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Endlich einmal ein positives Signal vom sonst so dahinsiechenden Eisenbahnwesen am Balkan: Die "Nikšićer Bahn" von der Hauptstadt Podgorica (vormals Titograd, dt. Potgoritz, 143.718 Einwohner) in die zweitgrößte Stadt des Landes Nikšić (dt. Nixitz, 58.649 Einwohner, früher weiter als Schmalspurstrecke nach Bosnien) wurde nach jahrelangem Stillstand des Personenverkehrs nicht abgebaut sondern elektrifiziert und umfassend saniert. Am 1. Oktober 2012 erfolgte die offizielle Wiedereröffnung, die Kosten der Sanierung betrugen knapp 70 Millionen Euro.
Alte und neue Triebwagengeneration am Bahnhof Podgorica: Im Hintergrund BR 412 (gebaut in Riga/Lettland in den 1980er Jahren), im VG einer der 3 im Jahr 2013 neu beschafften Civity-Triebwägen des Spanischen Herstellers CAF Einige Daten und Fakten:
CAF Triebwagen vor dem Bahnhof Podgorica. Der Innenraum erinnert an die Stadler-Triebwägen. Der 3-teilige Triebwagen hat eine Kapazität von 176 Sitz- und 179 Stehplätzen. Die Wagen sind niederflurig und klimatisiert und haben auch ein geschlossenes Abwassersystem. Die Ausstattung ist eher basic, dh. keine Tischen oder Abfallbehälter am Platz, keine Steckdosen und nur kleine und wenige Displays mit Anzeige der Haltestellen. Die Durchsagen der Haltestellen erfolgen auch in Englisch
2 Regionaltriebwagen der BR 412 in Podgorica. Im Vergleich zu Serbien sind die Triebwägen aussen kaum mit Graffities beschmiert und innen relativ sauber. Teilweise lassen sich die Fenster nach oben hin aufschieben (dennoch ungutes Gefühl beim Fotographieren, das Fenster hängt wie eine Guillotine über dem Nacken des Fotographen), teilweise sind die Fenster als Kippfenster ausgeführt. Einsätze hauptsächlich auf der Strecke nach Nikšić und von Podgorica nach Bar, teilweise aber auch nach Bijelo Polje
Haltestellen: Insgesamt werden inklusive der beiden Endbahnhöfe 12 Stationen bedient, nämlich
Nikšić war schon in Zeiten des alten Jugoslawien überregional bekannt durch sein Nikšićer Pivo - eine Bierstadt also Kurze Streckenbeschreibung: Die Fahrt von Podgorica nach Nikšić ist zwar nicht so spektakulär wie die Fahrt über das Gebirge mit der Bahn von Podgorica Richtung Belgrad, aber dennoch interessant. Auch der Tunnelfreund kommt mit 12 Tunnels auf seine Kosten. Der Bahnhof von Podgorica ist ein Relikt der kommunistischen Tito-Ära, ein Betonplattenbau und architektonisch nicht gerade ansprechend. Als Hauptstadtbahnhof ist er wahrlich schmalbrüstig und sollte doch schleunigst an die neue Zeit angepaßt werden. Beispielsweise täten elektronische Abfahrtsmonitore nicht schlecht, auch Durchsagen in englischer Sprache wären fein. Was Modernität anbetrifft so braucht man nur über die Strasse zum neuen Autobusterminal zu schauen. Der Bahnhof beherbergt die Direktion der Montenegrinischen Eisenbahnen sowie ein Bahnhofsbuffet.
CAF Triebwagen abfahrtsbereit in Podgorica zur Fahrt nach Nikšić
Aufnahmsgebäude Bahnhof Podgorica mit dem Bahnhofsresti "Plavi Voz" Die ersten ca. 2 km verlaufen die Gleise der Belgrad-Bar Eisenbahn und der Bahn nach Nikšić nebeneinander her gen Nordosten. Dann schwenkt die Bahn nach Nikšić in einer langezogenen Schleife nach links nahezu nach Westen von der Bahnlinie gen Belgrad ab. Der danach durch Podgorica fliessende Fluß Morača wird auf einer Eisenbrücke übersetzt und die Gleise verlaufen nun entlang des mäandrierenden Flusses Zeta durch die Zeta-Ebene (auch Bjelopavlićko-Ebene genannt), einem fruchtbaren und landwirtschaftlich genutzten Landstrich, nahezu eben dahin. Das Fürstentum Zeta, welches als Keimzelle des späteren Staates Montenegro gilt, verdankt dem Fluss seinen Namen. Die Zeta entspringt nahe Nikšić und mündet vor Podgorica als größter Nebenfluß in die Morača.
Der Fluß Morača wird überquert Die Gemeindegrenze Podgorica - Danilovgrad wird passiert, die folgenden Haltestellen liegen alle im Gemeindegebiet von Danilovgrad, einer Stadt mit 5.208 Einwohner und Zentralort einer Großgemeinde (opština) mit 16.523 Bürgern. Der alte deutsche Name lautet Kuppelnitsch.
