Eine Chuzpe der
Sonderklasse haben sich die Österreichischen Staatsbahnen ÖBB gestern am
28. April 2016 geleistet. Als ich gestern vom General Meeting der
Europäischen Journalistenvereinigung EFJ in Sarajevo mit dem Zug (IC 210
Sava) von Laibach in die Heimat zurückfuhr, da hiess es im Slowenischen
Grenzbahnhof Jesenice (vormals Aßling) "Alle aussteigen". Der Grund: SEV
zwischen Jesenice und Villach, der späte Schnee hatte angeblich einen Baum
(oder mehrere) in die Oberleitung zwischen Faak am See und Ledenitzen
geworfen.

IC "Sava"
zwischen Bahnhof Rosenbach und Karawankentunnel - am 28.4.2016 fuhr hier
kein Zug sondern ein Bus
Schon
diesbezüglich ist zu hinterfragen, warum schon wieder Bäume auf die
Bahnlinie der ÖBB purzeln, in Slowenien gab es auch Schnee aber keine
Bäume in der Oberleitung. Auch auf der Autobahn oder Bundesstraße parallel
zur Bahnlinie gab es keine Unterbrechung, die internationale Bahnlinie
Jesenice - Villach allerdings war unterbrochen, noch dazu gleich mehr als
3 Tage wie auf der ÖBB-Webseite verkündet wurde.
Da fragt man
sich zumindest 2 Dinge:
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Wurde schon
wieder einmal beim Ausholzen gespart?
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Und hat man
offensichtlich zu wenig Personal vor Ort, weil ein paar Baumstämme aus der
Strecke zu schaffen und die Oberleitung zu flicken darf ja wohl keine 3
Tage dauern? Wo doch der Tag 24 Stunden hat, man also auch nächtens
arbeiten kann und bei Bedarf sicher auch die örtlichen Feuerwehren oder
das Bundesheer hinzuziehen könnte.
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Aber die
Unannehmlichkeiten des Umstiegs auf einen Bus waren noch gering und
verschmerzbar im Vergleich zu dem was kommen sollte.
Die Chronologie
des neuerlichen Scheiterns des ÖBB-Krisenmanagements und der Kommunikation
(communication breakdown):
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Unser IC 210
Sava kam pünktlich in Jesenice an. Am Bahnhofsvorplatz standen 2 SEV-Busse
eines Kärntner Busunternehmens.
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Ich wählte den
links vom Eingang, wie sich zeigen sollte der 2. Bus der abfahren sollte,
gleichzeitig mit dem ersten.
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Von einem
Schaffner (Zugbegleiter) war nichts zu sehen, eine Betreuung durch die ÖBB
also nicht gegeben.
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Eile schien man
keine zu haben, es wurde den Rauchern eine gemütliche Rauchpause gegönnt.
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Um 16.30 fuhren
wir los, für die 26 km Strecke nach Villach (lt. Verkehrsschild) 45 Zeit,
um den EC 110 nach Salzburg und weiter nach München zu erreichen. Das war
auch wichtig, denn im Unterschied zum Eisenbahnmusterland Schweiz, wo
IC-Verbindungen zwischen Kantonshauptstädten meist im 30 Minutentakt
verkehren, ist das Eisenbahnwesen in Österreich eher das einer
Bananenrepublik - zwischen Kärnten und Salzburg gibt es nur einen
2-Stundentakt, dh. beim Versäumen eines Zuges 2 Stunden Wartezeit
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Bei der 1.
Ampel müssen wir halten, der 1. Bus fährt noch drüber und war dann bis
Villach nicht mehr gesehen. Von einem gemeinsamen "Mot-Marsch" wie man das
beim Militär lernt haben diese Zivilisten scheinbar noch nie was gehört.
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Da die Busse
vor dem Bahnhof entgegen der Marschrichtung (Fahrtrichtung) geparkt
hatten, machten wir noch eine Ortsrundfahrt durch Jesenice, zuerst
Richtung Süden, dann wurde umgedreht und am Bahnhof wieder vorbei ging es
Richtung Autobahn. Unser Buslenker legte ein wahrliches Schneckentempo
vor, so als wolle er eine Sightseeingtour machen.
