Eindrücke von meiner Fahrt per Bus quer durch Frankreich
Im Vorfeld der Fußball EM in Frankreich haben die
Eisenbahnergewerkschaften die „Gunst der Stunde“ zu nutzen versucht und
einen landesweiten Streik ausgerufen. Der Grund wahrscheinlich wie so oft
eine Kleinigkeit, vielleicht sollte eines der „wohlerworbenen Rechte“
seitens des Staates eingeschränkt werden und da trifft man sich in
Frankreich und manch anderen Staaten wie Italien nicht wie zivilisierte
Menschen am Verhandlungstisch, sondern da wird einfach gleich gestreikt.
Ob das das Image der Eisenbahn weiter ruiniert, ob die zahlende Kundschaft
dann zum Handkuss kommt und irgendwo strandet, das ist diesen
Gewerkschaftlern wohl völlig einerlei.
Im Auftrag von
Flixbus France unterwegs
Auf meiner Anreise zum Journalisten-Weltkongress in Angers an der
Westküste Frankreichs, die ich über Genf und Lyon geplant hatte, strandete
auch ich. Während von der Schweiz aus von einem kleinen Nebenbahnhof in
Genf noch ein Ersatzbus nach Frankreich ging und ich über eine
Nebenstrecke nach Lyon gelangte, ging es am nächsten Tag einfach nicht
weiter. Ausser ich hätte event. einen wegemässigen Umweg über Paris
geplant aber dann wäre ich vielleicht in Paris gestrandet, so wie es
einigen anderen Teilnehmern des Kongresses erging. Die isländische
Delegation bspw. musste sich von Paris bis Angers ein Taxi nehmen und
dafür 500.- Euro löhnen. Man sollte das den Gewerkschaftlern in Rechnung
stellen, dann vergeht ihnen vielleicht die Lust am leichtfertigen
Zerstören des Systems Eisenbahn durch leichtfertig vom Zaum gebrochene
Arbeitsniederlegungen.
Nachdem ich gleich um 8 Uhr morgens in Lyon Port Dieu, dem Hauptbahnhof
der zweitgrößten Stadt Frankreichs, im Reisezentrum mit einer Liste von 4
Zügen erschienen bin(2 direkte TGV, je 1 IC und TER mit Umsteigen, wobei 1
TGV laut Streikfahrplan auf alle Fälle fahren sollte), musste ich dort
doch sogleich wieder kapitulieren. Zum einen sprach dort niemand Englisch
(oder wollte nicht), auch nicht Deutsch, nur dieses zwar herrlich
anzuhörende aber unlogisch zu sprechende und zu schreibende Französisch.
Und die Antwort dieses offensichtlich unterqualifizierten Mitarbeiters
(die anderen 2 waren offenbar auch nicht besser gebildet) lautete auf alle
meine 4 Verbindungen: „No“. Zur Bekräftigung seines „No“ wurden per Kuli
alle meine Wünsche durchgestrichen und ich dann völlig allein gelassen. So
vergrault man wirklich Fahrgäste!
Anstatt die Stadt Lyon und ihre Straßenbahn, den Obus und die 4
U-Bahnlinien zu erkunden, ging ich zurück ins nahegelegene Ibis und warf
mein Notebook an und gab im Google die Suchparameter „Autobus, Lyon,
Angers“ ein. Und ich wurde fündig – in gut 1 Stunde sollte vom Busbahnhof
neben dem Hauptbahnhof ein „Flixbus“ abfahren. Fahrzeit mehr als 9
Stunden, Preis 22.- Euro. Im Vergleich dazu der Zug: Regionalzug mit
Umstieg ca. 8 Stunden, Preis ca. 80 Euro. TGV 4 Stunden, Preis geschätzt
in der 1. Klasse ca. 130 Euro. Vom Preis her der Bus also unschlagbar.
Der Busbahnhof widerspiegelte noch nicht den Boom, den die Fernbusse in
Europa momentan erleben, ein eher schmuddeliger Parkplatz ohne jegliche
Infrastruktur. Keine Überdachung, keine digitalen Anzeigen, kein
Ticket/Buchungsschalter, kein Warteraum, nicht mal eine Bank – zahlreiche
Menschen hockten auf Betonabsperrungen, die den Parkplatz eingrenzten und
warteten auf die Ankunft ihres Busses.
Mein „Flixbus France“ kam pünktlich. Ich zog mein Lenovo Yoga aus dem
Rucksack, wo der Touchscreen schon meine digitale Fahrkarte mit
maschinenlesbaren Code zu sehen war. Der Fahrer fotographierte mit seinem
Handy den Code ab und sah dann auch in der Namensliste nach und ich auf
sein Populorum? mit Michael ergänzte hieß er mich an Bord willkommen. Ich
merkte, dass er offenbar sogar Deutsch sprach. Englisch auch wie ich dann
bei der Kommunikation mit anderen Kunden merkte. 1:0 gegenüber der Bahn
könnte man sagen. Ich war froh an Bord zu sein und auch, dass entgegen
meiner Befürchtungen der Bus auch nicht übervoll war. Gut frequentiert
aber die meisten Reisenden – so auch ich – hatten neben sich einen freien
Platz. Das trug sicher sehr zum Komfort der Reise bei.