Die erste Haltestelle Pričelje hat nur einen einfachen Unterstand
Schon etwas stattlicher das Aufnahmsgebäude des Bahnhofs Spuž
Haltestellenunterstand Ljutotuk
Vor dem stattlichen Aufnahmsgebäude des Bahnhofs Danilovgrad mit 3 Gleisen finden meist die Zugkreuzungen statt Nach Danilovgrad verläßt die Bahnstrecke die Zetaebene und gewinnt mittels zweier Lehnenstrecken an Höhe, zwischen denen eine buschbedeckte Hochfläche in weiten Bögen durchfahren wird. Die erste Lehnenstrecke weist 1 Tunnel mit einer Länge von 198 m auf (Tunnel 1). Die Station Slap wird erreicht.
Die Bahnstrecke verläßt den vom Fluß Zeta durchflossenen Talboden
Die buschbedeckte Hochfläche
Die Station Slap mit altem gemauerten Aufnahmsgebäude und dem neuen Unterstand vorne am Gleis In einer weitgezogenen Linkskurve wird die Haltestelle Bare Šumanovića erreicht, ein einfacher Unterstand, wo auch jemand ausgestiegen ist. Danach folgt Tunnel 2 mit einer Länge von 57 m. Nächster Halt ist Šobajići, ebenfalls ein einfacher Unterstand.
Haltestelle Bare Šumanovića
Haltestelle Šobajići An der 2. Lehnenstrecke wird nach der Haltestelle Šobajići nach einer langgezogenen Linkskurve ein Felssporn in einem 90 m langen Tunnel (Tunnel 3) durchfahren. Tunnel 4 weist eine Länge von 460 m auf.
Tunnel an der 2. Lehnenstrecke. Die Tunnel haben schön gemauerte Portale und sind innen im Rahmen der Renovierung mit Spritzbeton versehen worden Der Bahnhof Ostrog mit gepflegt wirkendem gemauerten Aufnahmsgebäude, eignet sich als Ausgangspunkt für das in der Nähe liegende Kloster Ostrog, einer Top-Destination für Pilger und Touristen, dessen Potential längst nicht ausgeschöpft ist. Das 1656 gegründete, am Felsen des Prekomica Gebirges klebende, Kloster bewahrt den Körper des heiligen Vasilije auf ist eines der bedeutendsten Klöster der serbisch-orthodoxen Kirche.
Der Bahnhof Ostrog mit schön gemauerten Aufnahmsgebäude weist 3 Gleise auf
und ist eben angelegt. Nach dem Bahnhof Ostrog wird Tunnel 5 mit einer Länge von 107 m durchfahren, gefolgt von einer markanten Eisenkastenbrücke, bevor der Zug für 176 m im Tunnel 6 verschwindet. Dann erreicht der Zug die Haltestelle Dabovići.
Haltestelle Dabovići. Weiter geht es an der Lehnenstrecke im felsigen Gelände aufwärts, nach einer langgezogenen Linkskurve wird Tunnel 7 mit einer Länge von 697 m durchfahren. Dann fährt die Bahn unter einer talwärts führenden Druckwasserleitung hindurch. Links sieht man die Serpentinen einer Autostrasse, die an einem 4* Restaurant (Kolibe) vorbeiführend dann eine kurze Strecke lang unmittelbar links parallel zur Bahnstrecke führt. Dann kommen 2 Tunnels unmittelbar hintereinander, nämlich Tunnel 8 mit einer Länge von 124 m und Tunnel 9 mit einer Länge von 143 m. Vor der nächsten Haltestelle Stubnica wird noch Tunnel 10 mit einer Länge von 53 m durchörtert.
Unterstand Haltestelle Stubnica sowie gemauertes Aufnahmsgebäude Stubnica
Nach der Haltestelle Stubnica wird Tunnel 11 mit einer Länge von 122 durchfahren und dann kommt in einer langgezogenen Rechtskurve der letzten und längste Tunnel, Tunnel 12 mit einer Länge von 1.260 m in Sicht. Dieser durchörtet in einer langen Geraden eben den Gebirgsrücken, hinter dem sich die Ebene rund um Nikšić ausbreitet. Links vom Portal des Eisenbahntunnels sieht man das Portal des Strassentunnels.
Tunnelportal Tunnel 12 Nach dem Tunnel hat sich die Landschaft total verändert, man befindet sich in einer Ebene, die von Gebirgen gerahmt wird. Der kanalartig geführte Fluß Zeta wird überquert und der Schienenstrang läuft direkt auf die zweitgrößte Stadt Montenegros zu. Ein paar Buben winken dem Zug zu, der also immer noch eine besondere Abwechslung im Tagesablauf darzustellen scheint. Links bei der Bahnhofseinfahrt sieht man die alten Lokschuppen, Teile der Gleise sind mit Gras überwuchert und alte, rostige und löchrige Güterwaggons stehen herum. Im Bahnhof selbst steht ein Güterzug.
