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DEEF-Blog 2012:

Lost & Found bei den ÖBB - Skandalös schlechtes Service

Autor: Dr. Michael Populorum, 26.8.2012

Gestern am Samstag Abend rief mich ein junger Eisenbahnfreund aus Wien an und klagte mir sein Leid - er hat beim Umsteigen im Regionalzug aus Bernhardsthal seinen Fotoapparat liegen gelassen. Er rief sofort beim ÖBB Service "Lost & Found" an, doch ein Tonband teilte ihm mit, dieses Service sei nur von Montag bis Freitag während des Tages verfügbar.

Ich habe mir dann überlegt, was tut man eigentlich in so einem Fall am besten? Und was würde ich tun, wenn ich die Kamera gefunden hätte??

Auf der Webseite des Österreichischen Bundeskanzleramtes wird in der Hilfe-Rubrik und dem Thema "Verlust von persönlichen Gegenständen - Österreichische Bundesbahn (ÖBB)" folgendes angeraten:

Im Fall eines Verlustes sollten Sie sich zunächst an die Zugbegleiterin/den Zugbegleiter wenden.

Einwand Euer Ehren - es gibt in Österreichischen Nahverkehrszügen fast keine Schaffner (vulgo ZugbegleiterInnen) mehr

Gefundene Gegenstände werden zwei bis drei Wochen lang im Bahnhof aufbewahrt, wo diese abgegeben wurden.

Nochmals Einspruch - viele Stationen und Bahnhöfe (selbst grösserer Städte) sind teilweise oder gänzlich unbesetzt, wo sollte ich dann den Gegenstand abgeben?

Gleichzeitig wird ein Nachforschungsauftrag an alle Bahnhöfe geschickt, um dadurch die rechtmäßige Besitzerin/den rechtmäßigen Besitzer so schnell wie möglich ausfindig zu machen.

Verschicken der Computer oder der Schaltschrank, die das Personal verdrängt haben, etwa sowas?

Bei Verlust von Gegenständen helfen die Mungos Lost + Found Servicecenter der ÖBB.

Diesen Dienst gibt es nur in 6 Bahnhöfen österreichweit, nämlich Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck, Bruck an der Mur und in Villach. Was tun wenn mir das in Gramatneusiedl oder in Bregenz passiert? Und was tun wenn mir das am Samstag, Sonn- oder Feiertag passiert oder am Wochentag bspw. in der Rush-Hour um 17 Uhr?

Verlorene bzw. vergessene Ausweise und sonstige Dokumente sowie Kontokarten und Geldbörsen werden von der ÖBB-Fundsammelstelle nach einigen Werktagen an den Fundservice des Magistrats weitergeleitet.

Mit Magistrat ist hier das Magistrat der Stadt Wien gemeint. Was tun in Gramatneusiedl, Bregenz oder in meiner Heimatstadt Salzburg?

Auf der ÖBB Webseite wird ebenfalls der Dienst Lost & Found empfohlen, den die Staatsbahn vor einigen Jahren an die Firma Mungos ausgelagert hat. Nachfolgend der Text von der ÖBB-Webseite:

Liebe Kundin, lieber Kunde,

Die Mitarbeiter von Mungos sind Ihnen gerne behilflich, verlorene Gegenstände wieder aufzufinden. Es ist uns jedoch nur möglich, Nachforschungen innerhalb des Bereichs der Österreichischen Bundesbahnen durchzuführen. Speziell bei wertvolleren Gegenständen empfehlen wir Ihnen, sich auch mit der nächsten Polizeidienststelle in Verbindung zu setzen.

Mungos verfügt Österreichweit über 6 Fundbüros in Wien, Linz, Salzburg, Villach, Bruck/Mur und Innsbruck. Unter der Lost & Found Hotline +43 1 93000-22 2 22 nehmen wir von Montag bis Donnerstag 07:30 bis 12:00 und 14:00 bis 16:30 sowie freitags von 07:30 bis 13:30 gerne Ihre Anrufe entgegen. Gefundene Gegenstände können Sie entweder direkt zu den genannten Öffnungszeiten in unseren Lost & Found Sammelstellen abholen, oder sich innerhalb Österreichs per Post unfrei zusenden lassen.

Für die Verwahrung von Fundgegenständen berechnen wir in den ersten 15 Tagen 7 Euro. Danach fällt eine Verwahrungsgebühr von 5 Euro pro 15 Tagen an. Die Aufbewahrungsfrist für Fundgegenstände endet nach längstens 60 Tagen. Danach werden die Gegenstände verwertet. Falls der Finder den gesetzlich vorgeschriebenen Finderlohn beansprucht, hat der Besitzer des Fundgegenstandes ihm diesen auszubezahlen.

