Zwischen
Blumau und Waidbruck
verschwindet die Brennerbahn seit 1994 im 13.307 m langen
Schlerntunnel. Dadurch wurde eine Verkürzung der Fahrzeit sowie
eine erhöhte Sicherheit vor Steinschlägen, Muren etc. durch das
schluchtartige Eisacktal (Via Mala Südtirols) erreicht.
Statt zahlreicher kürzerer Tunnel und Galerien der alten Strecke ist nur mehr 1 Neubautunnel zu
warten.
Nachdem die
neue Eisenbahntrasse im Schlerntunnel verschwunden ist
(Foto links "Einfahrt in den Schlerntunnel Südportal von Blumau kommend")
kommt der Radweg sofort auf die alte Trasse, wo Richtung Bahnhof Blumau
noch Schienen im Gleisbett zu sehen sind. Die Trasse steigt leicht aber
stetig gen Norden an - der Bahnhof Blumau liegt auf
315 m Seehöhe, der ehemalige Haltepunkt Völsersteg
auf 340 m und der ehemalige Bahnhof Atzwang
(italienisch Campodazzo) auf 373 m.
Der
Streckenabschnitt Blumau bis Atzwang ist für den eisenbahnaffinen
Wanderer sicher das Highlight der Wanderung, sind doch nicht weniger als
9 Altbautunnel bzw. Galerien zu durchwandern. Zahlreiche Radler
begegnen dem einsam bergan wandernden Eisenbahnforscher, die meisten
nutzen das Gefälle und radeln von Nord nach Süd. Dieses Vergnügen
auszukosten hat sich der an diesem heißen Septembertag bergan Wandernde
für das nächste Jahr vorgenommen.
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Tunnel Nr. 1, Länge 17 m. Anm.: Längenangabe lt.
Schild, Tunnel / Galerie bezeichnet entweder Tunnel, Galerie,
Steinschlaggalerie oder Mischformen |
Tunnel / Galerie Nr. 2, Länge 120 m |
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In der Galerie Nr. 2 - rechts z.T. blanker Fels, links die
Stützmauern gehen direkt zum Ufer des Eisack |
Blick zurück unmittelbar vor der ehem. Station "Völsersteg" (auch
Völsersteig genannt) - es wird kräftig gebaut, links nicht sichtbar
ein grosses Umspannwerk und der Versorgungs- und
Rettungstunnel "Steg" in den Berg hinein zum Schlerntunnel |
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Die
ehemalige Station Völsersteg - rechts das nun bewohnte ehem.
Wärterhaus (wurde aufgestockt, Originalbau von 1867), links daneben
als Gartenhütte das hölzerne Stationsgebäude von 1898 (Typus
"Kastelruth" v. Architekt Flattich), welches offensichtlich in den
letzten Jahren weiß angemalt wurde (original braunes Holz).. Rechts
ca. 100 m das Umspannwerk |
Der kürzlich renovierte Holzsteg vom ehem. Haltepunkt der
Brennerbahn über den Eisack führt zur Staatsstraße und dem dort
gelegenen Wirtshaus Steg. Die Station hatte früher eine grosse
touristische Bedeutung. Sie war von 1898 bis ca. 1970 in Funktion. |
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Tunnel Nr. 3, Länge 40 m |
Im Südportal von Tunnel Nr. 3 findet sich die
Jahreszahl 1921 |
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Blick vom ausgemauerten Tunnel Nr. 3 zum Tunnel Nr. 4 |
Tunnel Nr. 4, Länge 60 m |
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Tunnel / Galerie Nr. 5, Länge 240 m |
Tunnel Nr. 5 innen, Übergang in die Steinschlaggalerie |
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Rückblick Tunnel/Galerie Nr. 5 |
Tunnel / Galerie Nr. 6, Länge 60 m |
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Tunnel / Galerie Nr. 6 innen, tw. mit Graffitis |
Tunnel / Galerie Nr. 7, Länge 70 m |
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Blick von Tunnel / Galerie 7 zum Tunnel 8 |
Tunnel 8 direkt hinter dem Betonsockel der den Eisack querenden
Brennerautobahn |
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Tunnel Nr. 8, wieder ein "echter Tunnel" Länge 180 m |
Rückblick vom Tunnel 8 zur Galerie 7 |
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Eine Mure / Steinlawine wird beseitigt direkt vor der
Steinschlaggalerie von Tunnel Nr. 9 |
Innen in Galerie / Tunnel Nr. 9, Länge 150 m |
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Geschafft, die Tunnelorgie ist vorbei und der Raum Atzwang erreicht.
