|
||
Ein buntes Sammelsurium erwartet den Straßenbahnfreund wenn er in die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina reist. Ausschließlich Straßenbahnfahrzeuge, die vorher in anderen Städten Europas unterwegs waren, finden sich in Sarajevo. Die Straßenbahn gibt es in Sarajevo bereits seit 1885, anfangs jedoch mit Pferdetraktion und schmalspurig mit der Bosnischen Spur von 760 mm als Verlängerung der Bosna-Bahn ins Zentrum der Stadt hinein. Dabei verkehrten bis in die 1920er Jahre auch Gütertrams auf den Straßenbahngleisen.
Tatra K2YU Nr. 212 (Baujahre 1973-1983) am 27.4.2016 vor dem Hbf. von Sarajevo Bereits 1 Jahr vor der Elektrifizierung der Straßenbahn in der Residenzstadt Wien wurde die Straßenbahn in Sarajevo im Jahr 1895 elektrifiziert, ab dem 9. Oktober 1960 verkehrt die Straba auf Normalspurgleisen. 27 Haltestellen werden von 6 Linien bedient, wobei alle Linien nahezu die gleiche Strecke befahren. Neben der Haupterstreckung Ost-West gibt es eine Abzweigung von wenigen hundert Meter von 2 Linien zum Hauptbahnhof von Sarajevo. Alle Fahrzeuge sind Einrichtungsfahrzeuge, am östlichen Ende der Strecke in der Innenstadt wird in einer großen Schleife gewendet - die Fahrzeuge fahren dann parallel zur Hinfahrt ein paar Häuserblocks weiter nördlich retour. Die nostalgischen Straßenbahnen sind oftmals zum Bersten voll, hier besteht dringender Bedarf, das System auszubauen. Die Fahrscheine können auch beim Fahrer gekauft werden, man bekommt bei ihm oder in den Kiosken ein modernes mit einem Magnetstreifen versehenes Ticket, auf den 1 oder mehrere Fahrten elektronische aufgebucht sind. So modern die Tickets so antiquiert geht es an den Haltestellen zu - kein Fahrplan, kein Netzplan, digitale Anzeigen wann die nächste Tram kommt sowieso nicht. Eine Fahrt kostet ca. 80 cent. Kuriosum: Seit 1984 gibt es zusätzlich zur Straßenbahn noch einen Obus in Sarajevo, der vom gleichen städtischen Unternehmen geführt wird. Allerdings gibt es unterschiedliche Fahrkarten für beide Verkehrsmittel, die Karten vom Obus sind kleine Streifen, die mechanisch durch einen Locher im Obus entwertet werden müssen. Nachfolgend ein paar Fotos von der Straßenbahn in Sarajevo:
Wagen 604, ein umgebauter und mit niederflurigem Mittelteil versehener Tatra K2YU, jetzt Satra III, in der Innenstadt in der Marsala Tita
Der mintgrüne Wagen 255, ein K2YU, nach der Haltestelle "Vijećnica" am Beginn der Wendeschleife beim Alten Rathaus, später Nationalbibliothek
Im Inneren eines K2YU
Wagen 217 am 26.4.2016 an der Haltestelle "Željeznička stanica" (Hauptbahnhof)
Der Bahnhofsvorplatz mit Straßenbahnhaltestelle in Sarajevo
Wagen 217 an der Haltestelle "Marijin Dvor" Richtung Bahnhof
Wagen 604 im Einsatz auf der Linie 3 Richtung Ilidža in der Innenstadt zwischen den Haltestellen "Marijin Dvor" und "Park"
Offenbar aufgrund eines Stromausfalls blieben mehrere Wagen hintereinander aufgefädelt längere Zeit stehen. Hinter Wagen 217 und 604 kam dieser blaue K2YU zu stehen. Wie die meisten K2YU ist auch er schon deutlich sichtbar verbeult und leicht angerostet
Noch 2 Wagen stehen in der Stauschlange - hier der gelbe Wagen 902 mit der Aufschrift Konya - diese 8-achsigen Duewag Gelenkwagen wurden 2015 von der Straßenbahn Konya (Türkei) übernommen, davor waren sie in Köln im Einsatz
Auch er mußte warten - Wagen 255, ein klassischer 6-achsiger Tatra-Gelenkwagen K2YU
Wagen 300 auf der Linie 3 bei der Haltestelle "Park". Dieser Tatra hat die Bezeichnung KT8D5K, wobei das K für Korea steht - die Tram lief früher in der Nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang
Wagen 277 bei der Haltestelle "Park"
Kreuzung weiter ausserhalb der Innenstadt bei der Haltestelle "Otoka" mit dem gelben Wagen 209 stadtauswärts und dem himmelblauen Wagen 263 Richtung Zentrum. Beide Wagen waren bummvoll!
Wagen 209 auf der Fahrt Richtung Endhalt "Ilidža" Ehem. Wagen aus Wien und Amsterdam, die auch im Einsatz sind, konnte ich leider nicht erlegen. Fazit: Die Straßenbahn in Sarajevo wird gut angenommen, das merkt man auch daran, wie bummvoll die Züge meist sind. Da gilt es sicher für die Zukunft Lösungen zu finden, vor allem wird man über längere Gelenkgarnituren mit mehr Fahrgastvolumen nicht umhinkönnen. Im Unterschied zum Obus ist man vom Ticketing her schon auf modernen Pfaden unterwegs (elektronische Aufbuchung und Entwertung), da wäre es doch nur naheliegend, dass diese Karten auch für den Obus Geltung bekommen und man nicht 2 unterschiedliche Fahrkarten für die beiden von einem Unternehmen geführten Verkehrsmittel braucht. Straßenbahnfreunden macht es aber auch aktuell oder gerade aktuell Spaß, mit diesen Oldtimern durch die Gegend zu düsen. Link zum Betreiber JKP GRAS Sarajevo (Javno Komunalno Preduzeće – Gradski Saobraćaj Sarajevo, übersetzt: Öffentliches Kommunales Unternehmen – Städtischer Verkehr Sarajevo):
Sarajevo, Blick aus dem Fenster meiner Suite im Hotel Europe auf die Altstadt (Stari Grad), dahinter die das Becken von Sarajevo einsäumenden Hügel, die sich bis auf 2000 m erheben und wo 1984 die Olympischen Schirennen stattfanden Sollten Sie Anregungen zu den Projekten haben oder eigene Beiträge oder Fotos präsentieren wollen, so freuen wir uns auf eine Kontaktaufnahme. Haben Sie einen Fehler entdeckt? Bitte um Info > redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org Bericht von: Dr.
Michael Populorum, Chefredakteur Railway Research Austira / DEEF;
|
Last modified
Samstag, 07. Mai 2016 20:36:16 +0200
Autor/F.d.I.v.: Kons. Univ. Lekt. Dr. Michael Alexander Populorum DEEF # Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung #
Railway Research Austria 2009-2020