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Die Mittenwaldbahn -

Teil 1: Überblick

Karwendelbahn Portal des Martinswandtunnel West; DEEF Dr. Michael PopulorumAls erstes sei an dieser Stelle eine Begriffsdefinition betreffend dieser kühnen und herrlichen Bahnstrecke gestattet, denn immer wieder kommt es zu Verwechslungen oder Vermischungen der Bezeichnungen Mittenwaldbahn und Karwendelbahn. Und in der Tat, es ist nicht eben einfach, die historischen wie die aktuellen Fakten sowie Gepflogenheiten hinsichtlich der Namensgebung unter einen Hut zu bringen. Die nachfolgende Abgrenzung hat an dieser Stelle fürs Erste auch pragmatischen Charakter und sollte in weiterer Folge einer eisenbahnhistorischen Diskussion unterzogen werden.

Ableitend aus den Schriften der beiden Eisenbahngranden Ing. Josef Riehl, dem "Tiroler Eisenbahnvater" und Erbauer der Mittenwaldbahn sowie Victor Freiherr von Röll, Herausgeber der 10-bändigen Enzyklopädie des Eisenbahnwesens (1912–1923), sei in diesem Kontext historisch gesehen wie folgt definiert:

Mittenwaldbahn: Ist der übergeordnete Begriff und bezeichnet die gesamte Bahnstrecke von Innsbruck nach Reutte in Tirol über Seefeld nach Scharnitz (=Karwendelbahn) + die auf bayerischen Territorium gelegene Bahnstrecke Scharnitz - Mittenwald - Garmisch-Partenkirchen - Griesen (nach Oberegger Mittenwaldbahn i.e.S.) + die wieder auf österreichischem Gebiet gelegene Strecke Griesen - Ehrwald - Reutte (=Außerfernbahn).

Karwendelbahn: Wie eben angedeutet der österreichische Streckenteil von Innsbruck über Seefeld nach Scharnitz

Außerfernbahn: Österreichischer Streckenteil von Griesen über Ehrwald nach Reutte.

Der Plan des Erbauers der Bahnlinie, Ing. Josef Riehl, orientiert sich natürlich auch an den politischen Gegebenheiten, belegt aber auf alle Fälle deutlich, daß auf der Steilstrecke von Innsbruck nach Scharnitz der Begriff Karwendelbahn zutreffend war und dieser Begriff auch heute Verwendung finden sollte.

Über die Jahre hin hat sich auch eingebürgert und ist spätestens seit dem Beitritt Österreichs zur EU auch nachvollziehbar, als Karwendelbahn den Streckenabschnitt Innsbruck bis Garmisch-Partenkirchen zu bezeichnen, wo sich von Garmisch-Partenkirchen die Außerfernbahn anschließt und diese Bezeichnung sich über Reutte hinaus bis nach Kempten (Allgäu) eingebürgert hat.

Die Streckenbezeichnungen dieser Internetpräsentation folgen somit folgender historisch-pragmatischen Einteilung:

Karwendelbahn: Bahnstrecke Innsbruck - Seefeld - Scharnitz - Mittenwald - Garmisch-Partenkirchen

Außerfernbahn: Bahnstrecke Garmisch-Partenkirchen -  Griesen - Ehrwald - Reutte i.T. - Pfronten - Kempten (Allgäu)

Mittenwaldbahn - so der Begriff in dieser Präsentation verwendet werden sollte - ist im Riehl´schen Sinne zu verstehen, nämlich als die Bahnstrecke Innsbruck - Garmisch-Partenkirchen - Reutte in Tirol, somit Karwendelbahn + österreichischer Teil der heute als Außerfernbahn bezeichneten Bahnstrecke Garmisch - Reutte - Kempten.

Karwendelbahn mit insgesamt 16 Tunneln - DEEF/Dr. Michael Populorum

Noch ein Blick in die Geschichte - wie hat der zweite Eisenbahn-Grande, Frh. von Röll diese Bahnstrecken eingeteilt und sie beschrieben:

Mittenwaldbahn: Diese im Staatsbetrieb befindliche, vollspurige Nebenbahn besteht aus 2 Teilstrecken: Innsbruck Westbahnhof-Scharnitz, 33∙2 km lang (auch Karwendelbahn genannt), und Reutte-Landesgrenze-Griesen, 30∙5 km lang (Außenfernerbahn). Diese beiden in Österreich liegenden Linien sind durch die über Garmisch-Partenkirchen führende bayerische Staatsbahn verbunden.

