Nachdem ich es genossen hatte, 2x für knapp 1 Woche kreuz und quer mit dem
Zug durch die Schweiz zu fahren, eine Studienreise quasi, "Lernen von den
Besten" – einmal vom Standort Genf aus und beim zweiten Mal
von Lugano im Tessin aus – da habe ich mir gedacht, ich nutze wieder
verstärkt meine Österreichcard, um Land und Leute kennen zu lernen und
nicht nur, um arbeitend entlang der Hauptstrecken durch Österreich zu
fahren. Also mal so wie es die Schweizer machen, am Wochenende wird
ausgerückt mit dem Zug um die Schönheiten des Landes zu erkunden.
Doch ich musste sogleich (wiederum) die bittere Erfahrung machen,
Österreich ist nicht die Schweiz und vor allem abseits der großen Ost-West
und Nord-Süd-Transversalen gilt im Reich der hiesigen Staatsbahn ÖBB und
der Verbünde offenbar immer noch: Halbwegs akzeptabler Fahrplan nur von
Montag bis Freitag, um die Horden an Schülern und Pendlern in die
zwischenzeitlich zu Verbildungswerkstätten verkommenen Schulen und Pendler
in die „Hackn“ zu transportieren, aber am Wochenende wird der in
Österreich ohnehin schon schmalbrüstige Fahrplan nochmals ausgedünnt und
Ausflugs- und Urlaubsfahrten sind in diesem Eisenbahnentwicklungsland nur
mehr für Masochisten eine Freude.
Denn: Ein 2-Stunden-Takt ist generell
inakzeptabel!
Dass man
abseits der Hauptstrecken keine 1. Klasse angeboten bekommt (aber mit der
Österreichcard teuer dafür bezahlt hat), schmälert den Reisegenuss noch
zusätzlich.
Die römischen Ausgrabungen in Carnuntum wollte ich mir immer schon einmal
anschauen und so wollte ich am Samstag 1. April dorthin fahren. Bis Wien
Flughafen mit dem RJ ab Salzburg, Stundentakt, das passt. Dann muss man
die S7 nehmen, Richtung Wolfsthal. Ich schaute zur Sicherheit im Scotty
nach, ob die S-Bahn im Halbstundentakt oder Stundentakt verkehrt oder
vielleicht gar im Viertelstundentakt? Ungläubig starrte ich auf den
Ausdruck vom Scotty, ich machte nochmals die Abfrage, das Ergebnis blieb
aber gleich, nämlich niederschmetternd:
Die S7 verkehrt am Samstag, Sonn- und
Feiertagen ab Schwechat nur im 2-Stunden-Takt!!! Unglaublich aber wahr.
Da ich vor Ort
auch genüsslich essen gehen wollte, in Ruhe die Ausgrabungen und das
Museum besichtigen wollte und auch noch ein bisschen was vom Bahngeschehen
erleben wollte, dabei aber nicht immer auf die Uhr sehen wollte, habe ich
den Ausflug abgesagt. Unglaublich, im Zentralraum Wien eine S-Bahn im
2-Stundentakt. Offenbar das Ergebnis roter Verkehrspolitik – rote ÖBB,
roter VOR, rotes Verkehrsministerium, rotes Wien!
Rot macht offenbar die Öffis
tot :-(
Zu diesem Thema habe ich dann noch gegoogelt und gesehen, dass in mehreren
Gemeinden an der S7 schon seit geraumer Zeit deutlich kürzere Intervalle
gefordert werden, die Politik und Staatsbahn sind aber – wie so oft –
säumig.
Werde ich also einmal unter der Woche dorthin fahren, als Selbständiger
geht es ja noch halbwegs, dass ich unter der Woche „blau mache“ und dafür
am Wochenende hackel.

