DEFF Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung Dr. Michael Populorum AustriaEisenbahnforschung # Eisenbahn-Archäologie # Eisenbahn-Geographie # Eisenbahn-Geschichte

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Der Wachtl-Express - schmalspurig unterwegs in 2 Ländern

Die Wachtlbahn ist eine mit 900 Volt Gleichstrom elektrifizierte Schmalspurbahn mit 900 mm Spurweite und einer Länge von 5 km im Grenzgebiet von Bayern und Tirol und führt von Kiefersfelden in Bayern nach Wachtl in der Gemeinde Thiersee in Tirol. Von 1880 bis 1991 war die Bahn ausschließlich für den Transport von Gestein aus den Steinbrüchen in Wachtl ins Zementwerk nach Kiefersfelden im Einsatz, seit 1991 gibt es auch Personenverkehr.

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2 Krokodile mit den internen Bezeichnungen 4 und 5 stehen als Zugloks zur Verfügung. Hier Lok 5, Bj. 1927

Seit der "Einmottung" des Zementwerkes Ende 2002 dient die Bahnstrecke ausschließlich dem Touristikverkehr in den Sommermonaten. Die Vermarktung erfolgt unter dem Namen "Wachtl Express" bzw. "Wachtl-Bahn" durch den Verein "Museums-Eisenbahn-Gemeinschaft Wachtl e. V. ", der die Betriebsführung innehat und auch Eigentümer der Waggons ist (seit 2012). Die Instandhaltung der Strecke sowie der beiden eingesetzten Lokomotiven Nummer 4 und 5 sowie einer Diesellok erfolgt durch die HeidelbergCement AG, die nach wie vor Eigentümerin der Infrastruktur ist und auch den Strom kostenfrei zur Verfügung stellt.

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Der Weg vom Bahnhof Kiefersfelden an der Bahnstrecke Rosenheim - Kufsten (Streckenkilometer 30,5 und 483 m.ü.d.M.) ist gut beschildert und man benötigt ca. 20 Minuten dafür. Schneller ginge es wohl wenn man direkt zum Zementwerk gehen könnte aber da gibt es (noch) keinen Weg

Einige Fakten:

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Ab 1853 Zementproduktion in Kiefersfelden (Brennofen des Andreas Bleier). Zement wurde u.a. auch für den Bahnbau Rosenheim - Kufstein verwendet (eröffnet 1858)

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Um 1880: Beginn der Transporttätigkeit auf Schienen von Wachtl nach Kiefersfelden mittels Pferdeeisenbahn. Spurweite vermutlich 600 mm. Transportleistung 500 Tonnen pro Tag

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1923: Umspurung der Bahn auf exotische 820 mm. Die Traktion mit einer Naßdampf-Lokomotive von Maffei ermöglichte eine tägliche Transportleistung von bereits 1.000 Tonnen

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1923: Das Werk firmiert unter dem Namen Bayerische Portland Cement-Fabrik Kiefersfelden

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1926: Das Zementwerk kommt an die damalige Portland-Cementwerke Heidelberg-Mannheim-Stuttgart AG (ab 1938 Portland-Zementwerke Heidelberg Aktiengesellschaft)

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Nach dem 2. WK: Umstellung auf Dieseltraktion, Transportleistung 1.200 Tonnen/Tag.

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1957 neues Schienenprofil S 49

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1961 Zwei Ausweichen in Hechtsee/Schöffau und Breitenau ermöglichen eine tägliche Transportkapazität von 2.000 Tonnen

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1970 Umspurung auf 900 mm und Elektrifizierung mit 1.200 Volt Gleichstrom

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1978: Das Unternehme firmiert jetzt als Heidelberger Zement Aktiengesellschaft.

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Dezember 1990 Gründung der Museums-Eisenbahn-Gemeinschaft Wachtl e. V. , vorerst noch im Rahmen der HeidelbergCement AG

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6. Juli 1991: Aufnahme des Personenverkehrs mit 2 im selben Jahr von der Wendelsteinbahn angekauften und von 1.000 mm auf 900 mm umgespurten Personenwagen (Baujahr 1912)

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1993: Ankauf eines weiteren Personenwagens von der Wendelsteinbahn, Umspurung und Umbau zum Barwaggon

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1994: Ausgliederung des Vereins aus der HeidelbergCement AG zu einem eigenständigen EVU

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2001/2002: Umbenennung des Unternehmens in HeidelbergCement AG

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31. Dezember 2002: Schließung des Zementwerks in Kiefersfelden

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2003: Das Werksgelände wird an die Rohrdorfer Gruppe (Südbayerisches Portland-Zementwerk Gebr. Wiesböck & Co. GmbH) verkauft, an der Heidelberg AG seit 1968 einen nennenswerten Anteil hält

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2008: Die Dettendorfer Unternehmengsgruppe übernimmt große Teile des Werksgeländes als Johann Dettendorfer Ferntrans GmbH & Co. KG Logistikpark Kiefersfelden. Adaptierung des Geländes für die neue Nutzung.

