Die Mendelbahn – Von Kaltern mit der Standseilbahn durch die Weinberge auf den Mendelpass

Prolog
Als ca. 10-jähriger war der Autor dieser Zeilen zum ersten Mal auf dem Mendelpaß – damals mit Großmutter Gusti, Mutter Ingrid und Tante Rosi aus Selker (Mühlviertel), allerdings nicht auf Schienen, sondern auf der abenteuerlichen, serpentinenreichen Mendelpaßstraße, auf die uns Busunternehmer Christoforetti höchstpersönlich in schwungvoller Fahrt beförderte. Dabei ist die Straße, so spektakulär sie auch erscheinen mag, erstens deutlich jünger als die Bahn und verblasst auch im Vergleich der technischen Daten und der Leistung, die damals bei der Errichtung zu erbringen waren, deutlich hinter der Bahn.

Was für die Bozner die Rittnerbahn ist für die Überetscher die Mendelbahn – in wenigen Minuten – 12, um genau zu sein – geht es hinauf auf den Mendelpaß, die Hitze und die Sorgen des Alltags kann man schnell und einfach hinter sich lassen. Den Reisenden war bis 1934 auch noch das Vergnügen gegönnt, nach der Auffahrt auf die Mendel in den Zug nach Dermulo (Nonstal) umzusteigen und von dort nach Trient zu reisen. Ein klassischer „Giro“, eine Rundreise war also möglich.

Ursprünglich bestand die Mendelbahn aus 2 Teilstrecken, nämlich einer Adhäsionsbahn als Verbindungsbahn vom Bahnhof Kaltern (Endstation Überetscher Bahn) nach St. Anton und der heute noch bestehenden Standseilbahn auf den Mendelpass. Die Adhäsionsbahn wurde gemeinsam mit der Überetscher Bahn 1963 stillgelegt, der Personentransport wird durch Busse der SAD abgewickelt. Das Trassé der Überetscherbahn wird großteils als Radweg genutzt und erfreut sich bei Radfreunden (Einheimischen wie Touristen) großer Beliebtheit. Aktuell (2011) wird ernsthaft zumindest eine partielle Wiedererrichtung der Überetscher Bahn diskutiert.
Die Mendelbahn war übrigens die 1. elektrisch betriebene Standseilbahn Österreichs und galt dazu noch als die steilste Standseilbahn auf dem europäischen Festland und als die längste Seilbahn überhaupt weltweit.

War die Mendelbahn noch in den 1980er Jahren einstellungsgefährdet, so präsentiert sich die Bahn heute als touristisches Highlight Südtirols, dessen Besuch sich immer wieder lohnt.

Anreise
Mit dem Bus der SAD von Bozen bis Kaltern (halbstündlich), dann Umstieg in Citybus bzw. auch durchgehende Kurse von Bozen zur Talstation in Kaltern St. Anton (stündlich). Tip: Die „Mobilcard“ eignet sich optimal. Erhältlich für 3 oder 7 Tage (mit oder ohne Museen oder Fahrrad), gültig auf allen Eisenbahnstrecken und Buslinien Südtirols sowie einiger Bergbahnen (u.a. Rittnerbahn, Mendel). Kostet für 3 Tage (2011) 18.- Euro pro Person.