Ein guter Ansatz
Anfang der 1990er Jahre - der Austrotakt, leider nie richtig umgesetzt
Ich stieg dann also in den RJ und fuhr nach St. Valentin, denn in den
beiden Wirtshäusern gegenüber vom Bahnhof da gibt es guten Most und
verhungern tut man dort auch nicht. Dann könnte ich ggf. ja nach
Kastenreith fahren, mal den Tunnel dort direkt im Bahnhof mit einem
rausfahrenden Zug fotographieren.
Speis und Trank im Gasthof Post waren ausgezeichnet und frisch gestärkt
ging ich dann die paar Schritte zum Bahnhof rüber. Doch was sah ich dort:
Der Zug nach Kleinreifling fuhr wenige Minuten vorher ab und da Samstag,
ging der nächste Zug erst in 2 Stunden. Sakradi auch hier nur 2
–Stunden-Takt :-(
Ich fragte dann im sogar besetzten Schalter nach, ob ich über Amstetten
schneller wäre – und tatsächlich, über Amstetten und Waidhofen an der Ybbs
konnte ich den Zug von St. Valentin über Steyr fast einholen.
Doch der Blick auf den Aushangfahrplan in Kastenreith (Monitore
Fehlanzeige) zwecks Rückfahrt brachte mich schon wieder auf 180 – auch
hier nur ein ca. 2-Stunden-Takt, wobei die Züge von Kleinreifling kommend
nur innerhalb weniger Minuten zuerst Richtung Amstetten und dann Richtung
Linz fuhren und dann 2 Stunden Pause angesagt sind. Warum legt man die
Fahrten nicht so, dass man jede Stunde abfahren kann, einmal Richtung
Amstetten und einmal Richtung St. Valentin/Linz???
Ein Kapitel für sich ist ja auch die Tatsache, dass eine der schönsten
Eisenbahnstrecken Österreichs, die Strecke von Kleinreifling weiter über
Hieflau und das Gesäuse, überhaupt nur mehr am Wochenende bedient wird und
das sage und schreibe durch 1 Zug pro Tag und Richtung. Dabei böte sich in
dieser schönen Landschaft genügend Potential für „sanften Tourismus“ und
dazu gehört auch ein optimaler Öffentlicher Verkehr. Auch für
Eisenbahninteressierte wäre diese Strecke ein Highlight aber bei so einem
miserablen Fahrplan und dann noch dazu mit einer S-Bahngarnitur (Talent),
da gehört wiederum eine kräftige Portion Masochismus dazu hier zu fahren.
Erstklassig reisen wie in der Schweiz ist ja auch nicht möglich, alles nur
billiges Material mit 2. Klasse :-(
Das mit dem 2-Stunden-Takt ließe sich natürlich weiter fortsetzen, ja
sogar auf der Paradestrecke der Staatsbahn, der Westbahnstrecke, verkehren
sonntags die REX zwischen Salzburg und Linz, die bspw. die Bahnhöfe
Frankenmarkt oder Vöcklamarkt bedienen, auch nur im 2-Stunden-Takt. Es ist
wirklich beschämend!
Fazit:
Es ist wirklich an der Zeit, dass das Fahrplanangebot in Österreich auch
abseits der Hauptverkehrsschienenstränge deutlich ausgebaut wird und vor
allem am Wochenende auch mindestens ein Stunden-Takt angeboten wird. Das
was jetzt angeboten wird seitens der Staatsbahn ÖBB und offenbar unter
Duldung der Politik, ist schlicht und einfach gesagt tourismusschädigend
und eine Pflanzerei der einheimischen Fahrgäste wie der Touristen.
Die
Verantwortlichen sollen sich schleunigst auf eine Exkursion in die Schweiz
aufmachen um selbst zu erleben, wie man Bahnfahren attraktiv machen kann!
Eingetippt am Samstag 1. April 2017 im "City Jet" auf der Fahrt von
Kastenreith nach Linz Hbf.
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Bericht von: Dr.
Michael Populorum, Chefredakteur DEEF; Erstmals Online publiziert:
04. April 2017; Ergänzungen: -