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16.5.2008: Sprengung des Hochofen

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4.6.2008: Sprengung des Kamins

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2012: Übergabe der Waggons in das Eigentum des Vereins

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Juli 2014: Beginn Abriß der Betonsilos

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Info-Schild zur Wachtl Bahn direkt am Bahnhof Kiefersfelden

Neben dem episodischen Personentransport als Touristikbahn wird die Wachtl-Bahn nach wie vor als Werksbahn (offizielle Bezeichnung: Steinbruchrollbahn Kiefersfelden) in Reserve gehalten, sind doch die Abbaurechte im Steinbruch Wachtl noch bis in die 2030er Jahre aufrecht und der Steinbruch und die Verladeeinrichtung in Wachtl sowie die Brecheranlage im ehemaligen Zementwerk Kiefersfelden noch betriebsfähig. Somit kann auf eine eventuelle stärkere Nachfrage am Betonmarkt durch erneutes Hochfahren der eigenen Rohstofferzeugung reagiert werden.

Stationen:

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Kiefersfelden Zementwerk km 0,0

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Siedlerweg km 0,5

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Kohlstatt km 1,3

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Hechtsee / Schöffau km 2,5

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Breitenau km 3,5

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Gießenbachklamm km 3,9

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Wachtl km 5,0

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Streckenende ca. km 5,2

Touristikverkehr:

Der touristische Personenverkehr findet vorwiegend in den Sommermonaten statt und zwar meist alle 2 Wochen an Samstagen und Sonntagen. Dabei werden aktuell (2015) 3 Fahrten täglich angeboten. Die Fahrt kostet je Richtung 3 Euro, die Fahrtzeit einfach beträgt ca. 25 Minuten. Bei einigen Stationen heißt es "Halt auf Verlangen".

Nähere Infos auf der Webseite des Betreibervereins: http://www.wachtl-bahn.de/

Nachfolgend eine kurze Fotodoku von meinem Besuch der Wachtl-Bahn im Juli 2015:

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Stündliche Verbindungen von Kufstein oder Rosenheim aus mit dem Meridian. Das nette Bahnhofsgebäude ist großteils ausser Nutzung gefallen. Neben dem Bahnhof gute Labungsstelle "Gasthof zur Post" mit Flötzinger Bier aus Rosenheim

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Zahlreiche Wandermöglichkeiten ergeben sich im Grenzgebiet von Bayern und Tirol

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Nochmals ein Hinweisschild, diesmal Lok 4 auf der Zeichnung (vorheriges Schild Lok 1)

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Der Startbahnhof im Zementwerk wird als Kiefersfelden Hbf bezeichnet. Um Verwechslungen vorzubeugen bevorzuge ich die Bezeichnung Kiefersfelden Zementwerk (wenn schon Hbf dann wäre das der Bahnhof an der Hauptbahnstrecke)

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moderner Zweckbau des Vereins mit u.a. WC-Anlagen

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Hier wurden früher die Steinblöcke abgeladen, fielen 10 m in die Tiefe auf ein Förderband, welches diese dann weiter zum Brecher daneben leitete und diese dann weiter per Förderband zur Weiterverarbeitung in das Werk transportiert wurden. Die Grube ist aktuell zugeschüttet

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Der Brecher, zur Zeit im Ruhestand aber nach wie vor einsatzbereit

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Details zum Brecher und zur Steinbruchbahn

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Ein paar Impressionen am Ende der Gleise im Zementwerk

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Im Hintergrund befinden sich die Gleise des Normalspuranschlusses zur Bahnlinie Rosenheim - Kufstein

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Gmeinder Diesellok (einsatzfähig), Baujahr 1947, Werksnummer 4247, 130 PS, Dienstgewicht 16,5 Tonnen

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Der Wachtl Express ist neben der Brecheranlage angekommen

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Krokodil Nummer 5, Brown Boveri Baujahr 1927

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Es wird umgesetzt

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Der Barwagen, an diesem Tag "Saunawaggon"

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KGB meint in diesem Fall nicht den Geheimdienst der UdSSR sondern dient (e) als Vermarktungsname "Kieferer Grenz-Bahn" neben der Bezeichnung "Wachtl Express"

