Kurzes Resümee zum neuen ÖBB-Fahrplan ab Dezember 2020 aus Salzburger Sicht
Der Fahrplanwechsel im Dezember jedes Jahres wird von Fahrgästen und Eisenbahnfreunde entweder mit Freude oder mit Schrecken erwartet, je nachdem, ob vor allem im eigenen räumlichen Umfeld zusätzliche oder bessere Verbindungen eingeführt werden oder der Fahrplan ausgedünnt oder gar Strecken stillgelegt werden. Ein Wechselbad der Gefühle also, denn meist zeigte sich in der Vergangenheit bei der Präsentation des neuen Fahrplans durch die obere Riege der ÖBB, dass Verbesserungen mit großem Trara und Selbstlob präsentiert wurden, auf der anderen Seite aber oftmals deutliche Verschlechterungen stattfanden, worüber aber ein Mantel des Schweigens gebreitet wurde.
Wobei letzteres leider – aus Sicht der Fahrgäste – selten thematisiert wurde, einerseits weil es kaum kompetente und schlagkräftige Fahrgastverbände in Österreich gibt (es sei hierbei bspw. auf Pro Bahn Österreich im Vergleich zu Pro Bahn Deutschland hingewiesen) und andererseits, weil die meisten Journalisten der Mainstream-Medien (bspw. Tageszeitungen, ORF) ihren Job nicht ordentlich verrichten und unreflektiert die Pressetexte der Staatsbahn mit ihren Jubelmeldungen durch copy & paste an ihre Leserschaft weiterleiten. Und kritische Journalisten, Fachmedien sind bei den Pressekonferenzen der Staatsbahn eher unbeliebt, werden tw. gar nicht eingeladen, weil Diskurs und Kritik offensichtlich nicht erwünscht sind.
Jedenfalls stellt der neue Fahrplan immer de facto die Willensbekundung der Staatsbahn sowie der Verkehrspolitiker und deren Verkehrsplaner hinsichtlich der Gestaltung des (Öffentlichen) Verkehrs dar. Ein Offenbarungseid also, wo augenscheinlich wird, wie groß die Kluft zwischen Sonntagsreden sowie Ankündigungspolitik und dem Tun, dem Realisieren ist.
Eine große Präsentation im ÖBB-Tower in Wien entfiel dieses Jahr aufgrund der Corona-P(l)andemie und auch in Salzburg schien es keine Pressekonferenz zum Salzburger Fahrplan zu geben, zumindest erhielt ich keine Einladung.
Fangen wir mit dem Positiven an:
Wie von mir seit Jahren gefordert kehren einige wichtige – aber vor einigen Jahren kurzsichtiger Weise gekappte – Tagesrandverbindungen wieder zurück.
Ein Tagesausflug nach Zürich ist ab Salzburg wieder möglich – Abfahrt in Salzburg um 05.54, Ankunft Zürich HB um 11.20. Rückfahrt um 18.40, Ankunft Sbg Hbf um 00.12. Somit hat es endlich auch wieder eine spätere Verbindung von Innsbruck Hbf nach Salzburg nämlich um 22.17 (aktuell um 20.17!). Somit kommt man auch mit dem letzten Italien-EC (EC 82) noch nach Salzburg, wenngleich mit einem Aufenthalt von über 1 Stunde in Innsbruck (da von 20.17 bis 22.17 keine Verbindung nach Salzburg).
Von Graz kommt man auch später als aktuell noch nach Salzburg – ab Graz Hbf um 19.45 mit Umstieg in Bischofshofen in den D-Zug ab Klagenfurt, Salzburg an 23.48. Negativ an dieser Verbindung: Es handelt sich um einen “D-Zug”, eine Zuggattung, welche lange in Österreich nicht mehr existierte und welche die ÖBB über die Hintertür wieder eingeführt haben und zwar aus Wagenmangel – diese D-Züge sind ohne 1. Klasse und offenbar ohne Bewirtschaftung. Da fragt man sich halt wieder einmal, warum man zahlreiche 1. Klasse-Waggons (Großraum wie Abteile) entweder billig verscherbelt oder zu 2. Klasse-Waggons umgebaut hat. Professionalität und optimale Planung sehen anders aus!
Die bereits im Scotty vor ca. 1 Woche gesichtete Spätverbindung von Wien nach Salzburg mit RJX ist heute am 30.10.2020 nicht mehr auffindbar – sie wäre aber extrem wichtig.
Endlich gibt es an Wochenenden einen Stundentakt auf der Westbahnstrecke zwischen Straßwalchen und Attnang-Puchheim. Das war längst fällig!
Der Streckenabschnitt von Saalfelden nach Hochfilzen – immerhin mit der touristischen Hochburg Leogang – wurde bis dato recht stiefmütterlich bedient, mit Fahrplanwechsel soll ein Stundentakt kommen, womit der Anschluss an/vom S-Bahn Netz Tirol weg vom Kirchturmdenken dann optimaler bewerkstelligt werden soll.
Das Negative (Auswahl):
Leider deutlich größer als die wenigen Verbesserungen!
Wagenmangel: Ist leider im Nah- wie Fernverkehr immer noch gravierend! Und das muss dem ÖBB-Vorstand als grobe Planungsfehler angelastet werden!
Vor Jahren wurde die Einführung der RJ-Verbindungen auf der Tauernbahn (zu Recht) gefeiert. Seit 2020 verkehrt bspw. der ehem. RJ ab Sbg Hbf um 08.12 wieder als IC! Ohne Speisewagen, mit einem AD-Wagen (nur halber Waggon 1. Klasse) sowie einem noch dazu seit Monaten defekten Plumpsklo-Steuerwagen.
