Denkmal zum Bau der Grödnerbahn:
Oberhalb von Klausen ließ Feldmarschall v. Hötzendorf
vom südtiroler Künstler J.B. Moroder Lusenberg ein Denkmal zur Erinnerung
an den Bau der Grödnerbahn errichten. Die in späterer Zeit applizierte
Bronzetafel weist in 4 Sprachen - deutsch, italienisch, ladinisch und
russisch - auf die Geschichte des Bahnbaus hin. Die deutsche Inschrift
lautet:
Dieses Denkmal wurde anlässlich
des Baues der Grödner Schmalspurbahn von der 29. k.u.k. Eisenbahnkompanie
beim Viadukt- Conrad von Hötzendorf (Generalstabschef der k.u.k Armee)
errichtet. Es zeigt den österreichischen Reichsadler und war die erste
Betonskulptur Südtirols. Der Entwurf und seine Ausführung im Jahre 1916
stammen von dem Grödner Künstler Johann Baptist Moroder Lusenberg
(1870-1932).
Die Grödner Schmalspurbahn
wurde während des 1. Weltkrieges als Nachschublinie für die Dolomitenfront
in einer Zeit von viereinhalb Monaten erbaut. Dabei waren bis zu 10.000
Arbeitskräfte im Einsatz: 500 Zivilarbeiter, 3.500 Militärarbeiter und
Soldaten sowie 6.000 vornehmlich russische Kriegsgefangene. Die
Dienststelle für die Trassierung und die Bauarbeiten befand sich unter der
Leitung von Prof. Dr. Leopold Örley. Die Bahnlinie war bis 1960 in
Betrieb.

Streckenbeschreibung (nach
Hanns Barth):
So eng und düster auch der Schluchtspalt ist, mit dem
das Grödental in Waidbruck, bewacht von der Wolkensteiner Trostburg, ins
Eisacktal mündet, so frei und weitschauend ist die Zufahrt mit der
Grödenbahn von Klausen herauf, die heute wohl die empfehlenswerteste
Annäherung beim Besuch des Grödentales vermittelt.
Was zur Friedenszeit jahrelangen Bemühungen nicht möglich war, die zumeist
an kleinlichen, lokalpatriotischen Bedenken scheiterten, das haben die
Erfordernisse des Krieges kurz erzwungen. In knapp drei Monaten des Jahres
1916 ist die Grödenbahn betriebsfähig erbaut worden, wozu in normalen
Zeitläuften sicherlich kaum die zehnfache Zeit gereicht hätte. Allerdings
standen Arbeitskräfte in der Stärke einer kleinen Armee zur Verfügung
(etwa 12000 Mann, darunter 8000 Kriegsgefangene), so daß bei einer Länge
des schmalspurigen Schienenstranges von rund 30 km ungefähr je 1 Mann auf
2,5 m kam.
Als Hauptnachschublinie für die österreichischen Kampfstellungen im Col di
Lana- und Marmolata-Abschnitt gedacht, wurde die Bahn, trotzdem nur
strategische Gründe maßgebend waren, so rücksichtsvoll und unauffällig in
die Landschaft hineingebaut, daß sie in keiner Weise ästhetisch verletzend
oder störend wirkt, was man nicht von vielen Bahnanlagen wird behaupten
können. Ja, ich wage sogar just ihren militärischen Zweck als Glück zu
preisen; denn bei ihrer Wichtigkeit durfte sie dem Gegner nicht auffallen
und mußte sich, so gut als möglich Deckung suchend, dem Gelände
anschmiegen.
Von der Südbahnstation Klausen im Eisacktal (Seehöhe 521 m) ausgehend,
führt die Trasse der Grödenbahn, trotz streckenweiser Maximalsteigung um
50 auf 1000 m in der Geraden durchwegs als Adhäsionsbahn mit einer
Spurweite von 0,76 m erbaut, bis in den hintersten Winkel des Grödentales,
nach Plan (1594 m) am Fuße des Sellastockes hinan und benötigte während
des Krieges zur Bewältigung des Höhenunterschiedes von 1073 m zwischen
Anfangs- und Endpunkt eine Fahrzeit von ungefähr 3 Stunden, einschließlich
der Aufenthalte in den Wasser- und Kohlenstationen, die bei einem für
später geplant gewesenen elektrischen Betrieb sicher kürzer geworden wäre.
