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DEEF-Blog 2014: Denkmalschutz in Salzburg - Desinteresse oder Kapitulation vor dem Mammon?

Bereits vor geraumer Zeit habe ich in einem Beitrag aufgezeigt, dass in Österreich zwar jeder zweite Bildstock, Kapelle, Kirche oder Bürgerhaus unter Denkmalschutz gestellt wird, aber dass man es in der angeblichen Kulturnation Österreich kaum der Mühe Wert findet, das technisch-industrielle Erbe für die Nachwelt aufzubewahren. Kaum einer der Bahnhöfe in Österreich aus der Gründerzeit steht unter Denkmalschutz und wenn, dann schert man sich einen Deut´darum, läßt ihn verfallen oder wenn er einem neuen Projekt im Wege steht oder man ihn einfach nicht mehr haben möchte, dann reißt man ihn einfach ab. Und der Denkmalschutz, das Bundesdenkmalamt (BDA) schaut zu!

 

Vor kurzem war in den Medien wieder von 2 historisch bedeutsamen Bauten dieser Gattung die Rede, die wider Erwarten nicht unter Denkmalschutz standen und die abgerissen werden sollten bzw. gerade am demolieren waren. Es sind dies:

 

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Das Werkstattgebäude der ehem. Ischlerbahn in Salzburg

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Das Wolf-Dietrich-Berghaus der Saline in Hallein

 

Zuschriften diesbezüglich erreichten auch unsere Redaktion.

 

Ischlerbahnwerkstatt:

Mail von Richard Fuchs, Stv. Obmann Verein S-Bahn Salzburg:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist traurig zuschauen zu müssen, wenn in einer Stadt, in der eigentlich die Bewahrung des Weltkulturerbes oberste Priorität haben sollte, historische Bausubstanz sang- und klanglos zerstört werden darf. Irgendjemand, dem die Verantwortung zur Erhaltung des Weltkulturerbes offensichtlich nicht bewusst ist, muss es möglich gemacht haben, dass das letzte erhaltene Bauwerk der weltbekannten Salzkammergutlokalbahn (SKGLB), die ehemalige Werkstatt der SKGLB in der Samstraße in einem unvorstellbaren Barbarenakt abgerissen wird. Offensichtlich unterliegt dieses technikgeschichtlich bedeutende Gebäude nicht dem Denkmalschutz und kann ungefragt niedergewalzt werden. Vermutlich wird nächste Woche dieses historisch wertvolle Gebäude durch Unvermögen der Denkmalschützer, durch Desinteresse der verantwortlichen Politik und durch pure kurzfristige wirtschaftliche Interessen unwiederbringlich zerstört sein. Dann werden wohl alle erklären, nicht zuständig zu sein, sich auf irgendwelche fragwürdigen Rechtszustände berufen und auf den privaten Besitzer verweisen. Faktum ist, dass hier leichtfertig und unverantwortlich ein Teil der Salzburger Geschichte unwiederbringlich zerstört wird. Es ist einfach beschämend, wenn der Begriff des Weltkulturerbes nur auf die Postkartenperspektive mit der Festung beschränkt bleibt und die Kulturgeschichte, zu der auch Technikgeschichte gehört, der Menschen dieses Landes willkürlich von irgendwelchen verantwortungslosen Partikularinteressen dieses Erbe der Altforderen berauben lassen kann.

Falls es irgendeinen befugten und kompetenten Denkmalschützer gibt, der noch etwas historisches Bewusstsein hat, soll dieser aufgerufen werden, diesem Unfug schlagartig ein Ende zu setzen!

Rein zufällig habe ich von diesem schlimmen Barbarenakt erfahren und sofort eine Fotoserie vom historisch wertvollen, leider schon halbzerstörten Haus gemacht.

