Nach erfolgter
Labung in der Radstation BIOS zu Atzwang, wo der wandernde
Eisenbahnforscher doch länger als geplant geblieben war, ging es weiter
dem Etappenziel Waidbruck entgegen, wo ja die Brennerbahn als
Verkehrsmittel wieder zur Verfügung steht, sie verläßt dort den
Schlerntunnel kurz vor dem Bahnhof. Der nördliche Teil der dem Kuntersweg
folgenden alten Brennerbahn ist weiterhin eingezwängt in der
Eisackschlucht und teilt sich den engen Weg noch mit der Autobahn an der
Hanglehne und der Staatsstraße.
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Links die Staatsstrasse, in der Mitte die alte Eisenbahntrasse,
rechts über dem Eisack an der Hanglehne die Brennerautobahn |
Ein alter Holzunterstand als Relikt der Eisenbahnära. Ein Schild auf
der Seite weist auf ein Telefon hin ("T") und dabei ist auch die
Kilometrierung angegeben - km 165,0 von Verona (Bozen 150,2) |
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Die Staatsstrasse hat sich auch hier tw. auf die
alten Gleisanlagen ausgebreitet - ein neuer Tunnel mit 534 m Länge
wurde ab September 2006 um knapp 12 Mio. Euro für die
steinschlaggefährdete SS 12 errichtet. Am Tunnel oben liegende
Erdmassen absorbieren zusätzlich die Steinschlagenergie |
Es gebt stetig bergan - links die neu eingehauste Staatsstraße 12
(fertiggestellt 2009), der Radweg, rechts steile Böschung zum
Eisack. |
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Ein kleines Häuschen direkt südlich des ehemaligen Haltepunktes
Kastelruth schlummert einsam und verlassen dem Verfall entgegen |
Die alte Holzbrücke ("Torggler Steg") direkt beim ehem. Haltepunkt
Kastelruth kommt in Sicht. Wie das nahezu idente Pendant in
Völsersteg ehem. touristische Bedeutung, Zugang zu den Orten
Kastelruth und St. Oswald. Darum hieß er Haltepunkt auch seit seiner
Eröffnung 1898 bis zur Zwangsitalienisierung der Südtiroler
Ortsnamen durch die Italofaschisten "St. Oswald-Kastelruth". |
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Das hölzerne Haltestellengebäude Kastelruth (italienisiert
Castelrotto) liegt auf 428 m (vgl. Atzwang 373 m). Eine pflegliche
Sanierung und Revitalisierung (bspw. Labungsstelle für die Radler
und Wanderer) wäre dringend zu empfehlen. |
Das Wärterhäuschen in Kastelruth nördlich des ehemaligen
Haltepunktes auf der anderen Seite der Staatsstrasse ist aktuell dem
Verfall preisgegeben |
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Nach gut einer halben Stunde Wanderung ab Kastelruth kommt das
markanteste Bauwerk dieses Abschnitts in Sicht - die sogenannte
"Rötelebrücke", ein Doppeleisenkasten über den Eisack. Auf einem
Stahlträger ist auch das Datum der letzten Inspektion noch
abzulesen: 28.9.1990. Das enge Tal hat sich geweitet und es geht
eben ca. noch eine gute halbe Stunde Wanderszeit bis Waidbruck.
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Während der eine Kasten für den Radweg asphaltiert wurde ist der
zweite Kasten sich selbst überlassen - ein beeindruckendes Relikt!
