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DEEF-Blog 2015: Groteske um den Karawankentunnel - Rückbau statt Ausbau

Der Karawankentunnel (Eisenbahntunnel) ist ein 7.976 m langer Tunnel zwischen den Stationen Rosenbach in Österreich und Jesenice (vormals Aßling) im heutigen Slowenien. Er wurde am 30. 9. 1906 im Rahmen des letzten großen Eisenbahnprojekts der Monarchie "Neue Alpenbahnen" (Tauernbahn, Pyhrnbahn, Karawankenbahn, Wocheinerbahn, Karstbahn als 2. Verbindung zum Hafen Triest) gemeinsam mit der Karawankenbahn eröffnet. Wie der Tauerntunnel und der Wocheinertunnel wurde auch der Karawankentunnel in weiser Voraussicht unserer Vorväter zweigleisig gebaut, die Strecke allerdings vorerst nur eingleisig. So sollte sichergestellt werden, dass bei einem 2-gleisigen Streckenausbau der Tunnel nicht als Nadelöhr wirkt.

 

Karawankentunnel Eisenbahn Karawankenbahn Rosentalbahn Rosenbach Jesenice Aßling foto bild picture Michael Populorum

Karawankentunnel Nordportal ca. 800 m vom Bahnhof Rosenbach entfernt, 2-gleisige Strecke von Rosenbach durch den Tunnel bis Jesenice. Im Tunnel ist seit 1919 die Staatsgrenze Österreich - Slowenien

 

Die EU investiert im Rahmen ihrer "TEN-Eisenbahnnetze" Milliarden umd Milliarden, um die Eisenbahnnetze einzelner Länder zu verbinden, um den Personen- und vor allem Güterverkehr zu intensivieren und zu beschleunigen. Bekannte Beispiele sind die "Magistrale für Europa" TEN 17 (Paris - .. - Budapest) oder TEN 1  Eisenbahnachse Berlin - Palermo (inkl. Brennerbasistunnel). Zahlreiche Strecken bzw. Streckenabschnitte sind als  Hochgeschwindigkeitsstrecken gebaut bzw. geplant. Allerdings ist kritisch anzumerken, dass zwar auf der einen Seite Milliarden in den Aus- und Neubau von Prestigeprojekten gepumpt wird, andererseits über Jahrzehnte hinweg etablierte und auch zukünftig wichtige Strecken total vernachlässigt werden und heute oft kaum noch ein von den Kunden zu akzeptierender Verkehr stattfindet. Bewährte Direktverbindungen mit Kurswagen (bspw. von Salzburg nach Belgrad, Athen, Istanbul, Paris, Spanien, Oostende...) sucht man heute vergebens.

 

Der Eisenbahnverkehr zum Balkan und am Balkan selbst ist überhaupt nach dem Jugoslawienkrieg (1990) nicht mehr so richtig in Schwung gekommen, Verbindungen von einst existieren entweder überhaupt nicht mehr oder sind nur mit mehrmaligen Umsteigen und immensem Zeitaufwand zu bewältigen. Meiner Einschätzung nach wird der Balkanverkehr aber wieder deutlich an Bedeutung gewinnen und es ist eigentlich kontraproduktiv, auch jetzt noch Strecken weiter verfallen zu lassen und Verbindungen auszudünnen. So geschehen bei den IC/EC Verbindungen zwischen Villach und Laibach, die ausgedünnt wurden. Die Folge: Ein privater Busdienst mit Subvention durch das Land Kärnten wurde zwischen Klagenfurt und Laibach eingeführt, während ein paar Kilometer weiter eine internationale Eisenbahnverbindung besteht, die nur attraktiviert werden müßte.

 

Karawankenbahn Güterzug Rosenbach Villach foto bild image

Güterzug durcheilt am 5.9.2014 den Bahnhof Rosenbach Richtung Villach. Im Vordergrund das Gleis der im Dornröschenschlaf befindlichen Rosentalbahn Rosenbach - Feistritz im Rosental - Weitzelsdorf - Klagenfurt..)

 

Und nun die größte Chuzpe:

Vor wenigen Tagen beim Kongreß in Innsbruck im Gefolge des Anschlags des Hauptstollens beim Brennerbasistunnel unterzeichnete der Österreichische Verkehrsminister Stöger mit seinem Kollegen aus Slowenien ein Abkommen zur Modernisierung des Karawankentunnels. Als ich die Überschrift las war ich erfreut, war doch schon auch oftmals vom 2-gleisigen Ausbau der Karawankenbahn (Villach-Jesenice) und weiter nach Krain und Laibach die Rede gewesen. Doch dann glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen: DIe Modernisierungsmaßnahmen mit Erhöhung der Tunnelsicherheit gehen mit einem Rückbau!! auf 1 Gleis einher! Statt die ganze Strecke 2-gleisig auszubauen wird der Tunnel rückgebaut auf 1 Gleis - ein Nadelöhr, das unsere vorausschauend denkenden Vorfahren bewußt vermieden haben. Gleichzeitig wurde verkündet, wenn der Verkehr es zukünftig notwendig machen sollte, dann wird halt ein 2. Tunnel gegraben. Eine Beruhungspille für die Kundschaft und Eisenbahnfreunde und gleichzeitig ein Appetizer für die Bau- und Tunnelmafia. Herr Minister, nicht genügend, setzen!

Fazit:

Dass in die Modernisierung und Sicherheit des Tunnels investiert wird ist natürlich zu begrüssen, aber dass 66 Mio Euro nur auf österr. Seite investiert werden, um dabei auch das 2. Gleis rauszureissen und betriebliche Einschränkungen dann in Kauf genommen werden müssen  ist wahrlich nicht nachhaltig gedacht. Und dass gleichzeitig mit dem Rückbau des Eisenbahntunnels aktuell eine 2. Röhre für die Autobahn gebaut wird, mutet wie ein Schildbürgerstreich an und ist ein völlig falsches Signal an die Bevölkerung und deren gesolltes Verkehrsverhalten. Und dass man eine internationale Bahnlinie hat aber gleichzeitig einen privaten Busdienst subventioniert, stellt dem Bundesland Kärnten und seinen Politikern auch nicht gerade ein gutes Zeugnis aus.

 

Investition in die Tunnelsicherheit und Modernisierung des Tunnels: JA

Rückbau auf 1 Gleis: NEIN!

Ihre Meinung?  redaktion@dokumentationszentrum-eisenbahnforschung.org

  Karawankentunnel Eisenbahn Karawankenbahn Rosentalbahn Rosenbach Jesenice Aßling foto bild picture Michael Populorum  

IC/EC 312 Laibach - Villach passiert am 10. April 2010 das Südportal des Karawankentunnels. Zuletzt betrug die max. erlaubte Geschwindigkeit im Tunnel auf slowenischer Seite nur mehr 50 km/h und angeblich gibt es aktuell auch ein Begegnungsverbot im Tunnel

 

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Alle Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors wieder. Beiträge (Blogs) von anderen Autoren (Bloggern) sind gerne willkommen. Die Beiträge dienen dazu, die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren. Der investigative Journalismus soll zu einer Verbesserung der Dienstleistungen im Eisenbahnsektor Anstoß geben und ist nicht Selbstzweck sondern dem Wohle der Eisenbahn verpflichtet

Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals Online publiziert: 26. März 2015; Ergänzungen: -

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Last modified  Samstag, 02. Mai 2015 11:23:54 +0200
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