Ursprünglich um alle Kämme und Riegeln biegend, alle Gräben und Mulden
ausfahrend oder auf Holzbrücken übersetzend, wobei Minimalradien von nur
38 m recht häufig waren, wurde in den Jahren 1917 - 1918 ohne den regen
Betrieb - täglich je zwei berg- und talfahrende Post- und Personenzüge
außer mindestens je einem halben Dutzend Lasttransporte - zu hindern, die
Strecke gediegen ausgebaut, Kurven gestreckt, alle Holzobjekte durch
Stein- oder Eisenbauten ersetzt und selbst die Bohrung neuer Tunnels nicht
gescheut, deren nunmehr ihrer neun zu durchfahren sind. Diese ganz
bedeutende technische Schöpfung und der selbst im ungünstigsten Winter
ununterbrochene Betrieb der Bahn, ein stolzes Verdienst aller daran
Beteiligten, wurde als selbstverständliche Kriegsleistung ohne viel
Aufhebens hingenommen, und es erscheint mir nur recht und billig,
wenigstens den Erbauer, Oberst Julius Khu, den technischen Leiter, Prof.
Leopold Örley, und den Betriebskommandanten, Hauptmann Dr. Michtner, hier
zu nennen, damit man sich der Männer dankbar erinnert, denen man die
ergötzliche »Bergfahrt« verdankt, die ich nun im folgenden schildern will,
wozu ich empfehle, an der in der Fahrtrichtung rechts befindlichen
Fensterseite Platz zu nehmen.
Östlich gegenüber der Südbahnstation Klausen, tiefer als diese gelegen,
sind die Bahnhofanlagen der Grödenbahn aufgestellt und vor dem netten
Stationsgebäude das winzige »Zügle«; alles klein und niedlich, oval
umschlossen von dem ansteigenden Viadukt wie Spielzeug in seiner
Schachteln. Und wenn sich der Zug in Bewegung setzt, hat man die lustige
Empfindung, auf einem Ringelspiel zu sitzen, denn die Trasse umkreist,
dabei sofort an Höhe gewinnend, die Bahnhofobjekte, die mit den dort etwa
noch zum Abschied Winkenden, nicht wie sonst, kleiner werdend
zurückbleiben, sondern langsam in die Tiefe zu sinken scheinen.
Wo die Ausfahrtsspirale zugleich mit dem Ende des Bogenviadukts an die
östliche Talböschung gelangt, schlüpft der Zug gleich in den ersten
Tunnel, und nach kurzem wieder zutage kommend, fährt man nochmals an dem
unten sichtbaren Bahnhof vorüber; aber nun bereits auf der Lehnenrampe,
entlang dem gartenartigen Gehänge mit stets umfassender sich entfaltendem
Blick aus das Städtchen Klausen und der noch immer hoch ob dem Tale aus
mächtigem Felssockel thronenden stolzen Klosterburg Säben darüber. Schon
allein dieses erste Schaustück, von der Grödenbahnstrecke in günstiger
Draufsicht sich darbietend, lohnte die Fahrt. Ein künstlerisch
vollkommenes Bild, das mit seiner unberührt scheinenden mittelalterlichen
Szenerie jedes malerisch empfindende Auge hoch entzückt und dem Sinn die
von der Romantik Zauber verklärten Zeiten der Minnesänger oder, wie fast
überall zwischen Bozen und Innsbruck, Heldenepisoden aus dem Jahre 1809
lebhaft in Erinnerung bringt, trotz der häßlichen, stimmungswidrigen
Eisenbrücken über Eisack und Thinnebach. Darum freute ich mich immer, wenn
der Zug in die nur kurz unterbrochene Doppelfinsternis des zweiten und
dritten Tunnels untertauchte, weil mir nach der Ausfahrt bei der
Übersetzung des Löchelbachgrabens im Rahmen seiner Hänge das schöne Bild
ohne diese störenden Anachronismen besonders wirkungsvoll erschien, das
nun der offene Durchstich eines vorspringenden Riegels, ursprünglich außen
umfahren, leider allzu rasch entzieht. Und bis die Talsicht wieder frei
wird, ist die günstige Zusammenstellung von Häusern, Kirche, Burg Branzoll
und Kloster Säben schon verschoben, nur mehr im Rückblick sichtbar, um mit
Kilometer 2, wo uns der düstere Schlund des vierten Tunnels aufnimmt,
endgültig zu entschwinden.
