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Eine Eisenbahn durch die Koralpe - ein Nutzen für die Region oder politische Großmannssucht?

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.Kaum ein  Infrastrukturprojekt der 2. Republik geriet so sehr ins Kreuzfeuer der Kritik wie das Projekt Koralmbahn (usprünglich Koralpenbahn) sowie deren Herzstück, der über 30 km lange Koralmtunnel. Wird dieses Projekt einer schnellen Hochleistungs-Eisenbahnverbindung zwischen den beiden Landeshauptstädten Graz und Klagenfurt landläufig als regionalpolitisch motivierte Geldverschwendung kritisiert, welches vor allem vom ehemaligen Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Jörg Haider, durchgedrückt wurde, so darf nicht übersehen werden, daß die Pläne einer schnellen Verbindung zwischen Graz und Klagenfurt schon deutlich älter sind und mehrfach schon in der Geschichte wieder aufgegriffen und dann wieder verworfen wurden.

Vor dem Hintergrund, daß einerseits für eine schnelle Eisenbahnverbindung der Landeshauptstädte Graz und Klagenfurt Milliarden Euro verbaut werden, andererseits aber gleichzeitig die Verbindungen zwischen der zweitgrössten und drittgrössten Stadt Österreich, Linz und Graz bereits gekappt wurden und ab Ende 2011 die hochwertigen Verbindungen von Graz Richtung Westen (Salzburg, Innsbruck...) ebenfalls arg gestutzt werden sollen, habe ich nachfolgend ein paar Fakten zum Projekt Koralmbahn und Koralmtunnel sowie den umgebenden Rahmenbedingungen zusammengestellt. Daran anschließend sind natürlich einige kritische Anmerkungen zum Projekt und der Entwicklung im Eisenbahnverkehr in Österreich geboten.

Worum geht es überhaupt?

Ist-Zustand:

Wenn man heute mit dem Zug von Graz nach Klagenfurt fährt, so benötigt man für die 228 km lange Strecke Graz - Schleife Bruck a.d.M. - Leoben - St. Michael - Unzmarkt - Neumarkter Sattel - St. Veit an der Glan - Klagenfurt im günstigsten Fall mit Umsteigen in Leoben 2 Stunden 43 Minuten. Täglich gibt es 8 Verbindungen (alternierend höherwertige Verbindung IC/EC mit 1x umsteigen in Leoben und Verbindung EC/IC/REX/R mit 2x umsteigen in Bruck und Friesach. Schneller geht es aktuell mit dem sogenannten Intercity-Bus der ÖBB, der seit Oktober 2007 verkehrt und von Graz nach Klagenfurt über den Packsattel und einem Zwischenhalt in Wolfsberg genau 2 Stunden benötigt. Der IC-Bus ist als Vorab-Schienenersatzverkehr der Koramlbahn zu sehen (Details zum Intercitybus sowie Streckenvergleichen auch der historischen Kärntner Bahn über Marburg / Maribor siehe http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/intercitybus.htm )

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Die Wieserbahn der GKB nutzt bereits einen Teil der Koralmbahn als S6 Graz-Werndorf-Hengsberg-Wettmannstätten-Deutschlandsberg-Wies-Eibiswald. Links: Westportal des 1695 m langen Hengsbergtunnel (2011 nur 1 Gleis verlegt). Die Station Hengsberg direkt am Westportal des Hengsberg Tunnels.

Koralmbahn:

Nach Fertigstellung der Koralmbahn soll sich die Fahrzeit zwischen Graz und Klagenfurt auf 1 Stunde im Reisezugverkehr verkürzen. Die projektierte Länge beträgt 125 km, wird 2-gleisig ausgebaut und ist natürlich elektrifiziert. Als Höchstgeschwindigkeit sind 250 km/h vorgesehen.  Als Kosten werden mind. 5 Milliarden Euro genannt, manche Experten gehen jedoch von deutlich höheren Kosten (10 Milliarden oder mehr) aus. Schwierigstes und teuerstes Stück dabei wird der Koralmtunnel mit einer Länge von 32,9 km sein. Die Koralmbahn wird 10 Bahnhöfe haben. Der Bau des Koralmtunnels erfolgt in 3 Hauptbaulosen. Die beiden Tunnelröhren verlaufen in einem Abstand von ca. 40 Metern und sind alle 500 Meter durch Querschläge miteinander verbunden. Die Querverbindungen zwischen den beiden Einzeltunnelröhren dienen im Gefahrenfall als Fluchtwege in die jeweils andere Röhre. In der Tunnelmitte wird sich eine Nothaltestelle befinden.