Eher trist der
Busbahnhof in Lyon. Dahinter das Bahnhofsgebäude Lyon Port Dieu
Der Bus kam aus Grenoble mit Enddestination Nantes und Zwischenstopps in
Clermont Ferrand, Bourges, Tours (herrliches Bahnhofsgebäude) und Angers.
Dazu ein kurzer Tankstopp, ein kurzer Klo-Stopp sowie ein Stopp an einer
Raststätte direkt vor Tours von fast 1 Stunde, weil die seit Clermont
Ferrand weibliche Pilotin eine gesetzmässig vorgeschriebene Zwangspause
einlegen musste. Ein Herr, der in Tours ausstieg, beklagte das natürlich
beim Zwangsstopp und meinte, er wäre jetzt schon zuhause wenn
weitergefahren worden wäre.
9 Stunden Fahrt am Stück sind allemal anstrengend, sei es im Zug, im Auto,
im Bus oder im Flugzeug. Der Vorteil beim Zug ist halt, dass man etwas
mehr „Auslauf“ hat als bei den anderen Verkehrsmitteln. Und ich bin ja ein
Eisenbahnjournalist und kein Busjournalist und wollte meine doch sehr
bescheidenen Streckenkenntnisse vom Französischen Schienennetz etwas
verbessern. Doch da machten mir die streikfreudigen Gewerkschaftler leider
einen Strich durch die Rechnung.
Aber ich kam
endlich zu meinem ersten Test der Fernbusse, wobei ich dafür eigentlich
eher eine Strecke von 2 Stunden geplant hatte. Wobei ich in früheren
Zeiten doch schon einige Busreisen gemacht hatte, angefangen bei den
„Bäderbussen“ als kleiner Bub von Salzburg nach Italien an die Obere Adria
(Gabbicce Mare), den Reisen durch Anatolien per Bus in Ermangelung
adäquater Bahnverbindungen sowie auch eine Fernreise per Bus von Salzburg
nach Istanbul und retour – da ging es 2 Tage und 1 Nacht durch.
Im Bus
Abschließend einige Anmerkungen:
|
Der
Fahrkartenkauf war unkompliziert, die Buchungsbestätigung aufs Handy hätte
mir das Auspacken des Notebooks erspart. Aber es gibt ja eine Buchungs-App
fürs Handy, die kann man sich ja – wenn man mehr Zeit als ich in dieser
Notsituation hatte – herunterladen
|
|
Der
Bus-Chauffeur war freundlich und fuhr gut, machte tw. wie ein Reiseleiter
auch Ansagen zu Sehenswürdigkeiten, allerdings nur in Französisch und ich
verstand also nur Bahnhof. Die Frau, die ihn ablöste, hatte den Bus gut im
Griff und war ebenfalls freundlich. Sprach aber eher nur Französisch
|
|
Der Preis von
22.- Euro ist unschlagbar günstig. Aber offenbar immer noch profitabel,
denn Stütze vom Staat gibt es sicher keine für den Busbetreiber und als
Privater muss das Unternehmen ja zumindest kostendeckend arbeiten. Die
Preise der Bahn im Vergleich dazu sind einfach unverschämt hoch
Zusätzlich gab es noch einen 5.- Euro Gutschein, den eine Mitarbeiterin
von Flixbus bei der Abfahrt verteilte. Anreiz also für eine weitere Reise
und diese wird dann noch günstiger
|
|
Bei den
Bus-Chauffeuren der privaten Busunternehmen ist auch sicher nicht so
leicht mit Arbeitsniederlegungen zu rechnen, man hat also eine höhere
Gewissheit, die geplante Reise auch antreten zu können
|
|
Der Busterminal
in Lyon ist ein grindiger Parkplatz, da punktet auf alle Fälle der Bahnhof
der Eisenbahn. Da besteht Handlungsbedarf seitens der Kommune von Lyon
|
|
Vom
versprochenen XXL-Platzangebot (Sitze) im Bus keine Spur. Der Bus war zwar
modern fuhr aber offenbar auch Schülertransporte wie am Schild auf der
Windschutzscheibe erkenntlich war. Es war eher eng, zum Glück wie schon
eingangs erwähnt war meist nur 1 Sitz pro Zweierbank belegt. Sonst wäre es
wahrlich zu eng geworden
|
|
WLAN gab es
auch nicht obwohl das offenbar bei Flixbus Standard sein soll. Wobei der
Sitzabstand so eng war, dass ich selbst mein kleines Yoga-Notebook nicht
mal ganz aufklappen konnte
|
|
Auch Steckdosen
gab es keine
|
|
Schmerzlich
vermisst habe ich die Möglichkeit, gekühlte Getränke zu kaufen. Es gab
schlicht und einfach nichts zu kaufen. Das ist unverständlich bei so
langen Fahrten und man nimmt sich damit auch die Möglichkeit zu
Zusatzeinnahme
|
|
Klo gab es an
Bord, die Chauffeurin meinte allerdings, wenn geht soll man sein Geschäft
besser an der Raststätte erledigen. Beim längeren Stopp an der Raststätte