Detto ist das Wagenmaterial der IC Sbg-Graz und der EC (DB-Garnituren) nicht mehr zeitgemäß. Und warum soll jemand, der bspw. so wie ich eine ÖCARD 1. Klasse hat, auf ein Businessgetränk verzichten wenn er die Relation Sbg-Graz fährt, Zeitungsservice findet aktuell auch nicht statt, man hat zusätzlich ein Upgrade versäumt, sodass die Wagen kein WLAN und keine modernen Info-Screens aufweisen. Da nehme man sich ein Beispiel an den Abnehmern der ehem. ÖBB-IC-Wagen, bspw. Regiojet – dort wurden die Wagen entsprechend modernisiert, in Österreich fährt man offenbar bis die Wagen auseinanderfallen. Eine Schande wie “upgefuckt” teilweise die Lackierungen von Loks und Waggons der ÖBB daherkommen!
Einen Regionalverkehr gibt es nach wie vor nicht auf:
- Der Tauernbahn und
- Der Ennstalbahn zwischen Bischofshofen und Schladming
Auch von einer Pinzgau S-Bahn ist nichts zu sehen. Die seit Jahren angekündigte Haltestelle im Stadtgebiet von Zell am See gibt es nach wie vor nicht und im Intercity-tauglichen Bahnhof von Maishofen-Saalbach (ausgebaut im Rahmen der Ski-WM in Saalbach 1991) mit Zugang zum touristisch wichtigen Glemmtal rauschen nach wie vor auch zahlreiche S-Bahnen durch. Anstatt hier einen touristischen bimodalen Knoten (Bus-Bahn) einzurichten – es gibt ausreichend Parkplätze, aktuell schwach genutzt – staut man mit den Touristenbussen und Skibussen nach wie vor durch Zell am See hindurch!
Auch das Erfolgsmodell S3 wird nicht weiter ausgebaut – an Sonntagen gibt es nach wie vor nur einen Stundentakt anstatt einem Halbstundentakt wie an Werktagen sowie einer Taktverdichtung auf 15 oder 20 Minuten an Werktagen.
Keine großen Fortschritte gibt es auch auf der S2 nach Straßwalchen. Im wichtigen Bahnhof Seekirchen am Wallersee tuckern nach wie vor die REX nach Braunau durch – womit wir last but not least bei der Mattigtalbahn angelangt sind, einem Sorgenkind seit Jahren.
Aktuell wird die Mattigtalbahn nach Jahren des Redens endlich elektrifiziert – allerdings nur bis zum Bahnhof Friedburg, damit die Autozüge zu den Lagern ohne Umspannen zufahren können.
Auch der oftmals angekündigte Stundentakt am Wochenende scheint wiederum nicht zu kommen, ein Trauerspiel! Und die ob der kompletten Fehlplanung seitens der Staatsbahn nicht oder nur mehr selten bedienten Halte u.a. in Teichstätt oder Achenlohe werden weiterhin nicht bedient. Und wahrscheinlich geht das Desaster (laufend Verspätungen, Zugausfälle) aufgrund der von der DB angemieteten Triebwagen VT 642 (ident mit ÖBB BR 5022) weiter. Dabei wäre es längst an der Zeit, durch höherwertigere Absicherungen der Eisenbahnkreuzungen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von vielerorts 60 auf 100 km/h und mehr zu erhöhen, doch wie so oft auf Strecken der Staatsbahn (siehe u.a. Salzkammergutbahn, Ennstalbahn) gurkt man wie vor 100 oder mehr Jahren – also wie zu Kaisers Zeiten – auf dem alten Trassee herum. Da hat es viel Nachholbedarf, den die Politik endlich von den Staatsbahnern einfordern müßte – schließlich gehört die Bahn allen Staatsbürgern und die Staatsbürger finanzieren diese Staatsbahn.
Last not least nochmals meine schon oftmals propagierte Forderung: Komplette und transparente Ausschreibung aller Gemeinwirtschaftlichen Leistungen anstatt Freihandvergabe an die Staatsbahne. Dadurch sind deutliche Mehrleistungen um weniger Kosten bei zumindest gleichbleibender Qualität zu erwarten!
Preiserhöhungen sollen laut aktuellem Stand dieses Jahr keine kommen – immerhin wurde die Österreichcard 1. Klasse Classic in den letzten 6 Jahren um über 30%!! teurer bei tw. weniger Leistung.
1-2-3 Ticket:
Wieder einmal ist ein österreichweit gültiges Ticket nach dem Vorbild des Schweizer Generalabos im Gespräch, die aktuell grüne Verkehrsministerin (Gewessler) hat sich das auf die Fahnen geheftet und es scheint nun wirklich im Jahr 2021 eingeführt zu werden. Hier gilt es dann natürlich, kundenorientierte Schnittstellen zu anderen Angeboten (bspw. Österreichcard der ÖBB) einzurichten. Nach Einführung so einer Netzkarte für den gesamten Öffentlichen Verkehr ist auch dann die Zeit mehr als reif, einen Integrierten Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild einzurichten – davon sind wir ja leider aktuell noch meilenweit entfernt.
Links:
Österreichische Bundesbahnen ÖBB >>>
Salzburger Verkehrsverbund SVV >>>
Österreichisches Verkehrsministerium >>>
Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum.
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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF
Erstmals Online publiziert: 30. Oktober 2020; Letzte Ergänzung: 31.10.2020