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DEEF-Blog 2013: 1 Jahr ohne "Felix" und trotzdem glücklich...

Autor: Dr. Michael Populorum, 31.1.2013

"Felix" hieß mein blauer 160 Pferde starker Octavia Kombi 4x4 in Topausstattung, mit dem ich 3 Jahre problemlos und höchst zufrieden unterwegs war. Er ließ mich kein einziges Mal im Stich und er ging auch "wie die Sau" - zumindest für einen Mittelklassewagen. Seit genau 1 Jahr ist Felix Geschichte und mein reservierter privater Tiefgaragenplatz von gähnender Leere erfüllt.

Felix bei einem Ausflug ins benachbarte Boarische. DEEF / Dr. Michael Populorum

Mein ehemals "treuer Gefährte Felix"

Meine Umwelt reagierte etwas mit Staunen auf mein Ansinnen, es von nun an ohne Auto versuchen zu wollen. Dabei lagen doch die Vorteile meiner Handlungsweise auf der Hand:

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Ich wohne mitten in der Stadt, zig Obuslinien halten rundum

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Der Bahnhof, wohin ich als Eisenbahnforscher natürlich prioritär hin muß, ist fußläufig in gut 5 Minuten zu erreichen

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Die neue S-Bahnstation Mülln Altstadt ist in Sichtweite und damit der Europark in 5 Minuten zu erreichen

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Die Innenstadt erreiche ich per pedes in ca. 10 Minuten

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Ein Taxistandplatz ist direkt vor der Haustüre

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Rundum stauen die Blech-Droschken tagein tagaus alles zu, ein Vorwärtskommen mühsam und man ist solange der Aggressivität der anderen "Autisten" in ihren Blechkisten ausgesetzt bis man selbst aggressiv wird

Es lärmt, stinkt, staut und streßt - aber nun ohne mich!

Ich halte es ab dem besagten 1. Februar 2012 so wie die Herrschaft auch früher zu verfahren pflegte - ich fahre nicht mehr selbst sondern ich lasse fahren! Oder hat jemals früher jemand die Herrschaft höchstselbst auf dem Kutschbock gesehen??

Und ich muß sagen ich bin glücklich dabei. Und: Es bleibt mir am Monatsende deutlich mehr im Börserl übrig als früher. Und der Blick auf die Spritpreise vorne bei der Shell am Nelböckviadukt kostet mich nur ein müdes Lächeln - nein ich wünsche mir sogar jedesmal, daß der Sprit noch deutlich teurer werden soll denn dann würden wir alle hier in der Stadt und umzu wieder gesünder durchschnaufen können.

Natürlich habe ich teilweise meine Verhaltensweisen leicht ändern müssen, aber das fiel mir keineswegs schwer. Bspw. hatte ich früher meinen Bierbedarf in Freilassing befriedigt - ich kaufte den Gerstensaft in Kisten beim Getränkemarkt. Natürlich könnte ich auch mit der S-Bahn nach Freilassing fahren und die Kiste vom direkt beim Bahnhof situierten Getränkemarkt auch mit der Bahn befördern. Aber ich kaufe seither das Bier in Salzburg in Dosen, kaufe es fast täglich (=mehr Platz im Abstellraum) und ich kaufe immer unterschiedliche Marken (=Abwechslung). Null Problemo. Die Einkäufe tätige ich jetzt dort wo eine gute Anbindung an die Öffis besteht (bspw. Europark) oder ich kaufe in fußläufiger Entfernung ein, also im Kiesel oder am Bahnhof. Das kann ich gleichzeitig mit einem gesundheitsfördernden Spaziergang kombinieren.

Ins Office in Fürstenbrunn fährt der Bus alle 15 Minuten. Und in mein Zweitdomizil nach Bad Goisern am Hallstättersee bringt mich die Eisenbahn im Stundentakt. Die Fahrt dauert zwar 2 Stunden statt 1 Stunde mit dem Auto, aber während ich mich bei der Autofahrt (oftmals bei Wind und Wetter) 1 Stunde nur auf den Verkehr konzentrieren muß kann ich die kompletten 2 Stunden im Zug geniessen bzw. zum Lesen, zum Arbeiten, zur Kontemplation, zum Essen/Trinken oder zum Plaudern mit Mitreisenden verwenden. Ich habe also mit dem Zug 1 Stunde gewonnen - oder etwa nicht??

