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DEEF-Blog 2013: Inkompetenz trifft Ignoranz - Verkehrsministerin Doris Bures zu Kursbuch, Österreich-Ticket und Nebenbahnen

Autor: Dr. Michael Populorum, 15.2.2013

Welche Voraussetzung benötigt man in Österreich eigentlich um Verkehrsministerin (Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) zu werden? Ein abgeschlossenes fachbezogenes Hochschulstudium? Oder einschlägige Berufserfahrung als Legitimation? Oder irgendein Hochschulstudium? Oder wenigstens (nachgewiesenerweise) Herzblut für die Thematik? Weit gefehlt, in Österreich spielt sowas keine Rolle. Unsere derzeitige Verkehrsministerin Doris Bures kann nichts davon vorweisen - ihr erlernter Beruf ist Zahnarzthelferin, ihre Legitimation ist ihr Wirken als Parteisoldatin in der SPÖ. Aber - leider - ist sie dabei in guter Gesellschaft und man braucht sich daher nicht zu wundern, wie unprofessionell Politik in Österreich gemacht wird.

BM Doris Bures Foto: Dr. Michael Populorum / DEEF Railway Research Austria

Zahlreiche Aktivitäten und Aussagen der Frau Ministerin sind unter diesem Gesichtspunkt zu sehen. Den jüngsten Fauxpass leistete sie sich bei der Fragestunde im Nationalrat (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 56 vom 31.01.2013) auf die Fragen von Abgeordneten zum Thema Kursbuch und Österreich-Ticket sowie zu den Nebenbahnen.

Frage der Abgeordneten Gabriela MOSER (G): Bis wann werden Sie dafür Sorge tragen, dass das im Regierungsprogramm enthaltene "Österreich-Ticket" als preisgünstige, unkomplizierte Netzkarte für alle öffentlichen Verkehrsmittel eingeführt wird?

Antwort BM Bures: Auch wenn dieser Vorschlag auf den ersten Blick sehr überzeugend klinge ("ein Ticket für alles"), seien die ExpertInnen der Auffassung, dass damit nicht das gewünschte Ziel erreicht werden kann, konstatierte Bundesministerin Doris BURES. Mit einem solchen Ticket könnte nämlich nur eine ganz kleine Bevölkerungsgruppe erreicht werden, gab sie zu bedenken. Außerdem wäre der Preis dafür ziemlich hoch; in der – kleineren – Schweiz kostet so ein Ticket ca. 3.000 Euro pro Jahr. Welche Familie in Österreich könnte sich das leisten, ragte sie. Sie werde aber jedenfalls alles unternehmen, um die Tarife zu vereinfachen und einheitliche Regelungen bei den Verkehrsverbünden zu erreichen. Was das Top-Jugendticket angeht, so handle es sich dabei um eine ganz wichtige Maßnahme auch im Sinne eines gewünschten Bewusstseinswandels, erklärte Bures. Das Gegenteil treffe auf das Österreich-Ticket zu. Laut ExpertInnen werde es nur von einer kleinen Personengruppe genutzt und bringe auch nicht die gewünschten Effekte. Allerdings habe sie eine Initiative gestartet, bei der es um die Einführung eines österreichweiten Taktverkehrs und eine Vereinheitlichung der Tarifsysteme geht.

ÖBB Österreichcard 1. Klasse. Foto Dr. Michael Populorum

Die Österreichcard wird nicht einmal beim konzerneigenen Postbus (oftmals als Schienennachfolgeverkehr da Bahnlinie abgerissen wurde) anerkannt. In der Schweiz ein Renner, das Generalabonnement, in Österreich seit langem gefordert, ins Regierungsprogramm aufgenommen doch Frau Bures ist der Ansicht, es wäre für die Österreicher zu teuer - und setzt sich dabei eigenmächtig über das Regierungsübereinkommen hinweg. Peinlich!

