Zwischen
Kardaun und Blumau
verschwindet die Brennerbahn seit 1998 im 3.939 m langen
Kardauntunnel. Dadurch wurde eine Verkürzung der Fahrzeit sowie
eine erhöhte Sicherheit vor Steinschlägen, Muren etc. durch das
schluchtartige Eisacktal erreicht. Zwischen Kardaun und Klausen verengt
sich das Eisacktal ja tw. schluchtartig und so nimmt es nicht wunder, daß
der ursprüngliche Weg nach Bozen diesem natürlichen Hindernis auswich und
von Kollmann (Gemeinde Barbian zw. Waidbruck und Klausen) über den Ritten
nach Bozen führte. Allerdings war dieser Weg beschwerlich und länger. Der
sogenannten Kuntersweg, errichtet vom Bozner
Kaufmann Heinrich Kunter im Jahr 1307, war dann trotz Wegezoll eine
willkommene Alternative. Auch die Brennerbahn folgte dann dem Weg durch
die auch als Via Mala Südtirols bekannte
Eisackschlucht.
Nachdem die
neue Eisenbahntrasse im Kardauntunnel verschwunden ist
(Foto links "Einfahrt in der Kardauntunnel Südportal von Bozen kommend")
verläuft der Radweg einige hundert Meter näher beim Eisack als es die alte
Brennerstrecke wohl getan hat - ihre Spuren verlieren sich nach dem
"Tohuwahpohu der Strassenkreuzungen" und der neuen Eisenbahntrasse
("Kardauner Verkehrsspinne") für eine kurze Wegstrecke.
Doch dann geht
es auf dem alten Eisenbahntrassee stetig ansteigend gen Norden. Der ehem.
Haltepunkt Kardaun liegt auf einer Seehöhe von 283 m, der Bahnhof von
Blumau auf 315 m. Relikte auf der Strecke in Form von Signalen oder
Kilometerangaben sucht man allerdings vergebens. Hier muß man sich schon
fragen, warum man nicht einige Zeugen der Eisenbahngeschichte als
"Denkmäler" stehen gelassen hat. Ein Teil der alten Eisenbahntrasse wurde
für den Radweg asphaltiert, daneben verläuft einen Großteil der Strecke
parallel dazu eingegraben eine Erdgasleitung.
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Altes Wärterhaus ca. 15 Minuten Wanderszeit nördlich
der "Kardauner Verkehrsspinne". Es trägt die Nummer 176 auf einer
steinernen Platte und scheint als Wochenendhäuschen in Verwendung zu
stehen. Auch das Schild "attenti al cane" deutet darauf hin |
Alte Eisenbahntrasse (Radweg), Bundesstrasse,
Autobahn und Eisack auf engstem Raum kurz vor Blumau. Alle
Verkehrswege verschwinden in einem Tunnel, der ehem. Eisenbahntunnel
mit vorgebauter Steinschlaggalerie wird mit 500 m Länge angeschrieben |
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Links der asphaltierte Streifen für den Radweg,
daneben begrünte Fläche mit der Gasleitung |
Die Namen der Tunnel sind nirgends angeschrieben,
auch in Onlinepublikationen ist meist "Galeria 1, Galeria 2..) zu
lesen. Der Namen dieses längsten Tunnel auf gegenständlicher Strecke
konnte eruniert werden - es handelt sich um den "Hochklausnertunnel"
und seine Länge wird mit 389 m beziffert (Biendl 1910) |
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Im Portal der Lawinengalerie ist
die Jahreszahl 1984 eingemeisselt |
Der Tunnel an sich stammt mit hoher
Wahrscheinlichkeit aus der Bauzeit der Brennerbahn (eröffnet 1867) |
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Es finden sich im vorbildlich beleuchteten Tunnel noch einige Relikte
in Form von Schildern an den Wänden. Zu bedauern ist, daß sämtliche
Fluchtnischen unsensiblerweise zubetoniert! wurden - war sicher mit
einigen Kosten verbunden und gleichzeitig wurde der historische
Tunnel damit entstellt! Das Nordportal des "Hochklausner
Tunnels" - von
der Kameraposition auf dem Schotterweg im Rücken des Fotographen
sind es ca. 300 m durchs Gestrüpp und man steht direkt vor dem
Nordportal des Kardauntunnels im Gleisbereich.
Der neue Weg biegt nach dem Hochklausner-Tunnel etwas nach rechts ab
und führt über das Portal des neuen Kardauntunnels hinweg auf die
andere Seite der Gleise Richtung Bahnhof Blumau. |
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Links: Das letzte Kunstwerk -
"Abrakadabra" - des
Projekts "Augenreise" beim Übergang ober dem Tunnelportal.
Oben: Ein Regionale bei der
Einfahrt in den Kardauntunnel Richtung Bozen/Meran. |
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Einfahrt in den Kardauntunnel - rechts deutlich
sichtbar die Einmündung der alten Strecke, wo man nach ca. 300 m auf
den 389 m langen Hochklausner-Tunnel trifft |
Strassenansicht des Bahnhofsgebäudes von Blumau, wo
seit der Fertigstellung des Schlerntunnels 1994 völlig
unverständlicherweise keine Züge mehr halten. Der Bahnhof,
vollgestopft mit Elektronik, ist ständig besetzt und dient als
Stützpunkt für den Tunnel(rettungs-) Dienst. Die
Stationsnamenschilder sind aber nach wie vor appliziert.