wurde das Klo entleert, offenbar war es voll und man konnte es davor nicht
mehr nutzen
|
|
Die Stationen
der Zwischenhalte waren alle im Stadtzentrum. Zum Aus-/Zusteigen optimal,
aber in Summe doch mit einem Zeitverlust von je mindestens einer halben
Stunde verbunden, der die Fahrt von Lyon nach Angers um gut 1,5 Stunden
verlängerte. Dazu noch der Stopp auf der Autobahnraststätte zwecks
Ruhezeitregelung für die Chauffeurin von fast 1 Stunde haben in Summe die
Fahrt um mindestens 2,5 Stunden verlängert im Vergleich zum direkten
Durchfahren auf der Autobahn
|
|
War die Fahrt
anfangs durch die hügelige Landschaft der Auverne mit kräftigen Steigungen
auf der Autobahn und zahlreichen Tunnels noch abwechslungsreich, so wurde
die Fahrt je länger man unterwegs war eher monoton. Da braucht man auf
alle Fälle eine Reiselektüre oder andere Abwechslungen
|
|
Das Publikum an
Bord war bunt gemischt hinsichtlich Geschlecht und Ethnien (neben
typischen Franzosen auch Kopftuchweiber, Negroide und Neofranzosen aus dem
Maghreb). Eher junge Leute aber auch ein paar Ältere, event. auch wegen
dem Bahnstreik. Aber durchwegs Inländer, also Franzosen. Mit einem davon
kam ich gut ins Gespräch, ein Architekturstudent aus Grenoble, der
Bekannte in Nantes besucht. Zeit spielt weniger Rolle, eher der Preis. Der
Bus ist da optimal. Und er hatte ein dickes Buch zum Zeitvertreib dabei
|
Apropos Raststätten auf Französischen Autobahnen: Wie habe ich mich
gefreut auf ein kühles Bier. Ich bestelle es doch die Dame sagt „No“. Hm,
wie?? Man klärt mich auf: Es gibt eine gesetzliche Regelung, wonach kein
Alkohol ausgeschenkt wird in den Raststätten auf Autobahnen. Gleichgültig
ob man Fahrer ist oder so wie ich Fahrgast. Außer: Man bestellt was zum
Essen. Ok, ich zeige auf einen kleinen Salat. Wiederum: „No“. Ich werde
wieder aufgeklärt: Es muss schon eine warme Hauptmahlzeit sein, dann gibt
es etwas Alk, ansonsten „NO“. Da ich weder Hunger habe noch Lust, mich
diesem Diktat zu ergeben, kaufe ich mir eine 1,5 Literflasche
Mineralwasser, die, wie ich dann feststellen mußte, auch keine „Perlen“
enthielt, also normales Wasser war. Aber zumindest gut gekühlt war das H2O.
Tankstopp
Geschlaucht aber doch zufrieden, überhaupt eine Möglichkeit gehabt zu
haben, rechtzeitig zum Kongress zu kommen, stieg ich in Angers nach mehr
als 9 Stunden aus dem Flixbus aus, direkt im Zentrum neben dem Bahnhof St.
Laud und unweit meines Mercure, wo Zimmer, Dusche und ein Bett warteten.
Und dazwischen endlich ein gut gekühltes BIER :-)
Zum Unternehmen FlixBus:
Das Unternehmen
wurde 2011 unter dem Namen GoBus gegründet und 2013 in FlixBus umfirmiert.
Seit der Fusionierung mit dem größeren Fernbusanbieter MeinFernbus im Jahr
2015 ist das neue, nun seit 2016 so genannte Unternehmen Flixmobility GmbH
der größte Fernbusanbieter im deutschsprachigen Raum (Marktanteil
Deutschland über 70%). Mit Kooperationspartner (viele Fahrten werden durch
regionale Busunternehmen durchgeführt) und Tochterunternehmen werden
täglich über 10.000 Direktverbindungen in Europa angeboten. In Österreich
sind u.a. das Eisenbahnunternehmen WESTbahn GmbH sowie das Busunternehmen
Blaguss Kooperationspartner. Durch die Einführung des Fernbussystems nach
der Liberalisierung des Fernbusverkehrs im Jahr 2013 sind nach Schätzungen
ca. 10.000 neue Arbeitsplätze direkt und indirekt allein durch FlixBus
geschaffen worden.
Ihre Meinung? redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org
Zur Übersichtsseite DEEF-Blog
>>>
Alle Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors wieder. Beiträge (Blogs)
von anderen Autoren (Bloggern) sind gerne willkommen. Die Beiträge dienen dazu,
die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren. Der investigative
Journalismus soll zu einer Verbesserung der Dienstleistungen im Eisenbahnsektor
Anstoß geben und ist nicht Selbstzweck sondern dem Wohle der Eisenbahn
verpflichtet
Bericht von: Dr.
Michael Populorum, Chefredakteur DEEF; Erstmals Online publiziert:
26. Juni 2016; Ergänzungen: -