Das Generalabonnement der Schweiz wäre ein Vorbild für Österreich

Frage des Abgeordneten Josef BUCHER (B): Wann werden Sie das im Regierungsprogramm 2008-2013 den Österreicherinnen und Österreichern versprochene Österreich-Ticket endlich umsetzen, um die derzeit bestehenden unterschiedlichen Tarife in den Bundesländern zu vereinheitlichen und den Pendlern ein kostengünstiges und umweltfreundliches Angebot zu machen?

Antwort BM Bures: Die Ministerin bekräftige abermals, dass das Österreich-Ticket mangels Wirtschaftlichkeit nicht weiter verfolgt werde, versicherte allerdings, man werde in Zusammenarbeit mit den Ländern über weitere Modelle und Systeme von Ermäßigungen nachdenken. Ein Ticketkauf beim Schaffner im Zug, wie dies von Bucher in einer Zusatzfrage vor allem unter Hinweis auf Probleme älterer Menschen mit Fahrscheinautomaten verlangt wurde, sei mit hohen Kosten verbunden, gab Bures zu bedenken.

Zusatzfrage von Gabriela Moser betreffend Wiedereinführung des Kursbuches:

Antwort BM Bures: Das Kursbuch wiederum gebe es vor allem deshalb nicht mehr, da dieses aufgrund seines großen Umfangs zu unpraktisch wäre. Sie wies aber auf die allgemeine Verfügbarkeit von Taschen-Fahrplänen hin.

Das Kursbuch sei so schwer, dass es für jenen Pensionisten, der in der Debatte als Exempel herhalten musste, sicher keine Hilfe darstellen würde. Der 77-Jährige habe den Angaben zufolge beklagt, dass er sich in seinem Alter keinen Computer mehr für die Reiseplanung zulegen wolle und das bis 2011 produzierte Buch vermisse. Seit 2011 wird der Fahrplan von den ÖBB (um den Mitbewerber "Westbahn" nicht aufnehmen zu müssen) nur mehr online zur Verfügung gestellt.

ÖBB Kursbuch 2012. Foto Dr. Michael Populorum 2013

Laut Ministerin Bures ist das Kursbuch mit 49 dkg zu schwer und wird deshalb nicht mehr aufgelegt. In Wirklichkeit wird das Kursbuch nicht mehr aufgelegt, weil die ÖBB den Konkurrenten Westbahn darin nicht aufnehmen wollen. Die Frau Bures sollte einmal über ihren engen Tellerrand als Parteisoldatin hinausschaun wie das in anderen Ländern gehandhabt wird und nicht den mündigen Konsumenten ein seit Jahrzehnten bewährtes und beliebtes Reisehilfsmittel aus parteipolitischen Gründen (Seilschaften SPÖ - ÖBB) vorenthalten. Die Frau Ministerin war ja auch letztes Jahr nicht zu hören als der Streit um das Kursbuch und den Eintrag der Westbahn eskalierte - sie ging auf Tauchstation anstatt als "neutrale Stelle" die korrekte Herausgabe des Kursbuches anzuordnen.

Ad Nebenbahnen:

Auf Fragen des Abgeordneten Sigisbert DOLINSCHEK (B) nach der Zukunft der Nebenbahnen betonte Bures mit Nachdruck, es gebe kein Streckenschließungsprogramm, sondern vielmehr ein Ausbauprogramm. Wo Bahnstrecken in erster Linie regionalen Nutzen haben, werde der Betrieb von den Ländern übernommen, präzisierte sie.

Fazit:

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Das Nichterscheinen des Kursbuches mit dem zu großen Gewicht zu argumentieren ist ja wohl ein Witz. Das Kurbuch hatte zuletzt ein Gewicht von nicht einmal 49 dkg.

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Und daß eine Ministerin einseitig ein Regierungsübereinkommen - wo ja die Einführung eines Österreich-Tickets nach Schweizer Vorbild (Generalabonnement) festgeschrieben steht - einfach negiert ist eine bodenlose Frechheit! Und der Preisvergleich mit der "kleineren Schweiz" hinkt gewaltig - dort ist das Angebot erstens Lichtjahre besser und zweitens sollte eine umweltfreundliche Mobilität durchaus vom Staat durch günstige (gestützte) Preise gefördert werden!