ÖBB Intercity 1. Klasse Großraumwaggon. DEEF / Dr. Michael Populorum

Im Wohnzimmer auf Reisen - kein Stress im ÖBB IC 1. Klasse

Was von eingeschworenen Autisten (oh sorry, Automobilisten) immer wieder ins Treffen geführt wird ist, daß man mit dem Auto zu jeder Sekunde, wann immer man gerade möchte, losfahren kann und man bei den Öffis an sowas wie Fahrpläne gebunden ist, man ist also bei den Öffis in seiner Freiheit eingeschränkt ist. Sicher ist es manchmal recht praktisch nicht auf die Uhr sehen zu müssen um eine Fahrt anzutreten, aber umgekehrt gefällt mir gerade diese Rhythmisierung des Lebens. Als selbständiger Unternehmer und als Single kann ich im Grunde eh schalten und walten wie ich möchte, da ist so eine Autorität in Form eines Fahrplans manchmal gar nicht unwillkommen.

Meine vorsorglich abgeschlossene Carsharing-Mitgliedschaft habe ich bis dato kein einziges Mal in Anspruch genommen. Carsharing sollte aber auf alle Fälle weiter ausgebaut werden und nicht nur in den Ballungsräumen sondern flächendeckend verfügbar sein.

Apropos Ballungsräume und ländlicher Raum: Wer in einer (Landeshaupt-) Stadt oder in einer Agglomeration zuhause ist hat es natürlich leichter auf ein Auto zu verzichten als wie wenn man irgendwo "in der Pampa" wohnt wo sich Fuchs und Henne Gute Nacht sagen. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Nur die Rosinen rauspicken, das läuft nicht überall - wer die Vorzüge des ländlichen Raums gegenüber der City geniessen möchte der muß einfach auch einige Nachteile gegenüber dem Stadtleben in Kauf nehmen.

Allerdings hat die öffentliche Hand sehr wohl die Verpflichtung, ein adäquates Grundangebot an öffentlichem Verkehr auch in den ländlichen Gebieten zu organisieren - öffentlicher Verkehr ist eine volkswirtschaftliche Leistung und eine wichtige Komponente hinsichtlich Standortattraktivität für Betriebsansiedlungen und Wohnraumerschließung. Und natürlich, um Grundbedürfnisse des Menschen wie Versorgung und Freizeit sicherzustellen. Die Qualität des Öffentlichen Verkehrs eines Staates oder einer Region kann als Gradmesser für den Entwicklungszustand des-/derselben in puncto Nachhaltigkeit gesehen werden.

Dabei offenbaren sich dem autolos Reisenden und Verkehrsforscher heutzutage noch gewaltige Defizite im Staate Österreich. Bspw. ist der öffentliche Verkehr im Bundesland Niederösterreich tw. wahrlich als "hinterwäldlerisch" zu bewerten. Bspw. ist das Mostviertel, wo man auf sanften Tourismus setzt, am Wochenende komplett von der Aussenwelt abgeschnitten wenn man mit Öffis reisen möchte. So nach dem Motto: Unter der Woche zum Hackeln (Malochen) fahren wir dich mit dem Bus (die meisten Eisenbahnen wurden ja im Zug der "Pröllbock-Politik" bereits vernichtet), das ist OK, aber am Wochenende da bleib gefälligst zuhause. Wie möchte man da bitte die Leute zum Verzicht auf ein Auto motivieren? Aber auch andere Regionen in Österreich erinnern beim Öffi-Angebot eher an eine Bananenrepublik (Entwicklungsland) als an das angeblich siebtreichste Land unseres Planeten. Hier gilt es noch viel zu tun!

Verfehlte Verkehrspolitik (Pröllbock-Politik) in Niederösterreich. DEEF Dr. Michael Populorum

Sicher nicht zukunftsträchtig - die "Pröllbock-Verkehrspolitik" in Niederösterreich

Fazit: "Felix" ging mir bis dato kaum ab. Das Leben ohne Auto läßt sich zumindest in einem Ballungsraum wie Salzburg (oder Wien oder Graz..) bestens mit den Öffis organisieren. In der Fläche tun sich allerdings doch gravierende Mängel in Österreich auf, da sollte man mal ins 11. Bundesland Österreichs, nach Südtirol, schaun. Dort werden auch kleine Bergdörfer zumindest mehrmals am Tag mit Öffis bedient. Erst wenn man wirklich auf die Öffis angewiesen wird, kann man als Eisenbahn-/Verkehrsforscher als direkt Betroffener höchst authentisch die Lage beurteilen und Vorschläge zur Optimierung erarbeiten. Somit hat sich für mich das autolose Jahr auch noch diesbezüglich gelohnt.

Youth for public transport. DEEF / Dr. Michael Populorum, railway research austria

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals Online publiziert: 31. Jänner 2013; Ergänzungen: :

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Last modified  Samstag, 02. Mai 2015 11:23:45 +0200
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