Rückblick auf das Nordportal von Tunnel 9, Kameraposition auf der
Steinbogenbrücke (2 Bogen) über den Eisack
(siehe
historisches Foto unten) |
In einem liebevoll restaurierten Objekt des
ehemaligen grossen Umspannwerks Atzwang lohnt sich unbedingt zur
Rast und Labung einzukehren! Einkehrtip: In der "Radstation
BIOS" kredenzt Pius Rungger Speis´und Trank aus bester
Bio-Produktion, vieles davon von seinem "Partschiller Hof" in
Völs.
Gleichzeitig mit dem schon etwas müden
Eisenbahnforscher trafen noch 2 Einheimische sowie ein Radler aus
Bozen ein und es entwickelte sich bei guten Tropfen ein wohlfeiles
Gespräch mit viel Lokalkolorit. Sitzmöglichkeiten Innen und
auch im Garten, wo man zum Nebengebäude (siehe historisches Foto
unten) noch Schienen im Schotter findet.
>>> Siehe:
www.partschillerhof.it
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Danke an Pius Rungger für die historischen Fotos! Hier sieht man die
2 bögige Steinbrücke über den Eisack, links geht es in den 150 m
langen "Tunnel Nr. 9", rechts das große nicht mehr existente
E-Werks-Haus |
Umspannwerk Atzwang mit den beiden noch bestehenden Gebäuden, heute
Radstation BIOS |
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Alte Ansicht als Atzwang nur Atzwang und nicht Campodazzo hieß. Man
erkennt die schon existierende Brennerbahn, die dem Eisack durch den
Einschnitt der "Via Mala" / "Kuntersweg" folgt |
Historischer Turmwagen der FS im Bahnhof Atzwang
(1950er Jahre??) |
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Bahnhof Atzwang und Umspannwerk mit Gebäuden. Hier hat sich sehr
viel verändert, löblich, daß 2 Gebäude erhalten und renoviert wurden
(Radstation BIOS) |
Der zugemauerte Bahnhof von Atzwang. Warscheinlich wird sich bei dem
Anblick jeder halbwegs zivilisierte und kulturinteressierte Mensch
fragen: "Wo bleiben denn da der Denkmalschutz"???? |
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Der Schienenstrang vor dem Aufnahmgsgebäude Bahnhof Atzwang wurde
für den Ausbau der Staatsstrasse genutzt, nur ein kleiner Teil davon
wird vom Radweg genutzt.
"Der Bahnhof von Atzwang bestand bei
seiner Eröffnung aus einem Aufnahmsgebäude der Klasse IV der
Bahnhofstypologie von Architekt Wilhelm von Flattich. Es hat nur zur
Eingangseite einen Giebel über dem Mittelrisalit, über der Fassade
der Gleisseite läuft die Traufe des Satteldaches durch. Das Gebäude
wurde aus Grauwacke gemauert, mit bossiertem Sockel und
Fensterbögen, die Giebel sind in Stein hochgezogen und weisen
jeweils ein Rundfenster – auch über dem Mittelrisalit – auf. Das
weit vorstehende Dach hat in den Giebelspitzen die bei diesem Typ
üblich schön detaillierte Holzverzierungen. Dem zentralen
„Vestibule“ waren der Warteraum und die Fahrdienstleitung mit
Billettverkauf zugeordnet. Im Obergeschoß befand sich eine 4-Zi.
Wohnung mit Nebenräumen.