Dafür ist hernach die Tagfahrt von unterirdischen Pausen auf längere Zeit
frei und man überblickt ungehindert von der steil absinkenden Waldlehne,
an der unser Zug schwer pustend hinankeucht, jenseits den langgestreckten,
massigen Ritten, dessen kahle Almkuppen, oft noch bis spät in den Frühling
hinein schneebedeckt schimmernd, samtdunkel niederwallendes Forstgehänge
umkränzt, das, je näher dem Tale, desto mehr von kultivierten Rodungen,
Gehöften und Siedlungen inmitten terrassierter Weingärten gesprenkelt
wird, die besonders zur Herbstzeit, wann die Reben und die vereinzelten
Obst- und Laubbäume farbig leuchten und brennen, ihm ein buntes
Prachtkleid weben. Dazu im Tal unten als geschlängelter Doppelsaum der
blinkende Eisack, die blanke Straße, die einander bald haschen, bald
meiden.
Während der Zug den Bachlergraben überquert, verlockt uns ein schmuckes
Gegenüber, das Dorf Vilanders, ebenso freundlich hinüberzulachen, denn
heiter und froh ist der Grundton der Landschaft, die nun wie ein
Wandelbild vorbeizuziehen scheint, indes wir stetig gleichzeitig vorwärts
und aufwärts rollen.
Auf kühnem Viadukt über den Marzongraben fahrend, zeigt sich links oben
auf der Böschung ein mächtiger, trutziger Adler aus Stein, der, ein
starkes Säulenbündel umkrallend, scharf nach Süden späht - ein ehrendes
Erinnerungsdenkmal für den unentwegt getreuen Warner vor Welschlands
Tücke, Feldmarschall Konrad von Hötzendorf. Drüben am Rittenhang erblickt
man die zahlreichen Einzelhöfe und idyllischen Siedlungen, wie Schloß
Pardell, Dorf Sauders und nach der Trennungsfurche des Largenbaches Bad
Dreikirchen, Briol und Barbian, die in rascher Folge auftauchen und
vorbeiwandern.
Diesseits gestaltet sich gleichzeitig die Umgebung allmählich sanfter, die
steile Waldlehne geht in Wiesen und Felder über, nach dem Kerschbaumgraben
fahren wir im Gebiet von Außerried dahin, und bald entfaltet sich ein
anmutiges Bild, das mich stets entzückt hat. Im Vordergrund ein
malerisches Gehöft unter Obstbäumen, in der Tiefe Waidbruck, darüber wie
ein kühnes Ritterprofil die Trostburg der Wolkensteiner und dahinter,
scheinbar das Tal verschränkend, die Kulissen der wilden Porphyrschlucht
des Kuntersweges, in der zwischen Ritten- und Schlernvorlagerungen der
schäumende Eisack sich blinkend gegen Bozen windet.
Ob im Frühlingsprangen oder im Herbstesflammen, ob im Sonnenglast oder
Mondeszauber, unter tiefblauem Sommerhimmel oder gigantischem
Wettergewölk, im mildklaren Winterlicht oder bei farbenschwerer
Föhnstimmung - immer bot es einen schönheitsgesegneten, wonnereichen
Anblick, dieses Heimatsgefilde des Minnesängers Walter von der Vogelweide,
durch das nun der Zug ins Grödental einbiegt. Frei und licht und
freundlich ist hier oben die Einfahrt und nichts erinnert an die enge
Gitterpforte, die von Waidbruck aus den Zugang in die düstere
Mündungsschlucht des Grödenbaches vermittelt. Hoch an St. Katharina, dem
schlichten gotischen Kirchlein vorbei, das inmitten von Rebendächern und
Edelkastanien rechts unten einsam steht, und nach sechs Kilometer wackeren
Pfauchens hält die Maschine die erste Schnaufrast am Pumpwerk vor dem
schmucken Holzbau der Station Lajen-Ried, bereits 792 Meter hoch.