 

Antwort von Frau Hody, BDA Leiterin Salzburg:

Sehr geehrter Herr Fuchs

Im Falle des Werkstattgebäudes der Ischler-Bahn erfolgte eine Prüfung der Denkmaleigenschaften durch das Bundesdenkmalamt mehrfach. Zuletzt durch einen Kollegen aus Wien, der spezialisiert ist auf sogenannt technische Denkmale. Der Kollege kennt Österreich weit den Bestand an Eisenbahngeschichtlichen Gebäuden sehr gut. Die Kriterien für eine Unterschutzstellung sind im Denkmalschutzgesetz sehr weit gefasst, die Objekte sollen eine „künstlerische, geschichtliche oder sonstige kulturelle Bedeutung“ aufweisen. In der Rechtsprechung zu Unterschutzstellungen werden dann noch regionale und Österreich weite Aspekte eingefordert. Es soll eine ausreichend große Anzahl an Repräsentanten eines Denkmaltypus unter Schutz gestellt werden. Das Werkstattgebäude der Ischler-Bahn war ursprünglich Teil einer großen Denkmalanlage, die in einer Zeit zerstört worden ist, in der man die Wertigkeit von Bahnanlagen als historische Dokumente noch nicht erkannt hatte. Das Werkstattgebäude ist leider nur noch ein kleiner Rest, der aus seinem eigentlichen Kontext herausgerissen kaum noch eine kultur- und wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung im Österreich weiten Kontext aufweist. Außerdem war dieses Gebäude bereits baulich mehrfach verändert und in seinem Baubestand nicht mehr sehr original erhalten. In Österreich stehen Gebäude dieser Art in einer ausreichenden Anzahl in weit besserem Zustand und Kontext unter Denkmalschutz, so dass es für eine Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetzt einfach nichtmehr ausreichend Denkmaleigenschaften aufwies. Die Kollegen hatten seinerzeit die zuständige Abteilung der Stadt jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass das Gebäude durchaus noch eine lokalhistorische Bedeutung haben könnte und eine Erhaltung aus Sicht des Ortsbildes und der Lokalgeschichte geprüft werden sollte.

Das Bundesdenkmalamt war nie mit einem Abbruchantrag zu diesem Gebäude befasst, da es eben nicht unter Denkmalschutz stand. Hier hat wohl der Eigentümer einen Antrag eingebracht und die Baubehörde entschieden.

 

Antwort Fuchs > Hody:

 

Sehr geehrte Frau Hody!
Vielen Dank für Ihre Antwort!


Dieser Antwort entnehme ich, dass wir offensichtlich nicht über dasselbe Gebäude sprechen, da Sie von eine "Zerzörung" reden, die in dieser Gründlichkeit erst vor wenigen Tagen begonnen wurde. Der "eigentliche Kontext" kann sich wohl nur auf den gesamten Betrieb der Salzkammergutlokalbahn (SKGLB) beziehen. Die Zerstörung der "Ischlerbahn" 1957 war der verkehrspolitisch größte Fehler, den das Land Salzburg je gemacht hat. Dem die geschichtliche Bedeutung abzusprechen, finde ich ziemlich beachtlich und bezeichnend, wie wenig Wert auf Denkmalschutz gelegt wird. Wenn ich das jetzt so richtig sehe, bezieht sich Denkmalschutz in Österreich nur mehr auf Kirchen und Schlösser.

So kann man wenigstens nur hoffen, dass nicht "irrtümlich" auch die Festung Hohensalzburg abgerissen wird. Vorstellen kann ich mir mittlerweile auch das. Alles andere, besonders, wenn etwas in Privatbesitz ist, ist offensichtlich nicht schützenswert und kann dem beliebigen Abriß freigegeben werden (z.B. Wolfdietrich-Berghaus etc.). Dasselbe habe ich schon einmal vor rund 30 Jahren mit dem Abriß des Kaiserbahnhofes in Straßwalchen erlebt (Chlorkalk war damals übrigens sehr behilflich!).
Wozu also noch ein Bundesdenkmalamt?


Mir ist klar, dass nicht Sie dafür verantwortlich gemacht werden können. Ich denke allerdings, dass angesichts der vielen technikgeschichtlichen Denkmäler in Österreich, die offensichtlich als solche nicht erkannt werden, eine grundlegende Neuorientierung des "Denkmalschutzes" in Österreich dringend notwendig ist. Technikgeschichte kommt in Ihrer Aufzählung erst gar nicht vor!
Nach der derzeit geübten Praxis wird wohl bald nicht mehr viel übrig bleiben. In meiner Wahrnehmung ist der dzt. "Denkmalschutz" ein reines Anlaß- und Behördenverfahren für Persilscheine für Abrißbirnen!
Traurig! bedauernswertes, ungeschütztes Österreich!