Die Planungen für die aktuell zu errichtende Koralmbahn begannen schon Mitte der 1990er Jahre, Überlegungen, Graz und Klagenfurt durch eine neue Bahnstrecke schneller zu verbinden, reichen jedoch schon bis in das Jahr 1913 zurück (Quelle. Styria-Mobile).

Nachdem schon einige Baulose vergeben und im Bau sind bzw. einige schon fertiggestellt werden konnten, fand am 28. März 2011 der Spatenstich zum größten Baulos des Koralmtunnels statt. Dörfler, Voves, Bureš, Kern, Haselsteiner sowie eine EU-Vertreterin setzten sich dabei natürlich medienwirksam in Pose.

Die Strecke verläuft teilweise auf völlig neu zu errichteten Trassen, teilweise auf bzw. in Anlehung an bestehenden und auszubauenden Trassen, wobei an einigen Stellen Verbindungen von der Neubaustrecke zur Bestandsstrecke (der ÖBB bzw. der GKB Graz Köflacher Bahn) errichtet werden bzw. schon wurden.

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Planum mit Schienen und Masten noch ohne Leitung östlich von Wettmannstätten; unten der Verbindungsbahnhof Wettmannstätten der Koralmbahn und der GKB/Wieserbahn. Fotos DEEF Dr. Populorum 2010 und 2011

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Weitere Details zur Koralmbahn (Ziel/Zweck, Vorteile; Streckenverlauf; Quelle: Übernommen von ÖBB Infrastruktur, siehe Link in den Quellenangaben):

Die Koralmbahn ist die Verlängerung des transeuropäischen Korridors VI in den oberitalienischen Raum. Sie ist Teil dieser international bedeutsamen Achse, die von Danzig über Warschau und Wien nach Triest, Venedig und Bologna führt, und somit die Ostsee mit dem Mittelmeer verbindet.

Darüber hinaus verbessert die Koralmbahn national die Erreichbarkeit Süd-Österreichs und bindet die Weststeiermark und den Südkärntner Raum optimal an die Landeshauptstädte Graz und Klagenfurt an, wovon die Pendler und die regionale Wirtschaft profitieren.

Durch die Koralmbahn werden massive Fahrzeit-Verkürzungen und attraktivere Taktfahrpläne ermöglicht.

Die Realisierungsvoraussetzungen für die Koralmbahn wurden Ende 2004 in einem Vertrag zwischen der Republik Österreich, den Bundesländern Steiermark und Kärnten und den ÖBB detailliert festgelegt. Im Februar 2005 wurde vom Verkehrsminister die Trassen-Verordnung erlassen. Damit ist der Verlauf der Trasse fixiert. Die Breite des Trassenverordnungsstreifens wurde entsprechend den örtlichen und technischen Erfordernissen festgelegt und beinhaltet den Geländestreifen für sämtliche Eisenbahnanlagen, für Nebenanlagen und Begleitmaßnahmen, die für den Bau und Betrieb dieser Strecke notwendig sind.

Fertigstellung: Aus heutiger Sicht wird die Koralmbahn voraussichtlich bis 2022 durchgehend befahrbar sein.

Der Streckenverlauf:

Nach einem 4-gleisigen Abschnitt zwischen Graz Hbf und Feldkirchen am Beginn der Strecke zweigt die Koralmbahn leicht westlich von der bestehenden Südbahn ab, führt über den Flughafen Graz zum Terminal Werndorf, wo sie sich wieder auf etwa 200 m an die bestehende Trasse annähert.

Von dort biegt sie nach Westen und folgt dem Laßnitztal aufwärts.

Kurz nach dem künftigen IC-Bahnhof Weststeiermark im Raum Groß St. Florian, der die Koralmbahn mit der Graz-Köflacher-Eisenbahn verbindet, beginnt der rund 32,9 km lange Koralmtunnel.

Anschließend, rund 2 km nördlich von St. Paul, befindet sich der Bahnhof Lavanttal, wo die Regionalstrecke Zeltweg – Wolfsberg einmündet.