Die ganze Strecke Innsbruck-Garmisch-Partenkirchen-Reutte wird insofern einheitlich betrieben, als sie für elektrischen Betrieb eingerichtet ist; vorläufig wird die elektrische Kraft aus einem der M. gehörigen Elektrizitätswerk an der Ruetz, 12 km südlich von Innsbruck, bezogen.

Durch die M., die ihr Zustandekommen der Tätigkeit des Ingenieurs Riehl in Innsbruck verdankt, ist die Verbindung der im allgemeinen Eisenbahnverkehr einbezogenen Orte Innsbruck-Garmisch-Partenkirchen-Reutte untereinander hergestellt, wodurch München mit Innsbruck eine zweite Verbindung bekommen hat und Augsburg bzw. das westliche Deutschland von Innsbruck ohne den Umweg über München erreicht werden kann.

Die Bahn ist eingleisig mit Ausweichstellen. Als größte Steigung wurden 36∙4‰ in ausgedehntem Maße verwendet. Der kleinste vorkommende Bogenhalbmesser beträgt 200 m.

Der Oberbau hat eine Tragfähigkeit von 14 t Achsdruck, die Brücken und Durchlässe sind für einen Achsdruck von 16 t gebaut.
Die. Teilstrecke Innsbruck (Wilten)-Scharnitz erklimmt den Zirlerberg (1185 m) mit einem Höhenunterschied von rd. 600 m. Die Entfernung dieses Punktes vom Ausgangspunkt beträgt 21∙2 km, daher die mittlere Steigung 27∙3‰.
Die M. kann sich demnach, was die an die Lokomotiven zu stellenden Anforderungen betrifft, mit der Arlbergbahn (s.d.) messen, denn diese überwindet auf ihrer westlichen, steileren Rampe zwischen Tunnelscheitel und Bludenz auf einer Länge von 32∙2 km einen Höhenunterschied von 752 m; die mittlere Steigung beträgt daher nur 23∙3‰.

In diesem ersten, gleichzeitig auch schwierigsten Streckenteil befinden sich fast alle großen Kunstbauten, darunter eine Innbrücke mit 2 Öffnungen zu je 45 m und 2 zu je 4 m 1. W., ein 340 m langer Viadukt mit 38 gewölbten Öffnungen zu je 6 m und 2 Eisenkonstruktionen, der 36 m hohe Vorbergviadukt mit 3 Öffnungen zu 22 m und das bedeutende Objekt, die Schloßbachbrücke, die in etwa 60 m über der Talsohle mit eisernen Bogenträgern von 56 m Stützweite die Schlucht überspannt. Ferner war die Einschaltung von 16 Tunneln mit insgesamt 4408 m Länge, d.i. 13∙3% der Baulänge dieser Teilstrecke, erforderlich, darunter der 1809 m lange »Martinswand-Tunnel«, der wegen der Unzugänglichkeit der Stollenmundlöcher und wiederholter Wassereinbrüche manche Bauschwierigkeit bot.

Bei Dampfbetrieb wäre man gezwungen gewesen, eine zumindest um etwa 3 km längere Linie zu wählen, was Mehrkosten, von etwa 3 Mill. K verursacht hätte.

In der westlichen Strecke wechseln Steigung und Gefälle mehrfach und findet die größte Steigung von 36∙5‰ in geringem Maße Anwendung. Die Anlageverhältnisse sind einfacher, es kommt nur ein Tunnel mit 500 m Länge vor, außerdem ein überwölbter Einschnitt von 200 m Länge. Zu erwähnen ist die Loisachbrücke, ein Betonbauwerk mit 4 Öffnungen von 15 bzw. 10 m Weite.

Die beiden Linien der M. stehen an mehreren Stellen mit dem Eisenbahnnetz in Österreich und Bayern in unmittelbarer Gleisverbindung. Dementsprechend findet ein Durchgangsverkehr für Personen und Güter statt.

Die M. wird mit einfachem Wechselstrom von 15.000 Volt Spannung und 15 Perioden betrieben. Die Fahrleitung wird von 2 Unterwerken mit je 2400 K. V. A. Größtleistung gespeist. Diesen wird der Strom mit 50.000 Volt Spannung vom Kraftwerk zugeführt. Alle Leitungen liegen auf Eisengestänge mit bruchsicheren Hänge-Isolatoren. Im Kraftwerk stehen 2 Stück 4000 PS. max. Peltonturbinen, die mit 6 poligen Generatoren unmittelbar gekuppelt sind.