Dann geht die Reise weiter, an sanfter Lehne talein, durch die Ackerflur
von Unter- und Oberried, halbwegs zwischen der 300 m tiefer in der
Waldschlucht versteckten Poststraße und dem links oben, um ebensoviel
höher, in aussichtsreicher Lage thronenden Dorf Lajen, das mit seinem, von
rotem Zwiebelknauf gekrönten schlanken Kirchturm wie ein freskenartiges
Deckenbild hell und leuchtend in kühner Perspektive in die blaue
Himmelskuppel aufragt. Gegenüber am waldigen Rendebühel ist die einzige
Siedlung dieser Talseite, das kleine Dörfchen Tagusens mit seinem
vorgeschobenen gotischen Magdalenenkirchlein sichtbar und verrät als
bescheidenes Aschenbrödel nicht, wie schön es sich von ihm nach Kastelruth
wandern läßt und die Firne der Zillertaler feenhaft seinen Horizont
begrenzen.
Den Türkgraben ausfahrend, eilt der Zug hernach am Plieger-Gehöft vorüber,
vor dessen Haustür noch ein alter gotischer Tisch unterm Kirschbaum steht,
und taucht, über den Torglergraben setzend, im fünften Tunnel wieder
einmal unter die Erde. Bisher war trotz der hochgelegenen Einfahrt ins
Grödental nichts von dessen gepriesener Dolomitenumrahmung zu sehen. Aber
jetzt, wo wir wieder Zutage kommen und kurz nacheinander Flötzen- und
Unterschutschen-Graben queren, öffnet sich jenseits zwischen Rendebühel
und der steil abfallenden Vorlagerung des Puflatsch ein gestuftes Waldtal,
worüber im Hintergrund der Schlern kühn seine Nordabstürze zum
Hauensteiner Forst zeigt. Da ist er kein behäbiger Glatzkopf wie sonst
zumeist, sondern ein richtiger Dolomiten-Herold in Gestalt und Farbe, der
seine pralle Felsenstirne weist mit den grimmen Jägerfalten seiner
Schluchten. Weil er aber seine eigentliche Gutmütigkeit nicht lang
verhehlen könnte, duckt er sich rasch wieder, während wir den
Prodlwartergraben ausfahren, hinter dem grünen Vorberg. Dafür späht aber
beim Einbiegen in den Bühlergraben zum ersten Male des Langkofels
Reckenhaupt über die waldigen Randkuppen der Seiseralpe auf den
heranrollenden Zug. so mag ein Aar in seiner stolzen Selbstsicherheit auf
eine huschende Maus niederschauen. Um so mehr, da das Züglein sich um
einen Rücken in den Kühgraben l windend, flink im sechsten Tunnel
verschwindet und kaum aus einem Steinbogenviadukt über dem Kühgraben II
gesetzt, schon wieder im siebenten Tunnel unterirdisch vorwärts strebt.
Nach der Ausfahrtsbrücke über den Karlgraben mit anschließendem Steindamm
führt die Trasse um den breiten Waldkegel herum, auf dessen Höhe, gute 200
m über uns, die noch unsichtbare Ortschaft St. Peter horstet, und leitet
in den wilden Putzesgraben hinein. Hier, wo umfassende
Lehnensicherungsmauern in dem steilen Rutschgelände nötig waren, reckt der
Langkofel schon schärfer und andauernder sein kühnes Felsenantlitz empor.
Nachdem die von einem trutzigen Viadukt überbrückte, ungut aussehende
Sohle der Wildwasserschlucht hinter uns liegt, pustet der Zug mühsam aus
einer Steilrampe hinan und erreicht die zweite ebene Rast seiner Auffahrt,
die Station St. Peter (1037 m).
In der nun zu überschauenden Talweitung, bezeichnend »Im Loch« genannt,
erblickt man unten am schäumenden Grödenbach ein paar Hauser und Hütten,
darunter das Brauhaus, wo auch der aus der vorüberführenden Poststraße
früher ziemlich rege Verkehr gerne rastete. Dahinter, scheinbar das Tal
abschließend, steht jenseits der Puflatsch hinter einem vorgelagerten,
steil abfallenden Waldsockel; diesseits der Äußere Raschötz, als Eckberg
im bisher breiten Scheiderücken zwischen den Tälern Gröden und Villnöß.
Etwas unterhalb des rötlichen Raschötzgipfels, auf feiner kahlen
Südabdachung, schimmert wie eine symbolische weiße Taube am Rande ob dem
Abbruch der Torwände die Heiligkreuzkapelle; und von dort oben bis ins
tiefe Tal hinab sieht man eines grausigen Bergsturzes Trümmer wirr
durcheinandergewürfelt, obwohl bereits hochstämmiger Wald das einstige
Unheil verbergen will.