Nach der Tunnelkette Grainitztal überquert die Koralmbahn bei Aich die Drau, schneidet die „Ecke“ bei Bleiburg in einem Bogen Richtung Westen ab und läuft dann in etwa 2 km Entfernung nördlich am Klopeiner See vorbei.

Nahe Grafenstein überquert sie erneut die Drau und folgt im weiteren Verlauf der Bestandsstrecke nach Klagenfurt Hbf.

Bauabschnitte: Der Bau der Koralmbahn ist in mehrere Bauabschnitte gegliedert, nämlich:

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Graz Hbf - Puntigam - Feldkirchen

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Feldkirchen - Werndorf - Wettmannstätten

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Wettmannstätten (Stmk.) Koralmtunnel - St. Andrä (Kärnten)

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St. Paul - Aich

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Aich - Mittlern - Althofen/Drau

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Althofen/Drau - Klagenfurt

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Koralmbahn im Bau nächst Ostportal des Koralmtunnels

Pro- und Contra-Argumente:

Neben den oben angeführten Pro-Punkten (Quelle ÖBB) werden auch noch einige andere positive (volkswirtschaftliche) Argumente von den Befürwortern ds Projekts angeführt. Eine interessante Zusammenstellung von Pro- und Contra-Argumenten findet sich in der Wikipedia, die ich hier für die Leser von DEEF anführen möchte.

Pro Koralmbahn:

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Fahrzeitverkürzung Graz–Klagenfurt von gegenwärtig drei Stunden auf 60 Minuten.

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Zur Zeit können Züge von Wien nur entweder direkt nach Klagenfurt oder nach Graz geführt werden. Mit dem Bau der Koralmbahn können Züge von Wien nach Klagenfurt über Graz verkehren.

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Weiters können gegenwärtig über die Südbahn und die Rudolfsbahn von Wien nach Villach auf Grund der Tonnagebeschränkungen und Zughakengrenzlasten am Semmering und am Neumarkter Sattel nur geringe Zuggewichte befördert werden beziehungsweise erfordern schwere Züge besondere betriebliche Maßnahmen durch Stellung von Vorspann-, Nachschiebe- oder Zwischentriebfahrzeugen. Am Semmering kommen die Lademaßbeschränkungen als weiteres Hindernis dazu. Nach Fertigstellung der Koralmbahn und des Semmeringbasistunnels können – ähnlich wie auf der Westbahn – schwere Züge mit bis zu 2.000 t mit einer Lokomotive verkehren.

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Im Endausbau – also inkl. Semmeringtunnel – ergeben sich auf der Strecke Wien - Graz - Villach ähnliche Fahrzeiten wie auf der Westbahn von Wien über Linz nach Salzburg; auch die Bevölkerungsverteilung entlang dieser Strecken ist vergleichbar. Daher rechnen Befürworter auch mit einer ähnlichen Auslastung im Personenverkehr.

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Der regionalwirtschaftliche Nutzen beträgt laut Berechnungen TU Wien jährlich 167 Mio. €.

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Der Nutzen der zusätzlichen Staatseinnahmen auf Grund der wirtschaftlichen Belebung ist rund sieben- bis achtmal so groß wie die Investitionssumme (Berechnungen des IHS).

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Belebung des Arbeitsmarktes während der Bauphase (mehr als 100.000 Beschäftigte) und im Betrieb (rund 40.000 Beschäftigte), auf Grund der Wirtschaftsimpulse der Koralmbahn (laut Schätzung des Instituts für Höhere Studien).

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Der betriebswirtschaftliche Nutzen für die ÖBB ist erst langfristig gegeben, wenn sie das dem Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz (SCHIG) entsprechend erhöhte Infrastrukturbenützungsentgelt (IBE) zu entrichten hat. Der volkswirtschaftliche Nutzen ist in jedem Fall gegeben, weist die Koralmbahn doch bei den Kosten-/Nutzenbewertungen diesbezüglich immer Spitzenplätze auf.

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Als Bestandteil der „Baltisch-Adriatischen Achse“ ist die Koralmbahn mit dem Semmeringbasistunnel unverzichtbarer Bestandteil des europäischen Schienennetzes. Dies wurde durch eine Untersuchung der Karl-Franzens-Universität Graz belegt.