Die Ebene von Nikšić ist erreicht und die kanalartig geführte Zeta wird von der Bahn überquert.
Lokschuppen/Werkstätte? linker Hand bei der Einfahrt in den Bahnhof Nikšić
Gepflegt, nahezu "geschleckt", wirkt der renovierte Bahnhof in Nikšić
Nikšić ist die zweitgrößte Stadt in Montenegro mit 58.200 Einwohnern
bzw. Gesamtgemeinde mit 76.700 Einwohnern. Rund um die Stadt befinden sich
drei Seen, die beliebte Ausflugsziele sind. Die Stadt ist auch als Heimat
des Nikšičko pivo, des Bieres aus Nikšić, bekannt und beherbergt die
philosophische Fakultät der Universität Montenegro. In Nikšić hat das
montenegrinische Energieunternehmen Elektroprivreda Crne Gore seinen
Hauptsitz. Zum Bauxitabbau führen Gütergleise.
CAF Triebwagen bereit zur Rückfahrt nach Podgorica. Ich nutzte die Zeit (ca. 25 Minuten) um noch ein paar Fotos zu schiessen
Erinnerungstafel mit den für die Eisenbahnanbindung von Nikšić wichtigen Daten. Hier noch weitere Zahlen zur Errichtung der Schmalspuranbindung an Dalmatien/Herzegowina:
Aufnahmsgebäude strassenseitig
Im Nebengebäude gibt es ein kleines Museum zur Geschichte der Bahnstrecke. Öffnungszeiten unbekannt. Eine Denkmallok würde sich sehr gut machen im Bahnhofsbereich von Nikšić
Streckenende mit Prellbock ca. 300 m nach dem Bahnhof
Hier führte die Schmalspurbahn weiter nach Bosnien/Herzegowina und Dalmatien. Wird die Strecke wieder einmal reaktiviert?
Der Prellbock manifestiert das momentane Ende der Bahnlinie Podgorica -
Nikšić Eisenbahndenkmal in Podgorica:
Neben dem Bahnhofsgebäude Podgorica steht auf ein paar Metern Schmalspurschienen umrahmt von Bäumen und Oleandersträuchen ein Lokomotivdenkmal mit 1Güterwagen sowie dem traurigen Rest eines ehem. blau lackierten Personenwaggons als Beiwerk. Bei der Lok handelt es sich um die 1910 gebaute „LOVCEN“ aus der Lokomotivfabrik RAD Koppel, Berlin, welche auf der Schmalspurstrecke Bar-Virapazar (Antivari Bahn, Vorläuferstrecke der Bar-Beograd-Bahn) im Einsatz war. Tip Unterkunft in Podgorica:
Hotel Europa (Evropa) direkt neben dem Bahnhof von Podgorica. Eine blumengeschmückte Oase mit plätscherndem Brunnen und überdachter Veranda zum Chillen und Laben. Der Blick von der Oase raus ist eher triste. Er fällt auf den Plattenbau des Postgebäudes, daneben der Plattenbau des Bahnhofs. Unansehnliche Baurelikte des Tito-Kommunismus. Einzig die blühenden Oleader-Bäume (nicht Sträucher, übermannshohe Bäume) signalisieren Leben. Das Europa also eine fast paradiesische Scholle inzwischen.
Cevapcici (übrigens 10! Stück) mit Pommes, dazu Ajvar, Serbischer Salat und natürlich Nikšićer Pivo. Herrlich, frisch und preislich sehr günstig. Serviert von nettem, englischsprechendem Personal. Cevapi mit Pommes 5 Euro, Serbischer Salat 1,50.- detto das Pivo. Das Frühstück ist angemessen, die Zimmer eher einfach aber mit gratis WLAN, Fernseher und gut funktionierender Klimaanlage Marke Funai. Übernachtung mit Frühstück um 35.- Euro (Juni 2015) Alle Fotos Dr. Michael Populorum / Archiv DEEF 2015 Links: Webseite der Montenegrinischen Eisenbahn www.zcg-prevoz.me/ Hotel Europa Podgorica www.hotelevropa.co.me/
Triebwagen 412 - 045 im Bahnhof Podgorica Sollten Sie Anregungen zu den Projekten haben oder eigene Beiträge oder Fotos präsentieren wollen, so freuen wir uns auf eine Kontaktaufnahme. Haben Sie einen Fehler entdeckt? Bitte um Info > redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur Railway Research Austira / DEEF; Erstmals Online publiziert: 7. Juni 2015; Letzte Ergänzung: |
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Sonntag, 07. Juni 2015 13:29:18 +0200
Autor/F.d.I.v.: Kons. Univ. Lekt. Dr. Michael Alexander Populorum DEEF # Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung #
Railway Research Austria 2009-2020