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Ich ging nach
vorne uns sagte dem Buslenker, dass ich um 17.16 in Villach den Anschluss
nach Salzburg erwischen möchte und das das sichergestellt gehört. Ich
forderte ihn auf, in Villach anzurufen und zu melden, dass es
Weiterreisende Richtung Salzburg gibt. Darauf der Kärntner Buchauffeur:
< Ihm sei gesagt worden, der Zug fahre nicht ab bis er meldet er ist in
Villach angekommen.> Ich sagte ihm, ich kenne die ÖBB besser und man dürfe
solchen Worten nicht trauen. Jedenfalls telefonierte der Buslenker NICHT.
Und Schaffner war ja wie gesagt keiner da, dessen Aufgabe das eigentlich
wäre.
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Im
Schneckentempo ging es zur Autobahn hoch, ein großes grünes Schild zeigte
direkt vor der Mautstelle den Weg zur Autobahn an. Aber was macht unser
Buslenker: Er folgt plötzlich einem kleinen gelben Schild mit der
Aufschrift Jesenice nach rechts und wir drehen eine unfreiwillige
Parkplatzrunde.
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Weiterhin im
Schneckentempo werden die Kontrollpunkte bei der Maut passiert und dann
sind wir endlich im Karawankentunnel
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Auch danach hat
es unser Buslenker nicht gerade eilig, die zulässige Höchstgeschwindigkeit
wird bei bestern Fahrbedingungen und kaum Verkehr keineswegs ausgenutzt
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Ich sitze wie
auf Nadeln, auch das Karlovacko-Pivo, das ich noch von Zagreb hatte,
beruhigte mich nicht. Wenn ich mit den SBB reisen würde dann würde ich
mich zurücklehnen können und darauf vertrauen, dass man sich um mich und
meine Mitreisenden kümmern würde. Auf die ÖBB kann man in solchen oder
ähnlichen Situationen niemals verlassen denn dann ist man verlassen!
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Als wir in
Villach Seebach kurz vor dem Hauptbahnhof fahren überholt uns der EC 110 -
das wird knapp denke ich mir, denn ich vertraue nicht darauf, dass es
einen Verantwortlichen bei den ÖBB gibt, der Verantwortung übernommen hat und die 2!
Busse avisiert hat.
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Wir fahren am
Bahnhof vor, aussteigen nein, der Buslenker hat es nach wie vor nicht
eilig und dreht um (was er eigentlich in Jesenice tun hätte sollen, da
hätten wir sicher 3 Minuten gespart) und parkt hinter dem bereits leeren
1. SEV-Bus ein. Ich verlasse fluchtartig den Bus und was sehe ich durch
die Tür des Bahnhofs: Den Speisewagen des 110er, der sich langsam in
Bewegung setzt. Es ist 17.20, Planabfahrt ist 17.16. Porca Miseria denke
ich mir und sogleich: So ein Sauhaufen, diese Staatsbahn ÖBB. Ich sage dem
Buslenker, warum er nicht angerufen hat. Er: < Er werde jetzt anrufen dass
er da ist. > Ich: Das kann er sich sparen, der Zug ist eben abgefahren.
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Danach gibt es
einen großen Auflauf vor dem Schalter im Villacher Hbf. Wie sich
herausstellt, hätten fast alle Reisende des 2. Busses (mehr als 20) den
Anschluss Richtung Salzburg benötigt. Salzburg, München, Frankfurt, Passau
- das waren einige der benötigten Destinationen. Natürlich fühlt sich
niemand von den ÖBB für die Reisenden zuständig, es wird nur lapidar
geantwortet, der nächste Zug geht in 2 Stunden um 19.16. Ich lasse den
Schalterbeamten auch meinen Ärger spüren, eine "Jugoslawin" mit 3 Kindern
beschimpft den Mann am Schalter so laut, dass es in der Halle hallert und
die Leute alle herblicken. Der Mann kann zwar nichts dafür aber sein
Unternehmen hat wieder einmal kläglich versagt. Recht so, Wut rauslassen
und nicht "einfach hinnehmen"!
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Ach ja die SBB,
da hab ich (verbrieft) schon mehrmals davon gehört, dass diese in so einem
Fall 1 Lok und 1 Waggon auftreiben und die Reisenden separat exklusiv
transportieren. Aber wir sind ja in Österreich und die ÖBB ein
Staatsbetrieb, der sich nicht im geringsten um das Wohl seiner zahlenden
Kundschaft schert.