Contra Koralmbahn:

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Hohe Projektkosten, Risiken von weiteren Kostensteigerungen und Finanzierungskosten. Laut Hochrechnungen von Robert Kölbl, Verkehrsforscher an der TU Wien, würden sich die Kosten anstatt der bisher angenommenen rund 4,7 Mrd. Euro bis zur Fertigstellung auf 12 bis 15 Mrd. € erhöhen.

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Investitionen in den Ausbau der bestehenden Südbahn und/oder Investitionen in den Ausbau der Strecke Graz–Marburg–Klagenfurt (das heißt über das slowenische Drautal) wären kostengünstiger und hätten – zumindest was die verkehrsstrategische Erreichbarkeit der Region anlangt – ähnliche positive Auswirkungen wie der Bau der Koralmbahn.

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Anfang Dezember 2006 wurde eine ÖBB-interne Kosten-Nutzen-Betrachtung als Erhebung unter den Führungskräften der ÖBB-Tochtergesellschaften bekannt, wonach Koralmbahn und Koralmtunnel aus der Sicht des ÖBB-Managements gegenwärtig nicht notwendig und sinnvoll seien. Mit Ausnahme einer Zulaufstrecke zum Güterverkehrsterminal Werndorf bei Graz erhielten sämtliche Baulose Priorität 5, also die niedrigste im Bahnausbauprogramm.

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Der Verkehrsexperte Hermann Knoflacher bezeichnete den Bau der Koralmbahn als „mutwillige Geldvergeudung“, da die Bauarbeiten am Korridor V (Teilstück Budapest–Marburg–Laibach–Triest–Venedig) der Paneuropäischen Verkehrskorridore bereits begonnen hätten.

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Für den TU-Verkehrsexperten Thomas Macoun ist die Linienführung „per se unsinnig“. Er bemängelt die bisher angenommenen Reisezeiten der Koralmbahn. Da eine bedeutende Personennutzung der Strecke zwischen Graz und Klagenfurt unwahrscheinlich sei, sei eine Direktverbindung zwischen den beiden Städten von einer nur geringen verkehrlichen Bedeutung.

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Die Führung der Fernzüge von Wien nach Klagenfurt über Graz wird zu Verschlechterungen entlang der bisherigen Strecke über Leoben, Judenburg, Unzmarkt und St. Veit an der Glan führen.

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Durch ein Flügelzugkonzept können auch ohne Koralmbahn Züge nach Graz und nach Klagenfurt bis Bruck an der Mur gemeinsam geführt werden.

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Die Koralmbahn macht keine durchgehende Führung von schwereren Güterzügen auf der Baltisch - Adriatischen Achse möglich, weil die Steigungen zwischen Villach und Udine größer sind als jene der bestehenden Strecke über den Neumarkter Sattel. Da die Strecke auf italienischer Seite bereits aufwändig ausgebaut wurde (Pontebbana), ist hierbei mit keiner Änderung mehr zu rechnen.

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Auch ohne Koralmbahn sind keine Kapazitätsprobleme für die Strecke von Bruck an der Mur nach Klagenfurt zu erwarten

Fazit:

Wie schon im DEEF-Beitrag zum  Brennerbasistunnel gesagt, müssen Infrastrukturprojekte dieser Grössenordnung vorab zwingend einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen und nach den Kriterien der Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit umgesetzt werden. Aus den angeführten Pro- und Contra-Argumenten läßt sich ja schon vieles ableiten. Ein Punkt erscheint mir in diesem Kontext jedoch besonders wichtig zu sein: Grundsätzlich ist es lobenswert, wenn in die Schiene investiert wird.

Ein Leuchtturm-Projekt wie die Koralmbahn sendet positive Signale aus, zeigt der Öffentlichkeit, daß nicht nur für den Strassenverkehr Milionen bzw. Milliarden ausgegeben werden, sondern auch in den von der Politik (in Sonntagsreden) immer progagierten Schienenverkehr. Dies ist die eine Seite. Auf der anderen Seite dürfen solche teuren "Jahrhundertprojekte" nicht zu Lasten des laufenden Betriebs gehen, sprich, sie müssen aus einem zusätzlichen Budget finanziert werden.