Weit zurück in sagenhafte graue Vorzeit versetzt dieser Anblick, denn der
Steinwall des geborstenen Berges hatte damals, nach alter Überlieferung,
wirklich das Grödental abgesperrt und einen großen See aufgestaut, so daß
einst der Saumpfad, »Heidenweg« genannt, der zur Römerzeit und im frühen
Mittelalter eine Verbindung von Belluno mit dem Eisacktal vermittelte, wie
heute die Bahn hoch über der Talsohle am Gehänge hingeführt und St. Peter
wie Lajen zu Ortschaften an der Straße gemacht hatte.
Während der Zug nach Verlassen der Station mit tiefer Schleife die zwei
Rafflgräben ausfährt, dann in rascher Folge die drei Kühgräben quert und
am Gostner und Unterpisser-Gehöft vorbei sich dem Bergsturz nähert, sieht
man im Rückblick links oben die Ortschaft St. Peter malerisch aufgestellt,
mit ihrem hohen, gleichfalls einen Zwiebelknauf tragenden Turm wie ein
Zwilling des schon weit talaus sichtbaren Dorfes Lajen erscheinend; und
dahinter spreitet sich als duftig-blaue Folie das breite Rittnerhorn. Und
man versteht nun die gegenwärtig so weltabgeschiedene Lage der beiden
verhältnismäßig großen Siedlungen.
Wer nicht zu spät von der schönen Rückschau sich abwendet, kann noch etwas
vom Anblick des im Zwickel zwischen Raschötz und Puflatsch bisher sichtbar
gewesenen Langkofels und vom Hahnenkamm des Piz Chiavazzes, dem Südwestkap
der Sella, erhaschen, ehe sie hinter Vorbergen der Seiseralpe
entschwinden, denn nun fährt die Bahn quer durch die gigantischen
Porphyrblöcke des Bergsturzes und senkt sich jenseits des Einschnittes im
Bogen in den wildromantischen Kessel von Pontives. Bei einem malerisch
verlumpten Haus, angeblich das älteste der Gegend, kreuzt das Geleise die
Poststraße, um einträchtig zwischen ihr und dem zögernd im flachen Grund
hinrauschenden Bach schnurgerade durch die Talenge zu laufen. Beidseitig
dräuen mächtige Felsflanken, die aber trotzdem der Kultur tributpflichtig
gemacht worden sind. Jenseits des Baches als Steinbruch, links entlang der
Straße durch Kalköfen, Aufschriften, Malereien und eine Gedenktafel an
erzherzoglichen Besuch. All dies konnte jedoch dem wasserdurchrauschten,
zweifellos Seebecken gewesenen Felskessel seine wildernste Stimmung nicht
rauben, die im wirkungsvollen Gegensatz zur unmittelbar folgenden
Überraschung steht, ja diese noch steigert.
Bald trennt sich der Zug von der Straße, fährt auf einer Eisenbrücke über
den Grödenbach und wie mit Zauberschlag verschwinden die engenden
Felswände, ein lachendes Talgefilde öffnet sich, prangend in Sonne und
Schönheit.
Auf schwellend ansteigenden Matten, anmutig hingewürfelt, stehen behäbige
Höfe, bunte Häuser, saubere Hütten und inmitten zu höchst die rotgelbe,
verschnörkelte Kirche von St. Ulrich. Der fast städtisch aussehende
Hauptort Grödens tritt plötzlich in Sicht, umgeben von Wald- und
Wiesengrün, überragt von den gebänderten Wänden der Setscheda und dem
Pitschbergkegel, Vorposten der Geißlerspitzen. Nah und doch soweit
entfernt, daß geschmacklose Einzelheiten menschlicher Werke nicht störend
zur Geltung kommen können, entzückt das Auge ein prächtiges, harmonisches
Bild.
Bevor wir den aus der Pufelsschlucht stets neu genährten Mündungskegel der
Bachmure auf starkem Brückendamm befahren, hält der Zug in der Station
Runggaditsch (1150 m), wo jene aussteigen müssen, die über St. Michael
nach Kastelruth oder über Pufels und die Heißböck-Senne auf die Seiseralpe
und den Schlern wandern wollen. Dann schlängelt sich der Zug eilig weiter,
am schattigen Fuß des steilen Pitzberges dahin, biegt bald über das Tal
und kreuzt aus einer Eisenbrücke abermals den Grödenbach und die Straße,
um nun am sonnigen Fuß des Raschötz im verstreut befiedelten, sanften
Gelände von Außerwinkel aufwärts zu streben.