Man wünscht sich, auch an der einen oder anderen Stelle entlang der
Strecke Zeugen der ehem. Eisenbahnstrecke zu finden (Signale,
Kilometerangaben etc.) |
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Der Weg biegt plötzlich über eine neu errichtete Eisenbrücke scharf
nach links auf das andere Eisackufer ab. Dort geht es kurz steil
bergan auf die Staatsstrasse, der man ca. 1 km nach Waidbruck folgen
muß. Die ehem. Trasse ging aber geradeaus weiter |
Deutlich sichtbar durchs Gebüsch der Verlauf der alten Trasse. Diese
mündet nach ca. 500 m direkt beim Nordportal des Schlerntunnels vor
dem Kraftwerk in die Bestandsstrecke ein |
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Von der anderen Seite hat man einen guten Überblick. Markant das
Kraftwerk, hinter dem die Brennerbahn (alt und neu) verläuft,
dahinter die Autobahn und links oben die über Waidbruck thronende "Trostburg"
aus dem 12. Jahrhundert |
Ein Güterzug in Doppeltraktion verläßt den Schlerntunnel. Direkt
rechts vom Tunnelportal mündet die alte Strecke ein. Der Tunnel
links ist ein Autotunnel (Abzweig Richtung
Grödnertal?) |
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Im Zentrum von Waidbruck mit Kirche und Bürgerhaus |
Der
Bahnhof von Waidbruck (Ponte Gardena) straßenseitig, rechts im
Hintergrund der alte hölzerne Wasserturm. Eine Bahnhofsbar oder gar
ein Bahnhofsrestaurant findet sich leider nicht. Der idyllische
Gasthof nächst dem Bahnhof fiel den Umbauarbeiten in den 1990er
Jahren zum Opfer! |
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Die ÖBB Taurus 1216 017 (ital. Bezeichnung E 190 017) als DB ÖBB
Eurocity Richtung Süden mit einem gemischten Wagensatz aus DB- und
ÖBB-Wagen. Gleich nach dem Bahnhof wird der Zug in die neu
errichtete Einhausung eintauchen, dann für ein paar hundert Meter
wieder am Tageslicht alsdann im Schlerntunnel für mehr als 13
Kilometer verschwinden |
Kaum ist der DB ÖBB EC in der Einhausung verschwunden kommt der
Regionale Bozen-Brenner ans Tageslicht. Die Fläche auf der ca. 400 m
langen Einhausung wird genutzt (Gehweg, Strasse) |
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Nördlich des Aufnahmsgebäudes des Bahnhofs Waidbruck steht noch der
alte Wasserturm sowie ein Magazin. Aufschrift nur Ponte Gardena, den
eigentlichen Namen Waidbruck sucht man vergeblich |
Aus der Zugperspektive: Einfahrt in die Einhausung unmittelbar nach
dem Bahnhof Waidbruck Richtung Süden |
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Aus der Zugperspektive: Einfahrt in den 13.307 m
langen Schlerntunnel (Galleria Sciliar) von Waidbruck kommend.
Man erkennt deutlich den Beginn der festen Fahrbahn
der Tunnelstrecke.
Rechts erkennt man Gebäude des Kraftwerks sowie die
alte Strecke, die am Eisack entlangführte und diesen dann nach ca. 1
km auf der Rötelebrücke überquerte.
Alle Fotos Copyright: DEEF / Dr. Michael Populorum
2011 |
Schlußbemerkung: So bequem es sein
mag, mit dem Veloziped (Fahrrad) dem Gefälle folgend
nach Süden zu brausen, so sehr viel mehr nimmt der
Wandersmann auf Schusters Rappen, doch etwas langsamer
vorankommend, die Landschaft in ihrer ganzen Vielfalt wahr. Oftmals sah
der Wandersmann Menschen auf dem Rad sitzend, entweder verbissen in die
Pedale tretend oder auf der Balance liegend, um weniger Luftwiderstand zu
haben - in beiden Fällen jedoch quasi mit Scheuklappen, nicht
registrierend, was links oder rechts sich darbot. Da lobt sich der
Wandersmann die Kontemplation beim Gehen.
Die Wanderzeit
von Bozen bis Waidbruck betrug in Summe (inkl. kleinerer Foto-Halte und
Einkehr beim Rungger Pius) von 9 Uhr bis 17 Uhr, also 8 Stunden. Wer sich
mehr Zeit für die einzelnen Abschnitte gönnen möchte der kann unterwegs
entweder übernachten oder die Wanderung "portionieren", sprich den auf der
Staatsstrasse verkehrenden Bus benutzen.