Für den Betrieb der Teilstrecke Innsbruck-Garmisch-Partenkirchen, für die die M. bzw. die österreichischen Staatsbahnen die Zugförderung besorgen, sind 9 Stück elektrische Lokomotiven von 800 PS.-Leistung vorhanden. Diese ziehen 124 t in der Höchststeigung mit einer Geschwindigkeit von rd. 30 km/Std. Die Lokomotiven haben 42 t Trieb- und 53 t Gesamtgewicht. Der Motor treibt mittels Parallelkurbelgetriebes die Achsen an.

Die Baukosten für die beiden Teilstrecken einschließlich des Elektrizitätswerks betragen rd. 27 Mill. K; der Staat, das Land Tirol, die Stadt Innsbruck und sonstige Interessenten haben 12∙1 Mill. K in Form von Stammaktien beigetragen.

Die Strecke Innsbruck-Scharnitz ist im November 1912, die Strecke Reutte-Grießen im Mai 1913 dem öffentlichen Verkehr übergeben worden. (In: Röll, Victor, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 299-300.)

Um an den letzten Punkt von Röll anzuknüpfen nachfolgend die Eröffnungsjahre aller in diesem Kontext stehenden Bahnstrecken in ihrer zeitlichen Genese:

1889 München - Murnau - Weilheim - Garmisch-Partenkirchen

1895 Lokalbahn Kempten (Allgäu) - Pfronten Ried

1905 Pfronten Ried - Schönbichl > Lokalbahn Schönbichl - Reutte i.T.

1912 Karwendelbahn Innsbruck - Garmisch-Partenkirchen (auf bayerischem Gebiet Elektrifizierung erst 1913)

1913 Außerfernbahn Garmisch-Partenkirchen - Reutte i.T.

Die Streckenlängen (gerundet):

Karwendelbahn Innsbruck - Garmisch Partenkirchen 64 km

Außerfernbahn Garmisch-Partenkirchen - Reutte i.T. 45 km

Somit Mittenwaldbahn als Überbegriff Innsbruck - Garmisch - Reutte 109 km

Außerfernbahn Reutte i.T. - Kempten 49 km

Somit gesamte heute so bezeichnete Außerfernbahn Garmisch - Reutte - Kempten 94 km

Strecke Innsbruck - Garmisch - Reutte - Kempten 158 km

Vgl.: München - Innsbruck via. Rosenheim/Kufstein: 172 km

München - Innsbruck via. Garmisch-Partenkirchen/Karwendelbahn: 158 km (Quelle Röll)

Bedeutung: Schon gegen Ende des 19. Jhd. wurden immer wieder sogenannte "Fernbahn-Projekte" mit unterschiedlicher Routenführung angedacht, die eine Verbindung von Augsburg kommend über den Fernpaß ins Inntal herstellen sollten. Ob der technischen Schwierigkeiten (u.a. lange Tunnelstrecken) erfolgte aber der Anschluß an die Karwendelbahn über Garmisch nach Innsbruck. Neben untergeordneter transitärer Bedeutung (2. Eisenbahnverbindung Bayern - Tirol neben der Hauptbahn über Rosenheim-Kufstein) dienen die Bahnstrecken der Erschließung der Region und sind in den letzten Jahren von zunehmender Bedeutung für den Tourismus.

Novität: Als richtungsweisend gilt die Tatsache, daß die Mittenwaldbahn von Beginn weg mit elektrischer Traktion betrieben wird, wobei das verwendete System (15 kV 16 2/3 Herz Wechselstrom) sich als Norm für den Eisenbahnverkehr in Mitteleuropa bis heute bewährt hat.

Weitere Details finden sich bei der Beschreibung und Dokumentation der einzelnen Streckenabschnitte.

Quellen / Weblinks / Lektüre:

Das empfehlenswerteste Buch: Angela Jursitzka, Helmut Pawelka, 2011: Bahn im Schroffen Fels. Die Geschichte der Mittenwald- und Außerfernbahn. Verlag Alba

Diverse Websites: Wikipedia

 http://members.fortunecity.com/reisenge/TIROL/verkehr/karwendel/karwend1.htm (herrliche alte Fotos)

www.mittenwaldbahn.de

Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 299-300.

Fotos DEEF / Dr. Michael Populorum

>>> Mittenwaldbahn Teil 2: Die Karwendelbahn

         Entlang der Hanglehne stetig berauf bis zur senkrechten Martinswand. Karwendelbahn Tirol. DEEF/Dr. Michael Populorum     

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals online publiziert: 6. Oktober 2012; Änderungen:

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Last modified  Sonntag, 24. Mai 2015 22:13:40 +0200
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