffentliche Einrichtungen die Sprache der deutschsprechenden Mehrheit "verhunzt". Oft "gastarbeitermässige" Wort-für-Wort-Übesetzung aus dem Italienischen. Welch´Chuzpe!

Brennerbahn  - auf den Spuren der alten Brennerbahn vom Brenner bis nach Gossensaß. Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung 2011

Ob sich die 3 da wirklich in guter Stimmung unterhalten zur Zeit?

Die Tür zum Ausgang/Unterführung hat Charme, die Unterführung selbst ist da schon eher weniger fein

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Am Hausbahnsteig blickt der große Meister Carl von Etzel von seinem marmornen Podest auf die Bahnanlagen. Der Erbauer (heute würde man "Macher" sagen) der  Brennerbahn stammte aus dem Schwabenlande. Die Bauzeit der Brennerbahn umfaßte die Jahre 1864-1867

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Die Straßenansicht vom Bahnhof Brenner. Der Ort selbst wirkte auf mich (zumindest an diesem Tag) überraschend freundlich und lebendig Die alte noch in Funktion befindliche Lokomotivhalle

Hier geht's weiter zum 2. Teil des Berichts: Teil 2 Brennerbad >>>

 

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Eisenbahnarchälogische Wanderungen südlich des Brenners, Band 1: Vom Brenner nach Gossensass

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: April 2011; Änderungen: 22.10.2016

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Last modified  Samstag, 22. Oktober 2016 10:28:18 +0200
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