Um die Suche nach einem verlorenen Gegenstand einzuleiten, können Sie uns auch den untenstehenden Nachforschungsauftrag übermitteln. Unsere Mitarbeiter setzen sich mit Ihnen in Verbindung, falls Ihr Gegenstand in einem unserer Fundbüros deponiert wurde.

Man beachte die "kundenfreundliche Erreichbarkeit" (inkl. 2 Stunden Mittagspause) und daß sofort eine Gebühr von 7 Euro fällig wird und dann alle 2 Wochen nochmals je 5 Euro.

   

Lost & Found bei den ÖBB - skandalös schlecht, alibihaft

Fazit: Wer in einem Zug der ÖBB etwas verliert scheint ein armer Teufel zu sein, nicht nur ob des Verlustes sondern ob der Hürden, die es zu überwinden gilt das geliebte Stück wiederzufinden. Aber auch ein etwaiger ehrlicher Finder (so es die noch gibt) hat es nicht minder schwer.

Bei der Organisation des Lost & Found-Service liegt so gut wie alles voll im Argen. Waren früher die Bahnmitarbeiter am Schalter oder in der Lounge dafür zuständig, die sich im System Eisenbahn auskannten und aktiv bei der Suche oder der Rückgabe tätig wurden (bspw. auch den Zugbegleiter im Zug anrufen konnten, Kontakt zu den Waggonreinigern hatten etc.) wurde diesbezüglich alles an eine private Firma (Mungos) ausgelagert, die wiederum ungelernte Leiharbeiter beschäftigt und die sich nur passiv verhalten und den Schreibtisch verwalten. Selbst während der beschränkten und kundenfeindlichen Erreichbarkeit vor Ort oder am Telefon sind die MA von Mungos nicht immer erreichbar, zumindest in Salzburg ist das der Fall.

Die LeiharbeiterInnen haben von der Eisenbahn NULL Ahnung (wie übrigens zahlreiche ÖBB-Manager in den Führungsriegen, speziell der Personenverkehrs AG auch) und keinerlei Netzwerke, um sich aktiv an der Suche zu beteiligen. Dh. nur wenn ein ehrlicher Finder sich überhaupt die Mühe macht, den gefundenen Gegenstand in einer der 6 Geschäftsstellen abzugeben besteht die Chance, wieder an den verlorenen Gegenstand zu kommen. Und sollte einmal ein wertvoller Gegenstand tatsächlich bei der Lost & Found Stelle abgegeben worden sein, so ist es keinesfalls sicher, daß ihn der Eigentümer auch zurückbekommt - mehr als einmal verschwanden schon gefundene Gegenstände auf mysteriöse Art und Weise aus dem "ÖBB Fundamt".

Nach Insiderberichten geht die Wahrscheinlichkeit gegen NULL, einen halbwegs wertvollen Gegenstand (wie bspw. die oben erwähnte Kamera) wieder zu bekommen, auch weil im Bereich der Wagenreinigung keine ÖBB-Mitarbeiter mehr aktiv sind sondern ebenfalls billige Leiharbeiter. Alles in Allem ist es ein gewaltiger Skandal, welches miserable Service die ÖBB hier bieten. Schulnote nicht genügend!

Forderungen:

1. Es bedarf österreichweit zumindest 1 Anlaufstelle, die rund um die Uhr telefonisch erreichbar ist und die Kommunikations- und Koordinationsfunktion hat

2. Vor Ort in einem mit besetztem Schalter versehenen Bahnhof sollte das wichtige Service dorthin verlagert werden, wo auch Mitarbeiter möglichst lange erreichbar sind. Das können sinnvollerweise nur Mitarbeiter der ÖBB sein (Schalter, Lounge, notfalls FDL..)

3. Die MA sollten sich im Geflecht / Netzwerk des Bahnbetriebes auskennen um alle Hebel in Bewegung setzen können, den verlorenen Gegenstand  aktiv aufzuspüren. Das können sinnvollerweise nur Mitarbeiter der ÖBB sein

4. Das Handling für Finder und Suchenden muß möglichst einfach sein

5. Was zu tun ist wenn man was verloren hat bzw. etwas gefunden hat, muß entsprechend kommuniziert werden. Dh. an jeder! unbesetzten Haltestelle sowie auch in Zügen sowie im Internet muß der Fahrgast eine Info darüber bekommen und diese Information muß verständlich und vor allem hilfreich (=erfolgversprechend) sein

6. Das Lost & Found-Management muß hinsichtlich seiner Alltagstauglichkeit sowie seiner Erfolgsrate regelmässig evaluiert werden - dazu bietet sich Mysteryshopping als Evaluierungs-Tool an

 

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 26. August 2012; Ergänzungen: :

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Last modified  Samstag, 02. Mai 2015 11:23:42 +0200
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