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Und die jahrelange systematische Vernichtung der Nebenbahnen als "Ausbauprogramm" zu bezeichnen - da fehlen mir die Worte!

Die Nebenbahnen wurden und werden in Österreich systematisch vernichtet. Foto Archiv Dr. Michael Populorum

Sieht so für Doris Bures das "Ausbauprogramm" bei den Nebenbahnen aus??

Meinungsäusserungen an die Redaktion bzw. Eisenbahnforum "Drehscheibe":

Ad Kursbuch und Österreich-Ticket:

"So ein Argument darf doch nicht wahr sein. Frau Bures hat wohl noch nie ein ÖBB-Kursbuch in Händen gehalten. Das Kursbuch 2012 wog genau 49 dkg! Und das soll zu schwer sein für einen 77-Jährigen? Für wie dumm hält uns eigentlich die Frau Minister?" (Herr Wilfried H. aus Salzburg)

"Natürlich ist die Argumentation der Zahnarzthelferin ein Blödsinn, denn wer ein Kursbuch will, wird es kaufen und mit sich herumschleppen. Wer das des Gewichtes wegen nicht mehr kann, fährt vermutlich eh nicht mehr durch die Gegend bzw. schreibt sich vor Fahrtantritt eben den Fahrplan seiner Reiseroute auf einen Zettel, so er über keinen PC verfügt bzw. diesen nicht bedienen kann. (Lesen und Schreiben können ja die meisten Alten in unserer Zeit!)"  (User HGM)

"Ein Blick über die Grenzen westwärts hätte der Frau Ministerin nichts geschadet: In der Schweiz ist das auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn, Bus, Schiff, kommunale Strassenbahnen und Autobusse) gültige Generalabonnement nach wie vor äusserst beliebt, obwohl es inzwischen längst nicht mehr billig ist (billiger als ein Auto allemal). Und weil die Öffis hier so oft fahren, ist das gedruckte Kursbuch mittlerweile auf drei dicke Bände angewachsen. Und siehe da: diese gehen trotz Gewicht und trotz Internet-Fahrplan jeweils zu Beginn jeder Fahrplanperiode wie warme Semmeln weg.

Aber die Genossin Bures gehört eben auch zu jenen aus CSSR und DDR bekannten Apparatschikfrauen, die besser wissen, was die Leute wollen (und brauchen) als diese selber. Deshalb haben weder Österreichticket noch Kursbuch Aufnahme in ihren Fünfjahresplan gefunden." (User DFB 21)

"In der Schweiz hat das Kursbuch eine Auflage von 45.000 und man kann davon aus gehen, dass die Käufer durchwegs Stammkunden ersten Rangs sind. Im Gegensatz zu Österreich bekommt man in der Schweiz ein 3 bändiges Werk mit einem Gesamtgewicht von 2,4 kg, denn während österreichs Verkehrsministerin bei jeder Rede mindestens 5 mal das Wort Intermodal verwendet, hat man in der Schweiz die Autobusfahrpläne nie von den Bahnfahrplänen isoliert." (User Ennstalsportzug)

Ad Nebenbahnen:

"Auf Fragen des Abgeordneten Sigisbert DOLINSCHEK (B) nach der Zukunft der Nebenbahnen betonte Bures mit Nachdruck, es gebe kein Streckenschließungsprogramm, sondern vielmehr ein Ausbauprogramm. Wo Bahnstrecken in erster Linie regionalen Nutzen haben, werde der Betriebe von den Ländern übernommen, präzisierte sie."

"Offensichtlich ist Fr. Bures keine Lüge zu dreist." (User Ennstalsportzug)

Antwort des Users Sören Heise darauf:

"Wieso? Sie redet doch von einem Ausbauprogramm.
Man schließt keine Strecken, man baut sie aus: Anschließend sind die Schienen weg."

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Bericht von: Dr. Michael Populorum, Chefredakteur DEEF;  Erstmals Online publiziert: 15. Februar 2013; Ergänzungen: :

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