Der Bahnhof von Blumau wurde nach der Annektierung
Südtirols von den Italofaschisten in Prato all’ Isarco
umbenannt und erhielt nach dem 2. Weltkrieg den heute offiziellen
Namen Prato-Tires / Blumau-Tiers. |
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Ein Güterzug durcheilt - für ein paar hundert Meter
am Tageslicht zwischen den beiden Neubautunneln Schlern und Kardaun
den ehem. Bahnhof Blumau |
Das jetzt mit (elektronischen) Erfordernissen für den
Betriebsablauf vollgestopfte Bahnhofsgebäude ist sehr gut erhalten.
In der Umgebung wurden aber alle historischen Objekte geschleift und
die Bahninfrastruktur sticht unsensibel ins Auge. Foto: Blick vom
Bahnhofsgebäude Richtung Südportal des Schlerntunnels |
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Das Bahnhofsgebäude von Blumau aus der
Zugperspektive, im Hintergrund das Maul des 13.307 m langen 1994
eröffneten Schlerntunnels.
"Das Aufnahmsgebäude entspricht der Klasse II/III
der Typologie des Architekten Wilhelm von Flattich. Hier handelte es
sich um die gehobene Version dieses Typs mit Giebeln über den
Mittelrisaliten sowohl auf der Eingangsseite als auch zum Bahnsteig
hin. Das Gebäude ist bis zum Dachstock ganz in Granit gemauert. Die
Eckrisaliten, der Sockel und die fingierten Fensterbögen sind grob
bossiert, die Fenster- und Türumrahmungen sind glatt scharriert. Die
oberen Fensterumrahmungen stützen sich unten auf die umlaufende
Lisene, welche die beiden Geschosse trennt. Der Dachaufbau ist ganz
in Holz ausgeführt. Die Endgiebel sind jeweils mit zwei Fenstern
versehen – die Giebel der Mittelrisalite haben Blindfenster - und
das weit vorkragende Dach zeigt nochmals fein detaillierte
Holzverkleidungen in den Giebelspitzen.
Der Grundriss war klar gegliedert: neben dem durchgängigen
„Vestibule“ waren rechts und links die Warte- bzw. Fahrdiensträume
mit Billettverkauf und Gepäckablage angeordnet. Eine Treppe mit
eigenem Zugang von außen führte in die große Wohnung im oberen
Stockwerk" (Zitat tecneum.eu) |
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Unmittelbar nach dem Bahnhof Blumau überquert um die
Mittagszeit DB ÖBB EC Richtung München einen Bach und taucht
unmittelbar dahinter in den Schlerntunnel ein |
Direkt oberhalb des Schlerntunnel-Portals. Von der
Bildmitte nach rechts abzweigend sieht man die alte Streckenführung
- hier liegen auch noch die Schienen! |
Anstelle einer
Bahnhofsrestauration im Bahnhofsgebäude wurde analog
Klausen und Brixen von der Südbahngesellschaft mit einem Hotelier ein
Vertrag über einen Hotelbau für Bewirtung und Unterkunft der Reisenden
geschlossen. Das in fußläufiger Entfernung dazu errichtete
Hotel Schlosshof im Stile einer großbürgerlichen Ferienvilla
altösterreichischer Prägung ist nach wie vor als Restaurant und Hotel
geöffnet.
Forderung: Warum der Bahnhof von Blumau für den Personenverkehr
stillgelegt wurde, das versteht kein Mensch. Seit jeher war und ist Blumau
ein verkehrsgeographisch wichtiger Punkt, der nicht nur für die örtliche
Bevölkerung sondern auch für den Fremdenverkehr bedeutungsvoll ist. Es ist
ein Unding, Reisende Richtung Bozen wie in Richtung Waidbruck/Brixen statt
in kürzester Zeit auf der modernst ausgebauten Schiene sie in Busse zu
verfrachten. Die Fahrt dauert länger und belastet unsinnigerweise die
ohnehin stark frequentierten Strassen und somit auch die Umwelt.
Es wird daher eindringlich empfohlen, den Bahnhof Blumau
für den Personenverkehr wieder zu öffnen!
Teil 3 der Wanderung: Blumau - Atzwang
>>>
Diese spannende
Eisenbahnhistorische Exkursion als Publikation für Zuhause
Michael Alexander Populorum, 2012:
Eisenbahnarchäologische Exkursionen südlich des Brenners: Teil 2: Von
Bozen nach Waidbruck entlang der alten Brennerstrecke. Gewidmet Prof. Dr.
Helmut Heuberger. Schriftenreihe des Dokumentationszentrums für Europäische
Eisenbahnforschung (DEEF), Band 4 (2012). Mercurius Verlag
Grödig/Salzburg. Print, Farbe, 67 Seiten. Preis Euro 19,50; 1. Auflage
2012; 2. Auflage 2013
3. Auflage 2017 auf DVD
(pdf 67 Seiten + Bonusmaterial),
ISBN 978-3-903132-09-2 ;
Preis Euro 19,50
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Schienenrelikte im Bahnhofsbereich Blumau Richtung Norden
Alle Fotos DEEF / Dr. Michael Populorum
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Bericht von: Dr.
Michael Populorum, Chefredakteur DEEF; Erstmals online publiziert:
28. Dezember 2011; Änderungen: 21.2.2019