Jetzt beginnt die große S-förmige Schleife, die zweimal die gerade
ansteigende Poststraße schneidend, zwischen den zwanglos hier und dort,
einsam und gesellig stehenden Häusern wie eine Riesenschlange sich
hinanwindet und den Zug schließlich unter einem triumphbogenartig
querübergespannten Steg zur Stationsplattform von St. Ulrich hinaufleitet
(1127 m).
Vor dem netten Holzbau des Bahnhofes herrscht stets reges geschäftliches
und geselliges Leben. Ist doch St. Ulrich politisch, wirtschaftlich wie
sozial der Hauptort Grödens, was sich schon in seinen Wohlhabenheit
bekundenden, großen, oft ein- und mehrstöckigen Baulichkeiten ausprägt.
Diese gleichen häufig auch sonst im ganzen Oberlaus des Tales eher Villen
als Bauernhäusern, wozu wohl, ganz besonders in St. Ulrich, der starke
Fremdenverkehr und Sommerfrischlerbesuch beitragen mag.
An der neuen monumentalen Steinbrücke mit dem Standbild des Bürgermeisters
Brugger vorbei, worüber die Straße zum Kirchenplatz und dem
tiefergelegenen, gassenartig erbauten Teil von St. Ulrich führt, rollt der
Zug auf einer Eisenbrücke über den klammartig eingeschlossenen
Kutschnerbach, an der Mündung des Annagrabens vorüber, in den achten
Tunnel. Knapp hinter der Kirche in ihm den ehemaligen Friedhofshügel
unterfahrend, ist der Zug gleich wieder im Freien und folgt angesichts des
unten in der Talsohle, am Antoniboden, ausgebreiteten Marktes der am
Außerriedelhang sich hinschmiegenden Trasse. Bei der letzten geschlossenen
Häusergruppe aus hoher Brücke ein tiefes Bachrinnsal übersetzend, kreuzt
die Bahn die wieder heraufgestiegene Straße und befährt nun das
Mattengehänge des Innerriedels. Jenseits, im felsumgürteten Kessel
zwischen Pitzberg und Wolfsbühel, sendet ein Wasserfall wehende
Schleiergrüße der Seiseralpe herüber und die Gipfel der Langkofelgruppe
sägen immer kühner in den Himmel. Mit Erreichen der Haltestelle
Innerriedel (1341 m) öffnet sich jenseits die Saltrieschlucht, durch die
der Weg zum wunderschönen Konfinboden, dem prächtigen, waldumrahmten
Vorhof der Langkofel-Felsarena, und über die Seiseralpe zum Rosengarten
führt, von dessen Bergen im Hintergrund aus kurze Zeit Fallwand und
Molignon sichtbar werden.
Den als Wasserfall über eine Felswand springenden Bilonbach auf
viaduktähnlicher Betonbrücke übersetzend und gleich hernach die Straße
querend, pustet nun der Zug schwer ober dem alten Wirtshaus Unterkofel
durch die kurze Talenge hinaus, an den Felsabstürzen einer vordrängenden
Terrasse dahin, aus der (noch unsichtbar) inmitten einer zusammengerückten
Häuserschar die große Kirche von St. Christina mit schlanker Turmspitze
gen Himmel weist.
Oberhalb dieser Stufe öffnet sich dann eine malerische Weitung. Gemeinsam
mit der Straße zieht unter der hochaufgedämmten Plattform der Station
Christina der Schienenstrang an einer alten Häuserzeile vorbei, und mit
einer engen Spirale, die fast schon ein Kreis ist, zweimal die Straße
knapp vor dem neuen Hotel Post kreuzend, erreicht der Zug den sauberen
Holzbau des Bahnhofes.
Gegenüber in schattiger Felsschlucht stäubt wieder ein hoher Wassersturz,
von dem links in Serpentinen ein zum Konfinboden führender Karrenweg
ansteigt, und über walddunklen Vorbergen ragt der wildzerschründete
Langkofel ehrfurchtheischend in den Äther. Talauswärts ist nun die um die
Kirche gescharte behäbige Häusergruppe von Sankt Christina sichtbar, unter
der der Zug durch einem Kehrtunnel - es ist der neunte und letzte - den
steilen Wiesenhang des Pitschbergsockels erreicht.