Die Abortanlagen waren ursprünglich - vom Aufnahmsgebäude abgesetzt
- als Typenhäuschen mit Pultdach in Holzkonstruktion ausgeführt und
wurden später durch einen gemauerten und verputzten Anbau ersetzt,
dessen Satteldach an die Giebelfront des Hauptgebäudes anschloss um
einen direkten überdeckten Zugang zu den Geleisen zu ermöglichen, da
vom zentralen Eingangsraum in unsinniger Weise ein Raum für den
Bahnhofsvorsteher abgeteilt wurde und somit nur noch ein Zugang von
der Gleisseite in die übrigen Räume möglich war." (Quelle:
tecneum.eu) |
Empfehlung: Die Holzkonstruktion Station Völsersteg sowie das
steinerne Bahnhofsgebäude in Atzwang als Relikte dieser großartigen
Ingenieursleistung und Kulturgut "Brennerbahn" müssen bewahrt
(Denk-/Ensembleschutz) und vor allem das Gebäude in Atzwang revitalisiert
werden. Die alte Brennereisenbahn entlang des Kuntersweges durch die
Eisackschlucht - auch als Via Mala Südtirols bezeichnet - wurde mit viel
Mühen errichtet und man kämpfte ob der Situierung der Strecke (direkt im
Überschwemmungsgebiet des Eisack um Kosten zu sparen) immer mit den
Unbillen der Natur.
Auch Tote waren zu beklagen:
1902 krachte ein Felsbrocken beim Hochklausnertunnel vor die Lok eines
Schnellzuges, Lokführer und Heizer tot. Am 25. September 1927 stürzte bei
Hochwasser ein Hilfszug in den Eisack, 20 Arbeiter verlieren ihr Leben. Es
sei angeraten, von der Geschichte der Brennerbahn entlang der Strecke in
Form von Schautafeln zu informieren. Das originale Bahnhofsgebäude von
Atzwang wäre prädestiniert, ein kleines Museum zur Geschichte der
Brennerbahn inkl. Bar/Buffet zu beherbergen..
Gedenktafel im Bahnhof Franzensfeste u.a. auch für die Opfer des 25. September
1927 - die meisten Reisenden gehen achtlos daran vorbei...
Teil 4 der Wanderung: Atzwang - Waidbruck
>>>
Diese spannende
Eisenbahnhistorische Wanderung als Publikation
Michael Alexander Populorum, 2012:
Eisenbahnarchäologische Exkursionen südlich des Brenners: Teil 2: Von
Bozen nach Waidbruck entlang der alten Brennerstrecke. Gewidmet Prof. Dr.
Helmut Heuberger. Schriftenreihe des Dokumentationszentrums für Europäische
Eisenbahnforschung (DEEF), Band 4 (2012). Mercurius Verlag
Grödig/Salzburg. Print, Farbe, 67 Seiten. Preis Euro 19,50; 1. Auflage
2012; 2. Auflage 2013
3. Auflage 2017 auf DVD
(pdf 67 Seiten + Bonusmaterial),
ISBN 978-3-903132-09-2 ;
Preis Euro 19,50
Details und
bestellen
>>>
Der letzte Zug hält im Bahnhof Atzwang. Lunedi 26. 9. 1994 - 7 Uhr 35, Zug
Nummer 5402 # RIP
Alle Fotos DEEF / Dr. Michael Populorum ausgenommen die
historischen Aufnahmen von Atzwang.
Diese wurden dankenswerterweise von
Herrn Pius Rungger, Radstation BIOS in Atzwang, zur Verfügung gestellt
Sollten Sie Anregungen zu den Projekten
haben oder eigene Beiträge oder Fotos präsentieren wollen, so freuen wir
uns auf eine Kontaktaufnahme. Haben Sie einen Fehler entdeckt? Bitte um
Info >
redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org
Bericht von: Dr.
Michael Populorum, Chefredakteur DEEF; Erstmals online publiziert:
29. Dezember 2011; Änderungen: 21.2.2019