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Die Leobersdorfer Bahn oder was blieb von den visionären Planungen? (Teil 1 Überblick)

Auf nach NÖ - "Leichenflederei für Eisenbahnliebhaber"

Leobersdorfer Bahn DEEF / Dr. Michael Populorum

Samstag Vormittag im November 2010 - ich sitze im Railjet (ein IC oder EC wäre mir aus Komfortgründen lieber) und eile gen Niederösterreich. Denn mit Fahrplanwechsel im Dezember soll wieder einmal eine Eisenbahnstrecke stillgelegt werden. Hatte man gehofft, dass mit Übernahme zahlreicher ÖBB-Nebenbahnen in Niederösterreich durch das Land Erfolgsgeschichten á la Pinzgaubahn, Zillerbahn oder Vinschgerbahn auch im Osten Österreichs Einzug halten, ist dem Optimismus nun Katerstimmung gefolgt - man ist offenbar vom Regen in die Traufe geraten. Wurde den Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern das Stillegen von Nebenbahnen vorab immer damit versüsst, dass sie dann der Bus bis vor die Haustüre bringen wird, so sieht die Tatsache nach Stillegung aktuell so aus, dass es bspw. im Mostviertel sowohl am Samstag wie am Sonntag überhaupt keinen öffentlichen Verkehr mehr gibt - eine wohl einzigartige Chuzpe für ein zivilisiertes Land.

Nun ist ein Seitenast der Leobersdorfer Bahn "dran" - nachdem schon 1988 der Seitenast von Traisen nach Kernhof gestutzt und das Streckenende von Kernhof nach Markt St. Aegyd am Neuwalde vorverlegt wurde (St. Aegyd - Kernhof ist zwischenzeitlich abgebaut), soll nun dieser Seitenast weiter amputiert werden. Nun droht auch der Bevölkerung dort die gleiche Verschlechterung in der Anbindung an den öffentlichen Verkehr wie sie mir bei Gesprächen (2008) die KernhoferInnen geklagt hatten. Um für meine Leserinnen und Leser noch ein Bild von der aktiven Strecke wiedergeben zu können eile ich also (im RJ und nicht im bequemeren EC/IC) gen St. Aegyd.....

Die Leobersdorfer Bahn als Überbleibsel eines grösseren (geplanten) Ganzen

Unter Leobersdorfer Bahn versteht man im engeren Sinne eine Nebenbahnstrecke von St. Pölten (an der Westbahn) via Traisen -  Hainfeld - Weißenbach-Neuhaus nach Leobersdorf (an der Südbahn gelegen). Sie ist in der Gesamtstrecke 75 km lang, wobei die Kilometrierung in Leobersdorf beginnt. Die Eröffnung des Streckenabschnitts Leobersdorf - Kaumberg erfolgte im September 1877, die Reststrecke bis St. Pölten wurde im Oktober des selben Jahres eröffnet. Errichtet wurde die Bahn von privaten Geldgebern, die als Aktiengesellschaft unter dem Namen "k.k. priv. Niederösterreichischen Südwestbahnen" (NÖSWB) firmierten. Jedoch schon 1878 übernahm der Staat aufgrund von Finanzierungsproblemen des privaten Konsortiums die Endfinanzierung sowie den Betrieb und der Name änderte sich in "k.k. niederösterreichische Staatsbahnen". Der Zwecke der Bahn war einerseits eine Verbindung von West- und Südbahn, andererseits ist sie als wichtige Infrastrukturmassnahme für die traditionelle (eisenverarbeitende) Industrie bzw. Gewerbebetriebe zu sehen. Erst an dritter Stelle diente (e) sie dem Personenverkehr vor Ort, also dem Ziel-/Quellverkehr im Traisen-, Gösen- und Triestingtal.

Gleichzeitig mit den Planungen und der Konzessionierung der Leobersdorferbahn sowie auch noch in späteren Jahren wurden ausgehend von diesem Hauptast noch weitere Linien projektiert und teilweise auch gebaut. Folgende Strecken sind in diesem Kontext zu betrachten:

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Hauptast Leobersdorfer Bahn, Leobersdorf (Südbahn) - St. Pölten (Westbahn), 75 km, eröffnet 1877 durch NÖSWB (1878 verstaatlicht)

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Seitenast Traisen (vormals Scheibmühl) - Schrambach (8,6 km, eröffnet 1878) - Freiland - St. Aegyd am Neuwalde - Kernhof (34,3 km von Traisen, eröffnet 1893), Staatsbahn

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Seitenast Freiland - Türnitz (9,2 km, eröffnet 1908, errichtet in Hinblick auf eine Verlängerung nach Mariazell von den Niederösterreichischen Landesbahnen, 1921 verstaatlicht

Nicht verwirklicht wurden die Verlängerung der Linien von Kernhof und Türnitz Richtung Westen mit Anschluss an die Mariazellerbahn sowie von dort weiterführend ins steirische Mürztal via Wegscheid - Au-Seewiesen - Aflenz - Kapfenberg (Thörlerbahn).