Ein paar Fakten zur Mendelbahn (Funicolare della Mendola)
Beginn der Bauarbeiten: 4. August 1902 durch die Bozner Firma Guschelbauer, täglich von 6 Uhr früh bis 6 Uhr abends waren mehrere Hundertschaften Arbeiter im Einsatz
Eröffnet: 19. Oktober 1903
Zweck: Ursprünglich militärische Nutzung (Angrenzendes Nonstal Grenze zu Italien) sowie touristische Nutzung (Sommerfrische). Heute primär Tagestourismus, der mondäne Tourismus der Belle Epoque auf der Mendel ist ja seit 1919 (Annektierung Südtirols durch Italien) Geschichte
Eigentümer/Errichter/Betreiber: Ursprünglicher Eigentümer AG Überetschbahn, Betreiber k.k. priv. Südbahngesellschaft. Seit 1982 erfolgt die Betriebsführung der Mendelbahn durch das südtiroler Nahverkehrsunternehmen SAD Nahverkehr AG (betreibt auch die Vinschgaubahn, Rittnerbahn, Pustertalbahn sowie das Autobusnetz in Südtirol).
Errichtungskosten: 900.000 Kronen
Fahrgäste: Bereits im 1. Betriebsjahr 55.000 Fahrgäste, Rückgang nach 1. Weltkrieg (Annektierung durch Italien, Wirtschaftskrise, Konkurrenz Automobil / Bau der Strasse auf den Mendelpaß)
Schienen, Fahrzeuge, seilbahntechnische Ausrüstung: Von Roll´sche Eisenwerke Bern
Typus/Traktion: Standseilbahn, elektrisch, Stromversorgung durch das Novellawerk im Nonstal
Spurweite: Meterspur 1000 mm, eingleisig, in der Mitte der Strecke 116 m lange automatische Ausweiche
Streckenlänge: 2,370 km, 5 Kurven
Höhe der Talstation in Kaltern St. Anton: 510 m
Höhe der Bergstation (mit Restaurant) am Mendelpass: 1.364 m
Höhendifferenz: 854 m
Max. Neigung: 64 Prozent
Seit 2009 Zwischenstation für die Wanderer des Kalterer Höhenweges
Fahrzeuge: Ursprünglich Holzaufbau der beiden Wagen, Kapazität 52 Personen je Wagen; 1965 Umbau der Wagen, die neue Metallkonstruktion gewährt Platz für je 70 Personen. Im Zuge der Generalsanierung 1984-1988 (die Strecke war wegen gravierender Sicherheitsmängel 1983 gesperrt worden) neue Wagen für je 75 Personen. Ab 2009 Wagen der 4. Generation im Einsatz


Die Fahrzeit: Ursprünglich 32 Minuten, entspricht 1,2 m pro Sekunde. Seit der Generalsanierung 1984-1988 Fahrzeit nur mehr 12 Minuten (4 m/sek.)
Novität 1903: Elektrische Signal- und mobile Telefonanlage
Anschlüsse/Übergänge: Die Talstation der Mendelbahn in Kaltern St. Anton war ursprünglich durch eine Adhäsionsbahn mit der Endstation der Überetscher Bahn (Bozen-Eppan-Kaltern) verbunden. Dieser Streckenabschnitt wurde 1963 gemeinsam mit der Überetscher Bahn stillgelegt. An der Bergstation bestand bis 1934 Anschluß an die Lokalbahn Dermulo – Mendel, auch Nonsbergbahn genannt. Dem „Genussreisenden von damals“ war es also vergönnt, einen Giro, eine Rundreise Trient-Bozen > Überetscherbahn nach Kaltern > Mendelbahn Adhäsion nach St. Anton > Mendelbahn auf den Mendelpass > Lokalbahn Dermulo-Mendel nach Dermulo und von dort mit der Nonstalbahn (heute Lokalbahn Trient – Male) nach Trient zu fahren. Davon kann der Reisende von heute leider nur mehr träumen oder den Bus nehmen…














Besondere Kunstbauten

Großer Viadukt: 110 m lang, 16 m hoch, 7 gewölbte Öffnungen, insgesamt 6000 Kubikmeter Stein/Mauerwerk verbaut
Kleiner Viadukt: 50 m lang, 2 gewölbte Öffnungen, 200 Kubikmeter Beton
Tunnel 1: 69 m Länge
Tunnel 2: 70 m Länge
2 Zugbrücken im Anfangsbereich nahe der Talstation





Adhäsionsstrecke Kaltern Bahnhof – Kaltern St. Anton
Länge 2,2 km, Höhendifferenz 105 Meter, Stärkste Neigung 62 Promille. Ist als Teil der Überetscher Bahn (eröffnet 1898) zu sehen., welche eben 1903 zur Talstation der Mendeldrahtseilbahn (Standseilbahn) verlängert wurde. Die Strecke ist ebenso normalspurig wie die Überetscherbahn und war von Beginn an (noch vor dem Rest der Überetscher Bahn) elektrifiziert (ursprünglich 1.100 Volt Gleichstrom). Die Streckenführung ist heute noch gut erkennbar und wird vom Straßenverkehr genutzt.






Links
Betreiber SAD >>>
DEEF-Doku Überetscher Bahn – Eisenbahnarchäologische Wanderung Bozen-Kaltern >>>

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Text / Fotos / Videos copyright DEEF / Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum.
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Bericht von: Dr. Michael Alexander Tiberius Populorum, Chefredakteur Railway & Mobility Research Austria / DEEF
Erstmals Online publiziert: 16. Oktober 2011; Seiten-Relaunch 25.11.2025; Letzte Ergänzung / page last modified 27.11.2025