An diesem quert nun die Trasse, ober der unter uns liegenden Station und
an der Häusergruppe beim Dosseswirt vorüber, in das Tal des
Tschislesbaches hinein, wo zwischen den steilen, felsdurchsetzten
Waldkulissen des Pitschberges und der Schuazalpe über dem anmutig
besiedelten Gefilde die Klippen der Geißlerspitzen den Hintergrund bilden.
Aus einer Eisenbrücke über den heimtückischen Wildbach und fast den weißen
Würfel des Hauses Bastlé streifend, kreuzt der Zug die Straßensteile, wo
bei Kilometer 27 die Haltestelle Regensburger Hütte (1454 m) eingeschaltet
ist. Knapp hinter dem Hotel Wolkenstein eilt die Bahn wieder ins Haupttal
zurück und biegt um die Nase einer Böschung in dessen schluchtartige
Verengung. Jenseits hat man nun die schon längst die Aufmerksamkeit
anlockende Fischburg nahe gegenüber. Das früher als Armenhaus dienende,
heute Privatbesitz gewordene einstige Jagdschloß der Wolkensteiner konnte,
von ferne gut erhalten scheinend, hier den beklagenswerten Ruinenzustand
nicht länger verbergen. Rechts davon öffnet sich zwischen den köstlichen
Alm- und Schikuppen Mont de Soura und Ciamp da Pinöi die Waldfurche des
traumschönen Ampezzantales, durch das ein stimmungsvoller Anstieg zum
Sellajoch führt. Und über all der Herrlichkeit, ein plattengepanzertes,
titanisches Idealgebild, erhebt sich in wilder Größe mit edlem
Linienschwung der König des Grödentales, der stolze, unvergleichliche
Langkofel.
Mit Erreichen der Haltestelle La Pozza (1496 m) ist die Bachschlucht zu
Ende, in deren kühlem Grunde nicht nur ein Mühlenrad geht, sondern auch
Turbinen sich drehen, da sich das kleine Elektrizitätswerk von St.
Christina dort befindet, das trotz seiner modernen Bestimmung mit noch ein
paar malerischen Häusern am schäumenden Wasser nebst der umgebenden
Landschaftsszenerie idyllische Motive darbietet. In der nun sich öffnenden
Talweitung, die von sanft schwellenden Matten erfüllt ist, auf deren
grünen Wogen anmutig verstreut allenthalben freundliche Behausungen
stehen, bilden die über dunklen Waldhängen aufragenden farbigen
Dolomitmauern der Stevia-Alpe und des Monte Soura am Langental-Eingang die
Umrahmung der Landschaft, die durch die Zinnendruse der Rot- und
Tschierspitzen, den gigantischen Terrassenwall der Sella und die
Felspyramide des Langkofels zum großzügigen Rundbild gestaltet wird.
Nach dem Haus Pigon, wo die Bahn die wieder herangekommene Straße in
kurzer Folge zweimal quert, wendet sie sich vom Fuß des Steilabbruches der
Schuazalpe im Bogen zum Grödenbach zurück. Wo die Häusergruppe um den
großen Kasten des Hotels Oswald von Wolkenstein geschart, in Sicht kommt,
kreuzen sich zum letzten Male Straße und Bahngeleise, das den Zug aus die
Wiesen hinausführt, zur Haltestelle Wolkenstein (1562 m), unweit der
Wallfahrtskirche St. Maria in Selva.
Offen klafft nun die Riesenpforte zum gassenartigen Langental, flankiert
von dem Wandsturz des Monte Soura rechts und der Steviamauer links, worin
noch letzte Reste der einstigen Stammburg der Wolkensteiner zerbröckeln.
Und dazwischen ist die bleiche Wildnis der Puezgruppe und die verkarstete
Gardenazza-Hochfläche sichtbar. Fast zierlich wirkt dagegen der Anblick
des nahegerückten Rudels der Rotspitzen, unter deren Südabfall, vom
Grödnerjoch leicht erreichbar, das Seitental »Danter ceppies« absinkt.
Durch dieses Tal führte bis ins 14. Jahrhundert der Weg übers Grödnerjoch,
das jetzt im Winter wieder benutzt wird, da es eine genußreiche
Schiabfahrt bietet. Gigantisch, in überwältigender Ungeheuerlichkeit steht
aber allbeherrschend die himmelstürmende Wand der Sella über dem Tale.