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Zu Beginn der Fahrt wurde ein kurzes Video zur Einstimmung im Barwaggon abgespielt

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Die alten Originalwaggons der Wendelsteinbahn, Baujahr 1912

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Im Führerstand des Krokodils

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Los geht's - Rückblick bei der Ausfahrt aus dem Zementbahnhof

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Das Nadelöhr - nur ganz wenig Platz links und rechts der Waggons (auch aufgrund der Umspurung)

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Hälfte der Strecke bei km 2,5 ist in Hechtsee / Schöffau erreicht. Die Leitungsmasten zeigen an, daß hier bis vor kurzem 2 Gleise lagen. Rückbau also auch auf "Museumsbahnen"

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Haltestelle Hechtsee / Schöffau

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Haltestelle Breitenau bei km 3,5

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Brücke über den Kieferbach bei km 3,7

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Haltestelle Gießenbachklamm, Streckenkilometer 3,9. Hier stiegen zahlreiche Wanderer aus

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Horridoh - Wachtl ist erreicht! Lok Nummer 4 mit der Schiffsglocke steht zum Einsatz für die Rückfahrt bereit am Ladegleis. Dahinter sieht man die rostfarbige Verladerampe

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Wachtl in Tirol, Gemeinde Thiersee (2.871 Einwohner), Bezirk Kufstein. Direkt durch den Bahnhofsbereich geht die Staatsgrenze, die hier allerdings nie wirklich Trennendes sondern eher Verbindendes war

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Das alte österreichische Zollhaus. Dahinter über eine kleine steile Treppe geht es empor zum Gasthaus Wachtl

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Auch 1.200 Volt Gleichstrom kann bei Berührung ungesund werden

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Lok 4 mit der Schiffsglocke wurde an den Wachtl Express angekuppelt und steht zur Rückfahrt bereits. Die Lok ist ein Jahr jünger als Lok 4 und wurde bei Brown Boveri 1928 gebaut

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Die abgekuppelte Lok 5. 100 Meter im Hintergrund befindet sich der Prellbock sowie daran anschließend abgezäunt das Steinbruchgelände

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Lok 5 abgekuppelt, sie wird wohl den letzten Zug des Tages dann nach Kiefersfelden zurückziehen. Links daneben sieht man ein Schild, worauf die Kilometerangabe 5.000 steht

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Verschlossener Eingang zum Steinbruch. Ob da doch wieder einmal abgebaut wird und die Wachtl Bahn auch wieder Gütertransport erfüllen wird??  Vielleicht sogar wie zuletzt 4.000 Tonnen Gestein pro Tag?

Fazit: Eine Fahrt mit dem Wachtl Express ist ein nettes kurzweiliges Vergnügen, das man einmal gemacht haben soll. Kombiniert man die Fahrt mit einer Wanderung in dieser schönen Gegend, so kann man den Wachtl Express auch mehrmals als Fahrgelegenheit nutzen. Die Aufenthaltszeit in Wachtl ist etwas zu kurz bemessen - um bspw. im nahen Gasthaus Wachtl einzukehren oder in Ruhe Fotos zu machen. Eine sinnvolle Maßnahme wäre sicher ein 2-Stunden-Takt, da kann man dann mit der nächsten Verbindung zurückfahren bzw. bspw. am Hechtsee nach einem Bad wieder weiterfahren. Das geht aktuell leider nur, wenn man den ersten von drei Zügen nimmt.

 

Am Tag meiner Reise hatte es 34 Grad im Schatten und da in den Waggons die Fenster nur einen Spalt aufgemacht werden konnten (wegen 1 einzigen engen Straßenunterführung!) kam man in den Genuß einer Saunafahrt mit ca. 50 Grad im Waggon. Hier sollte schon an die Eigenverantwortlichkeit der Fahrgäste appelliert und die Fenster geöffnet werden. Leider machen sich immer mehr Un-Sitten aus Amerika auch in Europa breit, so eben auch die Sache mit den Fenstern oder daß man auf der Lok nur mitfahren darf, wenn man vorher 5 Euro Versicherungsprämie bezahlt hat. Worauf ich dann verzichtet habe!

 

DEEF und sein Chefred wünschen der Wachtl Bahn noch viele Jahre erfolgreiches und unfallfreies Fahren!

            

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur Railway Research Austira / DEEF;  Erstmals Online publiziert: 11. Juli 2015; Letzte Ergänzung:

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Last modified  Samstag, 11. Juli 2015 22:11:21 +0200
Autor/F.d.I.v.: Kons. Univ. Lekt. Dr. Michael Alexander Populorum DEEF # Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung # Railway Research Austria 2009-2020 

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