 

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So schlecht sahen die Werkstattanlagen am 16.1.2011 nicht aus (Fotos Dr. Populorum)

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Fotos Dr. Populorum 12.5.2014

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Wo bleibt da die Verantwortung des BDA, wo die der Stadt Salzburg??

 

siehe auch: DEEF: Von Salzburg nach Bad Ischl.

http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/ischlerbahn.htm

Wolf Dietrich Berghaus Hallein:

Michael Neureiter aus Vigaun macht durch Schreiben an das BDA, die Saline (als Betreiber) sowie die Medien darauf aufmerksam, daß das fast 400 Jahre alte W.D. Berghaus - vielen älteren Salzburgern sicher bekannt durch die Bergwerksbefahrungen, die dort endeten - abgerissen werden soll. Es stünde einem Wildbachverbauungsprojekt im Wege und überhaupt steht das Gebäude in der roten Zone (immerhin unbeschadet seit fast 400 Jahren)

 

Auch hier zeigte das BDA vertreten durch Frau Hody wenig Engagement, wie in einem Bericht in Salzburg Heute im Fernsehen für alle mitverfolgbar war. Herr Neureiter befürchtet auch in seinem Mail: "dass das Objekt sich sehr wohl im „Dehio Salzburg. Stadt und Land. Die Kunstdenkmäler Österreichs“ befindet, aber nicht in Hallein, sondern in Dürrnberg eingetragen ist, kann ich nicht ausschließen, dass es bei der Bestandsaufnahme (durch eine Wiener Expertin?) übersehen wurde?"

 

foto bild picture image Wolf Dietrich Berghaus Hallein Denkmalschutz

Am 6.6.2010 waren die Türen und Fenster des Wolf Dietrich Berghauses noch versperrt (oben).

Bei meinem letzten Besuch am 19.5.2014 war alles offen und das Haus innen mit Graffities "verziert", eine Schulklasse verbrachte die Zeichenstunde vor Ort - zumindest haben noch ein paar Kinder von diesem stolzen aber grob geschändeten Haus erfahren!

 

Ohne jedes Kultur- und Geschichtsbewußtsein scheinen die Saline und die Stadt Hallein zu sein - zum Fremdschämen!

 

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foto bild picture image Wolf Dietrich Berghaus Hallein Denkmalschutz

 

Siehe auch: DEEF: Das Salzbergwerk in Hallein. Ein Reader in 4 Teilen

http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/salzbergwerkhallein.htm

Der Denkmalschutz das zahnlose Wesen also. Nicht zum ersten Mal kommt der Verdacht auf, dass das BDA zwar kleine Hausbesitzer piesackt aber sich mit den Großen arrangiert und für technik-industriegeschichtliche Denkmäler sowieso nichts am Hut hat.

 

Hier sollte schleunigst umgedacht werden und die Bürger sind aufgefordert, den Schutz unseres historischen Erbes beim BDA und den Politikern einzufordern. Denn es ist auch traurig anzusehen, wie vor Ort - hier Stadt Hallein und Salzburg - desinteressiert agiert wird. Speziell in Hallein scheint man die Vergangenheit, die Hallein ja groß gemacht hat, nicht besonders zu ehren, wenn man an den Abriß der Seilbahn samt Gebäuden, der kampflosen Auflassung der Saline (immerhin die größten Salzvorkommen Österreichs) und dem Branchliegen der Sudpfanne denkt. Nicht einmal Gedenktafeln finden sich da oder "Stolpersteine" - in diesem Fall Erinnerungssteine für die Leistungen unserer Vorfahren!

 

Links:

DEEF: Das Salzbergwerk in Hallein. Ein Reader in 4 Teilen

http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/salzbergwerkhallein.htm

 

DEEF: Von Salzburg nach Bad Ischl.

http://www.dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org/ischlerbahn.htm

 

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 Salzbergwerk Hallein Wolf Dietrich Stollen   

Das Portal des Wolfdietrichberges, aufgeschlagen 1596 unter Erzbischof Wolf Dietrich von Reitenau. Her kamen bis in die 1960er Jahre die Fremdenbefahrungen auf dem "Wurstwagen" ans Tageslicht

 

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals Online publiziert: 11. Juni 2014; Ergänzungen: -

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Last modified  Samstag, 02. Mai 2015 11:23:50 +0200
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