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Der südliche Teil Tirols - man spricht auch gerne vom 11. Bundesland Österreichs - hat neben seiner Landschaft, Kultur und Kulinarik auch für den Eisenbahnfreund einiges zu bieten. Neben zahlreichen in Betrieb befindlichen Bahnstrecken gibt es auch einige komplett oder partiell stillgelegte Strecken oder Streckenabschnitte, die sich für einen eisenbahnarchäologischen Besuch anbieten. Teilbereiche der aufgelassenen Strecken sind als Rad-/Wanderwege adaptiert worden und Einheimischen wie auswärtige Gäste nutzen dieses Angebot recht zahlreich. In Österreich ist man da ja nicht gerade so klug gewesen wie in Südtirol, in Österreich hat man bspw. auf der Tauernbahn "verbrannte Erde" hinterlassen statt die alte Bahntrasse mit ihrer Tunnels, Viadukten und Brücken einer nachhaltigen (touristischen) Nutzung zuzuführen. In Südtirol hatte man schon vor Jahren mit großen Erfolg einen Radweg auf der stillgelegten Ampezzaner Bahn / Dolomitenbahn (Toblach - Cortina d´Ampezzo - Calalzo) freigegeben - erst kürzlich fertiggestellt wurde der 100 km lange Eisacktalradweg Brenner-Bozen entlang bzw. auf der Trasse der alten Brennerbahn. Direkt auf der alten Trasse radeln oder wandern, durch Tunnels durch, das erlebt man auf dem Eisacktalradweg auf 2 Streckenabschnitten, nämlich: 1. Brenner / Brennero - Gossensass / Colle Isarco, wo seit 1999 der neue Pflerschtunnel die alte Strecke über Schelleberg / Moncucco überflüssig macht (Länge 15 km) >>> siehe DEEF-Bericht 2. Waidbruck / Ponte Gardena - Bozen / Bolzano, wo die beiden Neubautunnel "Schlerntunnel" (seit 1994) und "Kardauntunnel" (seit 1998) die alte Strecke für eine Alternativnutzung als Rad-/Wanderweg freigaben (23 km) Ausgangspunkt für die Tour nach Waidbruck war an einem sonnigen und warmen Herbsttag 2011 der Bahnhof von Bozen. Der Bozner Bahnhof ist der größte Südtirols und wichtigste Drehscheibe für den Nah- und Fernverkehr. In unmittelbarer Nähe liegt auch der Autobusbahnhof von Bozen, von wo das gut ausgebaute Busnetz als Ergänzung der Schienenstränge in alle Landesteile bedient wird. Neben der Brennerbahn nach Norden (Österreich, Deutschland, eröffnet 1867) sowie ihrer "Verlängerung" nach Süden nach Trient und Verona (Brennerbahn i.w.S. bzw. Südtiroler Bahn, eröffnet bereits 1859) zweigt noch die 1881 eröffnete Bozen-Meraner Bahn ab und bis zur Einstellung 1971 war der Bahnhof Bozen noch Ausgangspunkt der 1898 eröffneten Bahn ins Überetsch (Überetscherbahn nach Eppan-Kaltern). Aktuell gibt es direkte Durchbindungen von Meran - Bozen - Brenner sowie von Bozen ins Pustertal nach Innichen mit Stürzen der Züge in Franzensfeste (Fortezza).
Das aufgrund seiner Bedeutung äußerst stattlich ausgeführte Bahnhofsgebäude, erbaut 1859 in der damals noch eigenständigen und erst später an Bozen angegliederten Gemeinde Zwölfmalgreien, vereint historisch bedingt 2 Baustile in sich - zum einen die Eleganz des bürgerlichen Spätklassizismus des k.k. Originalbaus von 1859 (sichtbar im Mittelteil des Hauptgebäudes) und zum anderen pompösere Elemente des Italofaschismus seit dem Umbau von 1928 (manifestiert u.a. durch den markanten Uhrturm und die Säulen vor dem Aufnahmsgebäude strassenseitig).
Architekten (Entwurf): k.k. Bahnhof Luigi v. Negrelli Ritter von Moldelbe, Moriz Löhr; Umbau 1928 Angiolo Mazzoni. Im Gegensatz zu den zahlreichen unsensiblen "Verschlimmbesserungen" an den Bahnhöfen und Stationen der Brennerbahn in den letzten Jahrzehnten sind die Umbauten von Mazzoni als durchaus hochwertig und gelungen zu bewerten.
Am Bahnhofsvorplatz wendet man sich nach links und gelangt nach wenigen Minuten zum Eisack. Wendet man sich vor der Brücke stehend nach rechts, so gelangt man vorerst am Eisackufer entlang entweder nach Meran oder auf der alten Trasse der Überetscher Bahn nach Kaltern oder auf dem Rad-/Wanderweg Richtung Trient. Wir wenden uns jedoch nach links, wo auch deutlich auf den Radweg Richtung Kardaun / Waidbruck / Brenner hingewiesen wird. Der Weg bis Kardaun führt meist in Sicht- bzw. Hörweite der von Bozen nach Norden führenden Strassen. Auch am weiteren Weg nach Norden wandert bzw. radelt man bedingt durch die Topographie nie ganz ausserhalb der Sicht- und vor allem Hörweite der Staatsstrasse und der Autobahn. Man merkt erst als Reisender auf Schusters Rappen, wie belastet diese schöne Gegend in Südtirol aber auch in Nordtirol durch den ungehemmten (LKW-) Verkehr vor allem auf der Brennerautobahn ist. Gewinnmaximierung unter dem Deckmäntelchen der Globalisierung und des freien Warenverkehrs zu Lasten der Umwelt und der hier lebenden Menschen. In diesem Kontext ist auch zu hinterfragen, wie man nach Fertigstellung des BBT Brennerbasistunnels (so er überhaupt mittelfristig fertiggestellt werden sollte) die Frächter und Unternehmen, die aktuell anstelle einer teureren stationären Lagerhaltung ihre Waren viel zu billig durch halb Europa herumkutschieren, wie man die zwingen möchte, statt auf der Strasse ihre Waren auf der Schiene zu transportieren. Ohne mehr oder weniger sanften Druck wird da wohl nichts gehen! Aber das soll keinesfalls heißen, daß eine Wanderung oder Radltour entlang der hier beschriebenen Route nicht zu empfehlen sei, im Gegenteil, nicht nur der eisenbahnaffine Reisende wird auf seine Kosten kommen.
Teil 2 der Wanderung: Kardaun - Blumau >>>
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Alle Fotos DEEF / Dr. Michael Populorum. Historische Aufnahme Speisesaal Bahnhofsrestauration Bozen: Quelle Plakat der Ausstellung im Bahnhof Sollten Sie Anregungen zu den Projekten haben oder eigene Beiträge oder Fotos präsentieren wollen, so freuen wir uns auf eine Kontaktaufnahme. Haben Sie einen Fehler entdeckt? Bitte um Info > redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF; Erstmals online publiziert: 27. Dezember 2011; Änderungen: 21.2.2019 |
Last modified
Donnerstag, 21. Februar 2019 07:48:56 +0100
Autor/F.d.I.v.: Kons. Univ. Lekt. Dr. Michael Alexander Populorum DEEF # Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung #
Railway Research Austria 2009-2020