Von
großer Dringlichkeit wäre es, die noch vorhandenen
und dem Pangermanismus-Vernichtungswahn der Italofaschisten
bis dato entronnenen Kulturgüter der österreichisch-tirolerischen Epoche
zu schützen, Denkmal- bzw. Ensembleschutz ist ein
Muß. Und danach die gedeihliche Sanierung und
Revitalisierung, bspw. in Atzwang das
Bahnhofsgebäude für ein kleines Museum zur Geschichte der
Brennerbahn zu adaptieren, inkl. einer Bar versteht sich. Die
Sanierung der Gebäude des alten Umspannwerkes in Atzwang durch Pius
Rungger können hier als Vorbild dienen.
Wenn schon beim
Abtrag der Strecke nahezu sämtliche Zeichen der Eisenbahn mitverschwunden
sind, so wäre es umso wichtiger, entlang der Strecke mittels der einen
oder anderen Schautafel auf die Geschichte der Bahn
und der Region hinzuweisen.
Diese spannende
Eisenbahnhistorische Wanderung als Publikation
Michael Alexander Populorum, 2012:
Eisenbahnarchäologische Exkursionen südlich des Brenners: Teil 2: Von
Bozen nach Waidbruck entlang der alten Brennerstrecke. Gewidmet Prof. Dr.
Helmut Heuberger. Schriftenreihe des Dokumentationszentrums für Europäische
Eisenbahnforschung (DEEF), Band 4 (2012). Mercurius Verlag
Grödig/Salzburg. Print, Farbe, 67 Seiten. Preis Euro 19,50; 1. Auflage
2012; 2. Auflage 2013
3. Auflage 2017 auf DVD
(pdf 67 Seiten + Bonusmaterial),
ISBN 978-3-903132-09-2 ;
Preis Euro 19,50
Details und
bestellen
>>>
Quellen, Literatur, Links:
125 Jahre
Eisenbahn am Brenner. Die Geschichte einer europäischen Gebirgsbahn.
Eisenbahn-Kurier, Themen 8. 1992
Biendl, Hans,
1910: Innsbruck-Bozen-Verona, Bozen-Meran, Mori-Arco-Riva. Brennerbahn.
Hendschels Luginsland, Heft 8. Frankfurt am Main
Dultinger, Josef,
1980: Die Brennerbahn. Gestern, heute, morgen.
Reiseführer
"Südtirol" vom Michael Müller Verlag
Kompass-Wanderkarten 1:50.000 "Südtirol" (günstiges Set aus 4 Karten)
Röll, Victor,
Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912,
S. 62-65
Sollath, A.,
Stöbich, G. und Stratowa, W., 1967: 100 Jahre Brennerbahn. Festschrift der
Österreichischen Bundesbahnen
Thaler, Franz,
1967: 100 Jahre Brennerbahn. Innsbruck
Diverse
Bahntrassenradwege mit guter Beschreibung und Fotos:
http://www.bahntrassenradwege.de/
DEEF: Zum Thema Brennerbasistunnel:
http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/brennerbasistunnel.htm
DEEF: Die
Brennerbahn >>>
DEEF:
Eisenbahnarchäologische Wanderung vom Bahnhof Brenner nach Gossensaß
>>>
www.tecneum.eu - ein
virtuelles Technikmuseum. Fachkundige Beschreibung und Dokumentation aller
Bahnhöfe in Südtirol (einst und jetzt) primär aus der Sicht von
Architekten. Auf Sammlungen" klicken, dann auf Eisenbahnen
Wikipedia-Artikel (deutsch und italienisch)
Verdiente Jause zum Abschluß der Wanderung in der Bahnhofs-Bar von Brixen mit bestem
Blick auf das Geschehen
Zur Startseite Teil 1 der Wanderung:
>>>
Alle Fotos DEEF / Dr. Michael Populorum
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redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org
Bericht von: Dr.
Michael Populorum, Chefredakteur DEEF; Erstmals Online publiziert:
30. Dezember 2011; Änderungen: 21.2.2019