Blickt man in die Schweiz, so werden und wurden aufbauend auf einem soliden, robusten und budgetmässig gut dotiertem Streckennetz mit optimaler intergrierter Vertaktung die grossen Neubauprojekte wie die NEAT Gotthard und Lötschberg angepackt. Die Bahn-Nation Schweiz steht mehr oder minder geschlossen hinter den Projekten. Die grossen Neubauvorhaben sind als Ergänzung des Streckennetzes eine Investition in die Zukunft und werden das ohnehin schon tolle Bahnangebot in der Schweiz weiter verbessern.

In Österreich zeigt sich jedoch hinsichtlich dem Ist-Zustand der Eisenbahn ein völlig konträres Bild - das grosse Hoffnungsprojekt NAT 91 (Ausbau und integrierte Vertaktung des österr. Eisenbahnnetzes) ist 20 Jahre nach der Initiierung ein Torso, mehr noch, das System Eisenbahn siecht in Österreich einem partiellen Ende entgegen. Waren es anfangs hauptsächlich Nebenbahnen, die amputiert und dann stillgelegt wurden (immer nach dem gleichen Muster: Jahrezehnte nichts investiert in die Infrastruktur = Vernichtung von Volksvermögen, dann den Fahrplan möglichst unattraktiv gestaltet und wenn dann die letzten Bahnfahrer vertrieben wurden, dann hatte man erreicht was man wollte), so kamen in der letzten Zeit auch immer mehr Hauptstrecken auf die "Schlachtbank der Staatsbahn" (die Hauptverantwortlichen für diese Misere neben den immer weniger Herzblut zeigenden Eisenbahn-Managern, nämlich die Politiker, betonen zwar in Sonntagsreden immer "Auto stehen lassen, Bahn fahren", "Güter von der Strasse auf die Schiene" etc. etc.), aber wirklich für die Bahn eintreten tun sie nicht oder nur sehr selten.

Die Politiker sind die eigentlichen Totengräber der Eisenbahn, das ist Fakt!

Sind seit letztem Jahr die beiden Landeshauptstädte Graz und Linz nicht mehr direkt und mit hochwertigen Zügen verbunden (undenkbar in der Schweiz, daß Zürich, Bern, Genf, Lausanne, Luzern etc. nicht direkt und vertaktet erreichbar sind, dort gibt es Halbstundentakt mit jeweiligem Anschluß an die Nebenbahnen), so sollen nun die ohnehin schon unattraktiv gestalteten Verbindungen Graz-Salzburg, Graz-Innsbruck gestutzt werden. Zum einen wird die Südbahn von Graz nach Marburg wieder 2-gleisig ausgebaut, aber man plant gleichzeitig, sämtliche EC-Züge mit Jahresende von Graz nach Marburg zu streichen. Entweder geschieht dies aus völliger Unfähigkeit oder es geschieht systematisch und bewußt, um der Eisenbahn Schaden zuzufügen - beides ist inakzeptabel.

Conclusio: Da offensichtlich für den laufenden Bahnbetrieb in Österreich zu wenig Mittel bereitstehen, um ein halbwegs attraktives Angebote im Fernverkehr wie im Nahverkehr, auf Hauptstrecken sowie in der Fläche, bereitzustellen, ist es unverantwortlich, Milliarden für einige wenige Prestigeprojekte auszugeben, von deren Nutzen der einzelne Bahnfahrer wenn überhaupt so nur einen geringen Mehrwert verspürt.

Wenn man sich alternativ überlegt, welche Möglichkeiten man mit den 5-10 Milliarden Euro für die (Wieder-) Belebung und den Ausbau des bestehenden Netzes hätte, so sollte in Zeiten begrenzter Budgets die Wahl eigentlich eindeutig ausfallen. Es kann nicht sein, daß man große Mittel für den Bau von Infrastrukturprojekten verbrät und dann kein Geld mehr hat, daß darauf auch Züge fahren. Negativbeispiele dazu gibt es ja einige.

Forderung: Erst wenn es in Österreich einen integrierten Taktverkehr auch in der Fläche nach Schweizer Vorbild gibt, dürfen  bzw. sollen solche Großprojekte angepackt werden. Und diese sind aus Extra-Budgets zu finanzieren und dürfen nicht zu Lasten des bestehenden Angebots gehen. Und dieses Extra-Budget ist von denen zu stellen, die von der Errichtung auch den tatsächlichen Nutzen haben - dh. wenn die Damen und Herren in Brüssel der Meinung sind, dieser Korridor ist so megawichtig, dann muß Brüssel das auch bezahlen - denn nur daß die Güterzüge durch Österreich durchdonnern, davon haben wir keinen Nutzen und ohne Nutzen kein Steuergeld!