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Ich gehe zum
Schalterbeamten und frage, wer von den beiden der "Manager des Tages" ist.
Jaja, Wissen ist Macht! Der im Reisebüro ist es. Ich gehe zu ihm, lege ihm
meine Österreichcard vor und sage ihm, wenn er mir ad hoc einen
Reisegutschein von mindestens 30 Euro ausstellt dann könnte sich mein
Ärger etwas abkühlen. Im 1 Finger Adler Suchsystem wird dann ein Gutschein
ausgedruckt.
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Die anderen
Fahrgäste hängen am Bahnhof herum, es gibt dank der ÖBB Immobilien GmbH
und ihrer undurchsichtigen Handlungsweisen ja nicht mal mehr ein
Bahnhofsrestaurant auf Kärntens größtem Bahnhof. Als Ortskundiger gehe ich
die paar Schritt in den Ort hinein zum Villacher Brauhof, wo man gut sitzt
und gut speisen kann. Der Lavanttaler Spargel, zum Glück mal nicht mit
Holländischer Sauce sondern mit brauner Butter und Parmesan, dazu heurige
und resch angebratene Kartoffeln, enttäuscht mich auch nicht und läßt mich
etwas den Ärger über das Chaos-Pleiten-Pech und Pannen- Unternehmen ÖBB
vergessen.
Traurig stimmt mich allerdings der Gedanke, dass sich beim
Unternehmen ÖBB wohl nichts ändern wird, es wird kein Verantwortlicher für
das peinliche Missgeschick identifiziert werden und keiner wird zum
Rapport befohlen werden. Heute morgen oder übermorgen wird sich das in
gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, solange, wie dieser
Staatsbetrieb von Steuergeldern subventioniert schalten und walten kann
wie er will.
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Zusammengefasst
muss man zumindest folgende Fragen aufwerfen:
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Warum gab es in
keinen Schaffner, der im 2. Bus mitfuhr und erst nach dessen Eintreffen
der Zug abgefertigt werden hätte dürfen?
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Warum bummelte
der Busfahrer so? Negierte meinen Wunsch in Villach anzurufen?
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Wer ist der
Schuldige=Verantwortliche für dieses Desaster? Klar, letztendlich immer
der Chef, aber Herr Kern in Wien ist ja mehr mit politischer Werbung für
seine Genossen beschäftigt als mit den Wünschen und der Zufriedenheit
seiner Kunden.
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Warum hat man
Strukturen geschaffen, wo am Bahnhof niemand mehr letztverantwortlich ist?
Warum gibt es keinen Bahnhofsvorstand mehr wie in früheren, goldeneren
Zeiten?
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Wenn niemand
zum Rapport befohlen wird, dann wird sich auch nichts ändern und heute,
morgen oder übermorgen wird sich Ähnliches wiederholen und das Image des
Unternehmens und des Systems Eisenbahn wird weiter sinken
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Last not least
die Anmerkung:
Wenn es wie in
der Schweiz einen ordentlichen Taktverkehr geben würde, dann könnten
Zugsversäumnisse leichter toleriert werden. Aber bei einem
kundenunfreundlichen Takt von 2 Stunden wie in Österreich sollte man sich
überlegen, wie man den Ärger und den Frust der Kunden vor Ort mindern
kann. Denn nur zu sagen, in 2 Stunden geht der nächste Zug ist zu wenig.
Entweder ein Gutschein für ein Abendessen oder ein Extra-Transport wären
ein Ansatz in die richtige Richtung. Oder eine ordentliche Lounge, wo man
sich erholen kann und kein grindiger Wartekobl, wo man höchstens
Bekanntschaft mit Sandlern und "Zigeunern" machen kann.
Leider fehlt
mir aufgrund meiner langjährigen Erfahrung mit dem Staatsbetrieb ÖBB der
Glaube an Verbesserungen - aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt
und es geschehen immer mal Zeichen und Wunder.
Ihre Meinung? redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org

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die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren. Der investigative
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Anstoß geben und ist nicht Selbstzweck sondern dem Wohle der Eisenbahn
verpflichtet

Bericht von: Dr.
Michael Populorum, Chefredakteur DEEF; Erstmals Online publiziert:
29. April 2016; Ergänzungen: -
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