Und aus diese rollt nun das putzige Züglein mit Don Quichottschem Eifer
los. An der gotischen Wallfahrtskirche mit dem roten Nadelturm, die ein
schon 1503 verehrtes Gnadenbild birgt, und an dem ihr benachbarten großen
Pfarrhaus und Friedhof vorbei, schmiegt sich die Bahn am Bustatschgehänge
dahin. Im obersten Winkel des Grödentales, am Piz Culatsch, einem
vorgeschobenen, haltgebietenden Sporn der Sella, über den aus der
erdrückenden Wucht des Felsenwalles wie zwei beschwörende Finger das
Doppelhorn der Murfreittürme sich emporreckt, endet in der geräumigen
Station Plan (1594 m) nach 31 km Fahrt die Grödenbahn.

 |
 |
Das Planum sowie der Beginn des Kreisviadukts. Der
Viadukt ist zu Beginn am flachen Teil stark verwachsen, am
unverwachsenen Teil ist dagegen die Böschung sehr steil. Rechts
Übersichtsfoto des Viadukts, aufgenommen vom Kloster Säben auf einem
Felsen oberhalb von Klausen. Im Vordergrund sichtbar die Gleise der
Brennerbahn, links hinter dem tw. sichtbaren neuen Heizwerk befindet
sich der langsam verfallende original Lokschuppen der Grödnerbahn
(Foto folgt) |
Labungstips in Klausen: In der Altstadt (Unterstadt) Restaurant
Gasslbräu mit herrlichem selbstgebrautem Bier (helles, dunkles, Weißbier)
und leckeren Speisen (Foto links: Überbackene Bratwürste, Polenta und
Eierschwammerl; gutes Preis-/Leistungsverhältnis); den Bahnhof Klausen direkt im
Blick vom Gastgarten des Hotels Restaurant Bar Pizzeria Krone. Herrlicher
Merlot aus der Bozner Gegend um 2. Euro das Achterl, gut gekühlt im passenden Glas).
Ein Besuch der authentischen Altstadt sowie des Klosters Säben oberhalb von
Klausen (Gehzeit durch die Weinbege ca. 30 Minuten) ist jedem Besucher
empfohlen.

Eine Dokumentation der
weiteren Relikte durch DEEF ist in Planung!

Linktips / Literatur:
Offizielle Webseite der Südtirolbahn sowie Busverkehr:
www.vinschgauerbahn.it ;
www.sad.it
www.tecneum.eu ;
Wikipedia
Übersicht über alle (süd-) tirolerischen Bahnen bei den "Tiroler
Museumsbahnen" Innsbruck:
www.tmb.at
Barth, Hanns, 1927: Gröden und seine Berge. München, 131 Seiten.
Dultinger, Josef, 1982: Auf schmaler Spur durch Südtirol. Schmalspurbahnen
südlich des Brenners.
Dultinger, Josef, 1990: Vergessene Vergangenheit. Schmalspurbahnen der
k.u.k. Armee zur Dolomitenfront 1915–1918.Thaur bei Innsbruck
Perathoner, Elfriede, 1991: Die Grödnerbahn. Bozen.
DEEF: Zur Brennerbahn
bzw. Brennerbasistunnel:
http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/brennerbasistunnel.htm
DEEF: Brennerbasistunnel Süd (Baustellenvisite
Franzensfeste):
http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/brennerbasistunnel_franzensfeste.htm
DEEF: Zu Fuß entlang der alten Strecke vom Brenner bis
Gossensaß (ein Reader in 4 Teilen)
http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/brennerbahn_bahnhofbrenner.htm
Alle Fotos dieser Seite: DEEF / Dr. Michael Populorum,
Lumix TZ 4, ausser historisches Foto der Grödnerbahn bei St. Christina
(Wikipedia, gemeinfrei).

Sollten Sie Anregungen zu den Projekten haben oder eigene
Beiträge oder Fotos präsentieren wollen, so freuen wir uns auf eine
Kontaktaufnahme. Haben Sie einen Fehler entdeckt? Bitte um Info >
redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org
Bericht von: Dr.
Michael Populorum, Chefredakteur DEEF; Erstmals online publiziert:
15. August 2011; Änderungen: -