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Koralmbahn. DEEF Dr. Michael Populorum, Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung.

Links oben: Bahnhof Grafenstein an der Jauntalbahn und Koralmbahn bei km 114 von Graz (ca. 11 km von Klagenfurt). Direkt vom Bahnhof Grafeinstein (in Fahrtrichtung Graz) fährt man jetzt schon mit der Jauntalbahn in die 633 m lange Einhausung Grafenstein. Links Baubetrieb im Lavanttal unweit des Westportals des Koralmtunnels. Fotos DEEF Oktober 2009

Was passiert mit St. Paul und Bleiburg?

Betrachtet man sich die Pläne und Projektfolder der bauausführenden ÖBB Infra, so geht daraus nicht zweifelsfrei hervor, wie und vor allem ob die Gemeinden St. Paul im Lavanttal und Bleiburg sowie die dazwischen liegenden aktuellen Haltestellen an der Jauntalbahn nach Inbetriebnahme der Koralmbahn bedient werden. Gibt es hier dann weiterhin Regionalverkehr parallel zur Koralmbahn - was sinnvoll und wünschenswert wäre - oder ist die Versuchung der ÖBB Infra nicht allzu groß, die Gelegenheit zu nutzen und wieder eine der so ungeliebten Regionalbahnen einstellen zu können.

Hier kann man den betroffenen Gemeinden und deren Anwohnern nur raten: Adleraugen, seid wachsam!

Zeitungsmeldungen zufolge (Kleine Zeitung 4.10.2016, http://www.kleinezeitung.at/kaernten/lavanttal/aktuelles_lavanttal/5096252/Aufregung_Bahnhof-St-Paul-steht-am-Abstellgleis ) steht St. Paul bereits am Abstellgleis und soll dem Wunsch der ÖBB entsprechend ab Inbetriebnahme der Koralmbahn (dort wird als Datum 2022 genannt) seinen Personenverkehrsbahnhof im Ort verlieren, die Kunden müssten dann einige Kilometer ausserhalb des Ortes im Bahnhof Lavanttal aus- und zusteigen. Das bedingt wiederum einen ordentlich Busshuttledienst und solche sind in Österreich leider fast überall schlecht organisiert.

Warum organisiert man das nicht so wie in der Steiermark? Dort bindet die Graz Köflacherbahn ihre Regionalstrecke auch an die Koralmbahn an und versorgt weiterhin den ländlichen Raum mit Öffentlichem Eisenbahnverkehr.

Hier sei auf die Studie "Anbindung des Bahnhofes St. Paul an den zukünftigen Intercitybahnhof (IC-Bahnhof) Lavanttal" verwiesen. Diese wurde im Jahr 2016 für die Marktgemeinde St. Paul im Lavanttal erstellt und zwar von den Experten  Gunter Mackinger, Walter Brenner und Rudolf Kores - dort werden praktikable Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine Anbindung von St. Paul aber auch Lavamünd per Schiene aussehen könnte.

Siehe auch:

DEEF Beitrag Die Koralmbahn >>>

 

Quellen / Weblinks:

Bericht und Fotos auf Styria Mobile: http://www.styria-mobile.at/home/oebb/Koralmbahn/

ÖBB Infrastruktur AG

ÖBB Infrastruktur Bau, 2006: Gesamtprojekt Koralmbahn. Verkehrliche Grundlagen und Realisierungsstand.

Wikipediaseiten Koralmbahn und Koralmtunnel (aufgerufen am 7. August 2011)

DEEF: Intercitybus als Vorab-SEV und Alternativen zur Koralmbahn http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/intercitybus.htm

DEEF: Zur Planung und Steuerung von Infrastrukturprojekten sowie kritische Fragen, am Beispiel des BBT Brenner Basis Tunnels http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/brennerbasistunnel.htm

      

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 7. August 2011; Änderungen/Nachträge: 11.7.2017

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Last modified  Donnerstag, 13. Juli 2017 19:40:33 +0200
Autor/F.d.I.v.: Kons. Univ. Lekt. Dr. Michael Alexander Populorum DEEF # Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung # Railway Research Austria 2009-2020 

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