Weiters die Strecke (tw. mit Zahnstangen) St. Aegyd - Terz - Mürzsteg - Neuberg - Mürzzuschlag ?

Übersichts-Skizze Leobersdorfer Bahn, Quelle Elmar Oberegger 2008

Übersichts-Skizze "Leobersdorfer Bahn im regionalen Kontext". Quelle: Elmar Oberegger 2008 (online)

An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass die Niederösterreichischen Südwestbahnen auch noch die Gutensteinerbahn (Wittmannsdorf - Piesting - Gutenstein) sowie die Erlauftalbahn (Pöchlarn - Scheibbs - Kienberg-Gaming) umfassten.

Leobersdorfer Bahn DEEF / Dr. Michael Populorum Leobersdorfer Bahn DEEF / Dr. Michael Populorum Leobersdorfer Bahn DEEF / Dr. Michael Populorum

Die Situation heute und die Befürchtungen für morgen

Das Streckennetz der Leobersdorfer Bahn sowie ihre 2 Seitenäste ist durch staatlich verursachte Amputationen heute deutlich kleiner als zur Zeit der grössten Ausdehnung.

Hauptast: Es gibt keinen durchgehenden Verkehr mehr, also West- und Südbahn sind nicht mehr verbunden. Personenverkehr von Leobersdorf bis Weißenbach-Neuhaus (km 19,1). Seit Dezember 2004 Lücke zwischen Weißenbach-Neuhaus (km 19,1) und Hainfeld (km 43,9), also über den Gerichtsberg (Wasserscheide Piestingtal - Gölsental, Gerichtsberg-Tunnel mit einer Länge von 168m). Der Güterverkehr wurde schon vorher (2001) eingestellt. Zuletzt verkehrte 2005 sonntags ein regelmässiger Nostalgiezug namens "Triestingtal-Express". Von Hainfeld (km 43,9) bis St. Pölten (km 75,3) Taktverkehr (wochentags meist stündlich). Von den ursprünglich 75,3 km werden also nur mehr 50,5 km befahren.

Seitenast Traisen - Kernhof: Ursprünglich 34,3 km lang wurde die Strecke 1988 amputiert, der heute Endpunkt in Markt St. Aegyd am Neuwald liegt bei km 29,5 (minus 4,8 km, Gleise abgetragen). Mit Fahrplanwechsel 2010/11 am 13. 12. 2010 soll die Strecke weiter amputiert werden, als Endpunkt für den Personenverkehr ist Schrambach (km 8,6) im Gespräch. Somit bliebe nur ein Torso der Strecke übrig.

Seitenast Freiland - Türnitz: Ursprünglich 9,2 km lang wurde die Strecke mit Juni 2001 komplett stillgelegt. Noch liegen die Gleise, sollen aber Gerüchten zufolge einem Radweg weichen. Womit die Radlfahrer dann retourfahren das wissen wohl nur die niederösterreichischen Politiker und Tourismus-"Experten".

Somit ergibt sich folgende Situation:

Ursprüngliches Streckennetz 118,8 km

Heutiges Streckennetz mit Personenbeförderung: 80,0

Befürchtetes Szenario ab 13.12.2010 - Streckenlänge 59,1 km

Wie hier ein klimaneutrales Handeln der ansässigen Bevölkerung sowie ein "sanfter, ökologischer Tourismus" funktionieren sollen das bleibt wohl nicht nur mir als Chefredakteur von DEEF ein Rätsel.

Weiterführende Infos bzw. Fotodoku sind wie folgt geplant:

Leobersdorfer Bahn Teil 2: Der Hauptast

Teil 3: Seitenast Traisen - Kernhof

Teil 4: Seitenast Freiland - Türnitz

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 14. November 2010; Änderungen: -

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Last modified  Sonntag, 24. Mai 2015 22:13:38 +0200
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